Nominiert für den Deutschen Fernsehpreis: Die tschechische Filmemacherin Blanka Závitkovská
Sie gehört zu jenen Journalisten in Tschechien, die sich an Themen heranwagen, die bis heute ein heißes Eisen sind. Das jüngste Filmprojekt von Blanka Závitkovská heißt „Das Haus mit dem Grünen Dach“. Es gewährt einen intimen Blick in den Versuch einer Freundschaft zweier älterer Damen aus Liberec / Reichenberg, deren Schicksal unterschiedlicher nicht sei könnte. Christian Rühmkorf sprach mit Blanka Závitkovská über ihren Film und ihre Arbeit.
Blanka Závitkovská, Sie sind Tschechin und haben in Prag und Berlin studiert und zwar Germanistik und Bohemistik. Seit über 15 Jahren arbeiten Sie als Journalistin, hauptsächlich für das Fernsehen, unter anderem für die ARD in Prag. Seit einigen Jahren auch in der Auslandsredaktion des Tschechischen Fernsehens. Das deutsche Fernsehpublikum hat vor kurzem ihr bisher größtes Projekt kennen lernen dürfen. Und zwar die knapp einstündige Dokumentation „Das Haus mit dem grünen Dach“. Schauplatz ist die nordböhmische Stadt Liberec / Reichenberg. Am besten Sie schildern selbst, welche Geschichte Sie da erzählen.
„Es ist ein Porträt zweier Frauen, eine ist deutsche, die andere ist Jüdin – wie Sie schon sagten – aus einer Stadt, die zwei Namen hat: Liberec, auf Deutsche Reichenberg. Und schon das zeigt uns, dass sich in der Vergangenheit eine Geschichte versteckt, die wir vielleicht nicht so gut kennen. Diese zwei Frauen haben in verschiedenen Etappen des 20. Jahrhunderts in dieser Stadt gelebt und dann hatten sie ganz unterschiedliche Schicksale. Also dadurch ist auch die Sicht auf die Stadt im Wandel und in den Wirren des 20. Jahrhunderts sehr interessant für mich. Aber der Film heißt ´Das Haus mit dem grünen Dach´, und eigentlich war das Haus für mich nur ein Symbol oder ein roter Faden. Denn das war der Grund, die Ursache, warum die deutsche Protagonistin, die heute in Italien lebt – Isa Engelmann – eigentlich überhaupt in diese Stadt zurückgekehrt ist. Sie hat am Anfang die Vergangenheit und die Erinnerungen gesucht, dann aber hat sie eine Freundschaft gefunden.“Sie ist ja eine Vertriebene, sie ist als Kind vertrieben worden. Und sie hat die Freundschaft gesucht, gefunden zu einer tschechischen Jüdin, die natürlich zur Nazizeit das Schicksal aller Juden geteilt hat. Sie hat allerdings Glück im Unglück gehabt und konnte nach England auswandern, flüchten. Wie sind Sie auf die beiden Protagonistinnen, Isa Engelmann und Edita Weitzenová, gestoßen. Ist das ein journalistischer Glückfall gewesen oder gezielte Recherche?
„Ich glaube ans Glück nur bedingt. Denn ich denke, das Glück kommt, wenn am Anfang die Arbeit steht und eine gründliche Recherche. Das ist meine Überzeugung. Zufälle sind schön, aber sie können am Ende stehen. Also ich habe versucht, Protagonisten für einen Film zu finden, der eigentlich die Absurdität des 20. Jahrhunderts zeigt. Und ich hatte eine völlig andere Vorstellung: eine Tschechin, eine vom Krieg Betroffene, und – am liebsten - einen Mann, der im Ausland war. Das ist mir aber nicht gelungen, diese drei Protagonisten zu finden. Und dann kam ich zusammen mit der Frau Weitzenová, und die sagte mir einmal: ´Es kommt eine Freundin aus Italien, die früher mal in Reichenberg, in Liberec, gewohnt hat. Wir treffen uns, und wenn sie wollen, dann kommen sie dazu. Und das war der Zufall. Also ich kam dazu und war überrascht wie direkt und ziemlich hart, aber ehrlich die beiden Damen miteinander umgehen. Das hat mich fasziniert und ich habe mir gesagt, ok, fangen wir an zu filmen und schauen wir, wie das am Ende ausgeht.“Wie lange haben Sie die beiden Frauen denn mit der Kamera begleitet?
„2003 habe ich sie getroffen und zum ersten Mal haben wir 2005 gedreht und zuerst eigentlich nur die Gespräche der beiden. Denn ich war mir nicht sicher, wie sie reagieren, wenn die Kamera läuft. Dann hatten wir ein Jahr Pause, weil die jüdische Protagonistin einen Unfall hatte. Und dann haben wir immer zwei Mal pro Jahr weiter gedreht bis zum Jahre 2007. Und dann kamen wir zum Schnitt.“Der Film wurde in der ARD gezeigt, er wurde im Februar auch im Tschechischen Fernsehen gezeigt. Wie waren die Reaktionen des Fernsehpublikums in Tschechien und Deutschland auf dieses doch heiße Eisen?
„Die Reaktionen waren unterschiedlich. In Deutschland haben den Film über eine Millionen Leute gesehen. Dadurch hatten wir damals mehrere Reaktionen bekommen. Was mich überrascht hat war, dass viele gesagt hatten: ´Endlich! Endlich macht das jemand unpolitisch´. Denn – wie Sie wissen – es war lange ein politisches Thema zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland. Auf der tschechischen Seite sind die Reaktionen zu 60 Prozent positiv, zu 40 Prozent negativ, würde ich sagen. Ihre Hörer und Leser können die deutschen und tschechischen Reaktionen auf der Webseite zu dem Film finden: www.dumsezelenoustrechou.cz Da finden sie einen guten Überblick über die Reaktionen.“
Ich glaube wir können schon verraten: Die Dokumentation, der Film ist für den deutschen Fernsehpreis nominiert. Als tschechische Journalistin einen Film im deutschen Fernsehen unterzubringen, stelle ich mir nicht leicht vor. War das ein steiniger Weg dorthin oder war Ihre Arbeit für die ARD in Prag eigentlich schon das Tor dazu?„Es war unglaublich schwer. Ich habe nicht mal im Traum daran gedacht, dass es gelingen könnte. Wir haben damals einen Rohschnitt – ruffcut – an unterschiedliche Redaktionen geschickt. Ein Jahr lang kam keine Antwort. Aber nach einem Jahr eben hat sich der Südwestrundfunk aus Baden Baden gemeldet. Das war eine Redaktion, mit der ich bis dahin nichts zu tun hatte. Die Leute habe ich nicht gekannt. Denn ich habe vorher hauptsächlich Reisereportagen oder Nachrichtenreportagen gemacht, Maximallänge 30 bis 40 Minuten. Nur die Filmbranche ist etwas anderes. Damit befassen sich auch in der ARD völlig andere Redaktionen. Und da war ich erstmal glücklich, aber dann kam der Schlag. Denn sie sagten: Die Geschichte gefällt uns, aber das Drehbuch muss umgearbeitet werden. Aber sie haben mir nicht gesagt wie. Die Arbeit hat also noch mal von vorne angefangen und das war echt schwer. Denn ich hatte das anders aufgebaut. Jetzt, mit dem Abstand, muss ich sagen, es hat dem Film gut getan, weil die Zuschauer sich mehr damit identifizieren können.“
Sie haben sich schon im Studium mit Geschichte befasst. Standen deutsch-tschechische Themen – in diesem Falle ist ja auch noch die jüdische Geschichte dabei – stand das eigentlich immer für Sie journalistisch im Vordergrund?
„Weil ich in Tschechien für das deutsche Fernsehen gearbeitet habe, war das eines der Themen. Nur hat mich mehr die Angst interessiert und das Spiel mit der Angst auf der politischen Ebene. Denn in der deutsch-tschechischen Problematik – genauso wie in anderen Geschichten, zum Beispiel der palästinensisch-israelischen – ist eigentlich die Angst für die Politiker eine Art Instrument. Und wenn sie das schaffen, die Angst in den Kopf der Menschen zu setzen, dann sind die auch leichter manipulierbar. Bis heute ist es hier eine übliche Überzeugung, dass die Deutschen im Zweiten Weltkrieg das Schlimmste getan haben. Deshalb werden wir sie dafür hassen oder nicht mögen oder dafür verantwortlich machen. 1997 gab es die deutsch-tschechische Deklaration, die das zwar politisch und diplomatisch in einen Rahmen bringt und verarbeitet. Aber keine Deklaration oder Erklärung kann menschliche Gefühle beinhalten. Und ich denke, es ist auch schwieriger, dass die Leute selbst dieses Thema verarbeiten. Und deswegen war mir sehr wichtig, dass die Zuschauer die Motivation der beiden Frauen verstehen. Und das habe ich versucht zu erreichen.“
Woran arbeiten Sie zurzeit – abgesehen von der täglichen Arbeit in der Auslandsredaktion des Tschechischen Fernsehens. Habe Sie ein neues Projekt avisiert?
„Also ich habe eine Ideen für einen Film im Kopf. Den werde ich irgendwann mal in den nächsten Jahren machen. Aber das wird wohl teils ein Spielfilm und da braucht man Geld und Unterstützung, also das wird dann die nächste Schlacht.“
Dann genießen Sie, Blanka Závitkovská, erstmal die Früchte Ihrer Arbeit. Viel Erfolg beim deutschen Fernsehpreis. Vielen Dank für das Gespräch.