Von der Drechslerbank bis zur Waschmaschine: Das Handwerksmuseum in Letohrad

Foto: Archiv des Museums des Handwerks in Letohrad

Tischler, Schuster, Seiler, Sattler, Perückenmacher, aber auch beispielsweise Paramentensticker. Das Museum für Handwerk im ostböhmischen Letohrad stellt neben noch heute bekannten Handwerksberufen auch inzwischen in Vergessenheit geratene vor. In mehr als 50 Ausstellungen über Handwerk und Gewerbe kann sich der Besucher eine Vorstellung vom Handwerkerleben im 19. Jahrhundert sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machen. Zahlreiche historische, jedoch immer noch funktionstüchtige Maschinen kann man in einem Sägewerk und in mehreren mechanischen Werkstätten bewundern.

Nový dvůr: ehemaliger Speicher
Auf einem Hügel am Rand der ostböhmischen Stadt Letohrad befindet sich das Areal „Nový dvůr“. Der „neue Hof“, so die deutsche Übersetzung, ist nur ein paar Hundert Meter vom Bahnhof entfernt. Dort stand bereits vor 1554 ein aus Holz erbauter Speicher mit Kellerräumen. Als im 18. Jahrhundert in der Stadt eine neue Adeligenresidenz gebaut wurde, entstanden hier neue Wirtschaftsgebäude. Darum wird der zum Teil bis heute erhaltene Gebäudekomplex als „neuer Hof“ bezeichnet.

Bis heute steht dort ein Speicher aus der Barockzeit. Dort kommen alle Freunde technischer Sehenswürdigkeiten voll auf ihre Kosten. Seit mehr als zehn Jahren ist in den historischen Räumlichkeiten ein Museum für Handwerk untergebracht. In der ersten Etage des Speichers beginnt die Führung durch die Ausstellungen. Es duftet hier ein wenig nach Holz, ganz still ist es hier aber nicht.

Pavel Tacl
Pavel Tacl ist Gründer und auch Leiter des Museums. Auf die Idee sei er 1996 gekommen, erzählt er:

„Damals haben wir das Gebäude des Barockspeichers gekauft, weil wir nach Räumlichkeiten für unsere Firma gesucht haben. Der Speicher war aber sehr groß. Er steht zudem unter Denkmalschutz, sodass man in den oberen Etagen am Bau nichts ändern durfte. Als ich hierher kam und sah, wie die Sonne durch die kleinen Fenster auf die massiven Holzbalken schien, fiel mir ein, dass man hier eventuell alte Maschinen ausstellen könnte. Mit historischen Maschinen und Werkzeug hatte ich Erfahrung von zu Hause. Mein Vater war ein Multitalent, was das Handwerk anbelangt, und wir hatten zu Hause viele Maschinen. Zudem wusste ich von mehreren Werkstätten, die für immer geschlossen werden sollten. Ich trat mit den Besitzern in Kontakt und sie waren meistens froh, dass die Einrichtung der von ihnen geerbten Werkstatt irgendwo ausgestellt wird. Sie sagten mir, auch ihr Opa wäre froh gewesen, dass die Maschinen nicht verschrottet werden.“

Schneiderei
Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Gebäude befand sich damals aber in einem jämmerlichen Zustand. Das gesamte Gelände hatte seit 1946 dem tschechoslowakischen Staat gehört. Der Staat richtete dort mehrere Werkstätten, Garagen, Läden sowie Getreidespeicher ein. In den 1960er Jahren wurde der Original-Speicher durch einen Umbau stark beschädigt. Als Pavel Tacl das Gebäude kaufte, war das Dach halb zerstört:





Ausstellung über das Müllereiwesen
"Im Dach war ein Loch, durch das ein ganzes Auto gepasst hätte. Zuerst musste ein neues Dach gemacht werden, dann folgte eine weitere Sanierung und Instandsetzung des Speichers. Danach fing ich mit den Vorbereitungen der Museumsausstellungen an. Zuerst habe ich eine Schmiede- und eine Tischlerwerkstatt zusammengestellt. Die Einrichtung und die Exponate hatte ich praktisch zu Hause gehabt. Dies reichte mir natürlich nicht für das Museum. Ich begann in der Gegend nach Exponaten anderer Gewerbe zu suchen. Die Hälfte einer ganzen Etage nimmt hier beispielsweise die Ausstellung über das Müllereiwesen ein. Dieses Gewerbe spielte eine große Rolle in unserer Stadt: Es gab hier früher drei Mühlen. Ich selbst habe in einer davon einst gewohnt, und mein Vater war gelernter Müller. Es gelang uns, die gesamte Anlage einer Mühle aus dem nahegelegenen Ort Bystřice nad Orlicí zu kaufen. Mit den genannten Werkstätten auf zwei Etagen haben wir das Museum am 18. Mai 2000 geöffnet.“

Binderei
Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass das Museum immer wieder nach der einen oder anderen konkreten Anlage sucht, erzählt Pavel Tacl. Nachdem das Museum eröffnet worden war, haben manche Besucher ihn sogar darauf aufmerksam gemacht, was sie dort noch vermissten. Einige Gegenstände, die er brauchte, habe er mit der Zeit auch per Internet gefunden. Mittlerweile müsse er manchmal sogar die Angebote von Werkzeug oder Maschinen ablehnen, erzählt Pavel Tacl. Es gibt aber immer noch wenigstens ein für die Region typisches Handwerk, das er gerne im Museum ausführlicher als bisher präsentieren möchte.

Beim Hutmacher
„Im Adlergebirge gab es früher auch mehrere Glashütten. Aber nur wenig ist erhalten geblieben. Wir haben hier nur etwa fünf oder zehn Exponate. Es handelt sich um Glasfragmente und Werkzeug. Ich wäre froh, wenn wir noch mehr Exponate zur Glasherstellung aus der Region ausstellen könnten. Oft bin ich überrascht, was die Leute alles auf dem Dachboden stehen haben. Beispielsweise im letzten Jahr haben wir aus einem Dorf in der Nähe eine mindestens 180 Jahre alte Drechselbank ins Museum gebracht. Nächste Woche werden wir dort eine noch ältere Drechselbank abholen.“

In der Schuhmacherwerkstatt
Im Adlergebirge haben die Leute im Winter früher entweder Stoffe gewoben, Weihnachtskrippen geschnitzt oder Bürsten und Pinsel hergestellt, erzählt Pavel Tacl. Für die Herstellung von Bürsten und Pinseln mussten sie entsprechende Drechselbank haben. Viele davon stehen immer noch irgendwo herum. Oft sei das Holz aber verfault, so dass die Maschine während des Transports auseinanderzufallen drohe, sagt der Museumsleiter.

In jedem Ausstellungsstück ist ein Stück Familiengeschichte versteckt. Viele davon haben ein interessantes Schicksal, erzählt der Museumsleiter. In der Ausstellung über das Wäschewaschen macht er auf einen großen Holzbottich mit eingebauten Hebeln aufmerksam.

Waschmaschinen
„Das hier wurde als französische Waschmaschine bezeichnet. Dazu gehört auch eine kleine Mangel. Die Maschine hat uns eine alte Dame fürs Museum angeboten. Sie sagte, ihr Opa habe das Gerät einst auf einer Messe in Paris gekauft. Die Waschmaschine stand auf dem Dachboden. Die Tür des Dachbodens war jedoch so eng, dass die Maschine nicht durchpasste. Wir haben nicht verstanden, wie das große Gerät überhaupt auf den Dachboden transportiert wurde. Aus dem Dachfenster mussten wir einen Balken hinausführen, von dem die Waschmaschine mit einer Rolle langsam aus etwa 20 Metern hinuntergelassen wurde. Auf der belebten Straße im Stadtzentrum hat die Aktion für Aufsehen gesorgt.“

Einrichtung eines Ladens aus Jasenná
Das Museum für Handwerk ist während seiner zehnjährigen Existenz zu einem beliebten Touristenziel geworden. In der Umfrage der staatlichen Tourismus-Agentur CzechTourism wurde das Museum zum attraktivsten Touristenziel Ostböhmens für das Jahr 2009 gewählt. Die Führung durch das Museum, das das ganze Jahr hindurch geöffnet ist, werden wir in der nächsten Ausgabe des Reiselands fortsetzen. Dann führen wir Sie auch in die Sägehalle und in die mechanische Werkstatt.

Fotos: Archiv des Museums des Handwerks in Letohrad