Bücher, Filme, Ausstellungen: Geschichte durch die Augen junger Generation

Foto: SelfMade Hero Verlag

KafKa in KomiKs in Stuttgart, Herbstlese oder Herbstlesen in Regensburg und eine Auseinandersetzung mit der Geschichte in Dokumentationen. All dies bietet das Tschechische Zentrum München in den nächsten Wochen. Mehr dazu von der Leiterin des Zentrums, Zuzana Jürgens.

Franz Kafka: `Das Schloss`  (Foto: SelfMade Hero Verlag)
Frau Jürgens, lassen Sie mich heute nicht in München, sondern in Stuttgart anfangen. Dort beginnt am achten November eine Ausstellung über Franz Kafka. Sie findet im dortigen Literaturhaus statt. Es geht aber nicht ausschließlich um die Literatur von Kafka, sondern um eine ungewöhnliche Aufarbeitung seiner Werke:

„Ja, damit liegen Sie richtig. Es geht um Kafka und Comics, und zwar um Comics, in denen seine Romane verarbeitet wurden. Die Ausstellung im Literaturhaus Stuttgart schließt an die Ausstellung aus dem letzten Jahr an über `Alois Nebel` vom Künstler `Jaromír 99` (Jaromír Švejdík). Er hat den Comic nach der Vorlage aus Kafkas `Das Schloss` gezeichnet. Sein Werk ist bereits auf Englisch erschienen und wird zu Beginn des neuen Jahres 2014 auch auf Deutsch erscheinen. `Jaromír 99` ist dabei einer von insgesamt drei Autoren, neben der Französin Chantal Montellier und dem Engländer Robert Rumb. Ein weiterer Verknüpfungspunkt ist der 130. Geburtstag von Franz Kafka, den wir in diesem Jahr feiern. Darüber hinaus werden wir Workshops anbieten und ein buntes Programm aus Musik, Lesungen und Konferenzen.“

Radka Denemarková  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Das Tschechische Zentrum hat auch in Regensburg ein Programm vorbereitet - es heißt `Herbstlese` oder `Herbstlesen`. Worum geht es dabei?

„Dies ist eigentlich schon eine traditionelle Veranstaltung, die das Tschechische Zentrum in Kooperation mit dem Regensburger Bohemicum durchführt. Die ursprüngliche Idee stammt vom Bohemicum. Es handelt sich um eine Doppelveranstaltung, welche immer im November stattfindet - dieses Jahr am 12. und am 13. November. Der Inhalt bezieht sich auf Literatur und Film. Radka Denemarková wird in Regensburg zu Gast sein, mit Ihrem inzwischen preisgekrönten Roman `Ein herrlicher Flecken Erde`. Der ursprüngliche Titel war Peníze od Hitlera (Geld von Hitler). Lesen wird sie aus dem Buch am 12. November. Einen Tag später zeigen wir den Film `Das Haus mit dem grünen Dach`, von Blanka Závitkovská. Es ist eine Dokumentation über zwei Frauen aus Liberec (Reichenberg). Eine hat einen deutsch-tschechischen Hintergrund, die andere einen Deutsch-Tschechisch-Jüdischen. Ihre Schicksale sind maßgeblich vom Zweiten Weltkrieg und der Zeit danach geprägt. Sie treffen erst später in den 90er Jahren aufeinander und freunden sich miteinander an. Das ist wirklich eine sehr interessante Dokumentation. Die Regisseurin hat sich auch angekündigt und wird im Anschluss mit dem Publikum über Ihren Film diskutieren.“

Film `Das Haus mit dem grünen Dach`  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Also sowohl das Buch, als auch der Film sind Werke, die etwas mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu tun haben?

„Genau, aber es war uns eben auch wichtig, dass es zeitgenössische Werke sind. Keiner von den Autoren ist ein Zeitzeuge, auch wenn sie mit dieser Geschichte leben müssen. Sie gehen thematisch von der heutigen Perspektive aus und setzen sich in Ihren Werken mit dieser Zeit auseinander.“

Das also wird am 12. und 13. November in Regensburg stattfinden. Schauen wir nun nach München - was plant das Tschechische Zentrum sozusagen `zu Hause´?

„Zu unserer Überraschung ist das Programm für den November in München sehr umfangreich geworden. Dazu würde ich gerne zwei bis drei Sachen hervorheben. Die Erste Aktion hat wieder einen historischen Bezug. Es ist die deutsche Premiere des Dokumentarfilms von Lukáš Přibyl: `Vergessene Transporte’. Sie findet im Gedenken an die Reichskristallnacht am 9. und 10. November im Filmmuseum in München statt. Der Regisseur widmet die vierteilige Serie dem Transport der tschechischen Juden in die osteuropäischen Lager. Die Geschichten sind noch weitgehend unbekannt und zeigen die Deportationen nach Weißrussland, Lettland Estland und Polen. Unbekannt sind sie auch deshalb, weil es kaum Überlebende gab. Lukáš Přibyl ist es trotzdem gelungen, die wenigen Zeitzeugen zu finden und mit ihnen zu reden. Er hat dabei sehr viel Archivmaterial verwenden können. Es sind Aufnahmen dabei, die bislang noch größtenteils unveröffentlicht sind. Im Film geht es sehr stark um das Thema Überleben, also wie es für diese Leute möglich war. Interessanterweise gab es an jeden Ort ein anderes Motiv: Jugend und Mut bei jungen Frauen, Familienzusammenhalt oder die Fähigkeit sehr anpassungsfähig zu sein und schnell die Identität zu wechseln beziehungsweise unter einem anderen Namen weiterzuleben. Das ist für uns ein bedeutender Programmpunkt. Der Regisseur Lukáš Přibyl hat sich angekündigt für ein kleines Podiumsgespräch zusammen mit Hanno Loewy und Andrea Löw. Darin wird es um einen neuen Zugang zum Thema Holocaust gehen.“

Foto: Lukáš Houdek
Um Geschichte geht es auch bei einer Ausstellung. Es ist die Fotoausstellung und es geht um die Nachkriegsgeschichte in der Tschechoslowakei:

„Ja, das ist eine Ausstellung, die am 26. November im Tschechischen Zentrum eröffnet wird. Auch hier handelt es sich, ähnlich wie bei Radka Denemarková und Blanka Závitkovská, um einen Künstler, der selbst kein Zeitzeuge ist. Es handelt sich um den jungen Fotografen Lukáš Houdek. Er hat Romanistik studiert und beschäftigt sich thematisch mit den Roma und anderen ethnischen Minderheiten. Einer seiner Schwerpunkte ist auch die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Er hat die Ereignisse sehr detailliert recherchiert und mit Fotografien von Barbie-Puppen nachgebildet. Die Aufnahmen werden wir im Tschechischen Zentrum ausstellen. Das Echo in Tschechien war bereits sehr groß. Jetzt bin ich neugierig, wie es auf die Besucher in München wirken wird. Auch hier ist ein Gespräch mit Lukáš Houdek vorgesehen, zusammen mit der Münchner Fotografin Babara Hartmann. Ihre Werke widmen sich ebenfalls den ethnischen Minderheiten.“

Rozálie Kohoutová
Diese Ausstellung wird durch eine Filmprojektion ergänzt - stimmt das?

„Das ist richtig. Wir haben auch ein kleines Begleitprogramm vorbereitet, weil die Ausstellung bis zum zehnten Januar läuft. Ab vierten Dezember zeigen wir dann im Münchner Kino `Neue Arena` den Dokumentarfilm von Rozálie Kohoutová: ‚Kytlice - Zimmer frei`. Die Autorin hat in dem kleinen Dorf Kytlice gedreht, im ehemaligen Sudetenland. Ihre Familie hatte sich dort ein Wochenendhaus gekauft. Nach und nach entdeckt sie dann die Geschichte des Dorfes. Sie recherchiert Mithilfe der Bewohner, deren Ahnen und eines naiven Malers, welcher die Ereignisse und Erzählungen aus dem Dorf in seinen Bildern verarbeitet. Frau Kohoutová will auch nach München kommen und ich bin schon sehr auf das Gespräch mit ihr gespannt - denn auch sie ist letztendlich eine junge Frau mit einer neuen Sichtweise auf das Thema.“

Film ‚Kytlice - Zimmer frei`
Die Geschichte steht also im Mittelpunkt, diesmal aber durch die Augen einer jüngeren Generation. Kann man das so sagen?

„Man kann man es tatsächlich für die meisten Programmpunkte im Herbst zusammenfassen. Ich finde aber, dass es auch die aktuelle Situation in Tschechien widerspiegelt. Viele Künstler aus der jungen Generation finden doch zu dieser noch nicht soweit zurückliegenden Geschichte einen Zugang. Sie wollen wissen und lernen, wie es wirklich gewesen ist; was davon geblieben ist und wie es sich auf das Heute auswirkt? Das nimmt man so vielleicht gar nicht bewusst wahr und deswegen ist Geschichte in unserem Programm ein thematischer Schwerpunkt.“