Ein Kaffee für ein Gedicht – mehrere tschechische Städte machen mit

Foto: Štěpánka Budková

Der 21. März ist Welttag der Poesie. Ein österreichischer Kaffeeröster hat zu diesem Anlass vor einigen Jahren eine Initiative ins Leben gerufen. An dem Tag kann eine Tasse Kaffee auch mit einem Gedicht bezahlt werden. Weltweit machen dieses Jahr rund 1100 Caféhäuser mit, in Tschechien sind es zwölf Locations.

Café Louvre  (Foto: Archiv des Cafés)
Gefragt sind Hobby-Dichter. „Dein kräftiges Aroma holt mich morgens aus dem Koma“, so kurz und knapp schrieb zum Beispiel eine gewisse „Frau W“ an einem früheren Welttag der Poesie. Wen die Inspiration packt, der kann an diesem Samstag auch in mehreren tschechischen Städten seinen Kaffee mit einer oder mit mehreren Zeilen bezahlen. In Prag beteiligt sind zwei Cafés, darunter das Louvre. Sylvio Spohr ist Besitzer des traditionsreichen Etablissements an der Národní třída (Nationalstraße):

„Die Initiative stammt von der Firma Julius Meinl, die sich auch in Tschechien etabliert hat. Natürlich ist das auch eine geschickte Marketingstrategie, man will mehr Kunden erreichen. Aber der Gedanke dahinter ist schön und dürfte auch vielen anderen Menschen sympathisch sein: dass es nämlich wichtigere Dinge gibt als Geld.“

Illustrationsfoto: Štěpánka Budková
Geboren wurde die Idee also in Wien – und passt daher auch wunderbar nach Prag. Schließlich lagen beide Städte früher in der Habsburgermonarchie und hatten eine Kaffeehausszene, die seelenverwandt war. Für Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Karel Čapek und weitere Vertreter der künstlerischen Avantgarde waren die Cafés ein zweites Zuhause. Man schrieb dort, redigierte Texte, auch das Café Louvre war so eine Art Künstlerbüro. Dort wurde 1925 sogar der tschechoslowakische PEN-Club gegründet. Ehrengast des Abends war kein Geringerer als Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk.

Sylvio Spohr erläutert, warum das Louvre jetzt an der Gedichte-Initiative teilnimmt:

Sylvio Spohr  (Foto: Archiv des Cafés)
„Ich habe Videos darüber gesehen, wie das abläuft. Und in Bratislava habe ich mich dann vor Ort selbst damit bekannt gemacht. Mir hat das einfach gefallen. Wenn die Kaffeehausbesucher von der Möglichkeit erfahren, per Gedicht zu bezahlen, haben sie häufig ein Lachen im Gesicht. Dann beginnen sie meist, nachzudenken und kreativ zu werden. Das empfinde ich als sehr schönen Moment. Außerdem kenne ich das schon ein bisschen vom Betrieb des Café Louvre. Seit vielen Jahren liegen auf unseren Tischen immer Papier und Bleistift. Diese kann man nutzen, um sich Notizen zu machen oder auch ein kleines Kunstwerk zu schaffen – ein Bild oder eben ein Gedicht. Und man kann uns natürlich auch Mitteilungen hinterlassen.“

Café Louvre  (Foto: Archiv des Cafés)
Am Samstag werden die Besucher des Louvre und weiterer elf tschechischer Cafés zum Beispiel in Brno / Brünn, Plzeň/ Pilsen oder Třebič vom Personal darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihre Kaffeerechnung auch mit einem Vers begleichen können. Die Gedichte werden dann später im Internet veröffentlicht. Außerdem kündigt Sylvio Spohr an, dass auf die Teilnehmer noch eine Überraschung wartet.

Autor: Till Janzer
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