Im Blickpunkt: Václav Havel in München 1990
Die erste Auslandsreise von Václav Havel als Staatspräsident führte im Januar 1990 nach München. Der Adalbert-Stifter-Verein erinnert in der bayerischen Landeshauptstadt nun an dieses Ereignis, und zwar mit einer Serie von Diskussionen und Treffen. Dazu ein Interview mit der Vereinsvorsitzenden Zuzana Jürgens.
„Nach Ost-Berlin und nach München. Václav Havel wurde am 29. Dezember 1989 gewählt, und der 2. Januar 1990 war eigentlich der allererste Arbeitstag für ihn in der Funktion als Staatspräsident. Die Reise wurde also sehr schnell vorbereitet. Havel wollte Deutschland als Nachbarn besuchen und dort eben die genannten beiden Städte. Das hatte eine symbolische Bedeutung. Ganz bewusst war es nicht Bonn, wo die Bundesregierung und die Bundesministerien damals noch saßen, sondern eben München und Ost-Berlin.“
Der Schwerpunkt der aktuellen Veranstaltungsreihe wurde auf München gelegt. Warum?
„Wir hätten die Besuche in den beiden Städte betrachten können, aber wir haben uns deshalb nur auf München konzentriert, weil Václav Havel hier mit der gesamten damaligen Führungsriege der Bundesrepublik zusammentraf. Das waren Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Havel selbst sagte, dass eine symbolische Reise geplant gewesen sei. Sehr schnell wurde daraus aber ein richtiges Arbeitstreffen, aus dem sich gleich Aufgaben und weitere Treffen ergaben.“Der Adalbert-Stifter-Verein erinnert an diese Auslandsreise mit der Veranstaltungsreihe „Havel in München“. Diese wurde am Montagabend mit einem Podiumsgespräch eröffnet und setzt sich mit weiteren Vorträgen und Diskussionen fort. Schwerpunkt jeder der Veranstaltungen ist Václav Havel, er wird aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Was sind die wichtigsten Themen?
„Was wir in Hinblick auf Václav Havel hervorheben möchten, sind für mich mehrere Punkte. Zum einen gehörte er im tschechisch-deutschen Kontext zu denjenigen, die ganz früh die Bedeutung guter nachbarschaftlicher Beziehungen betont haben. Dazu gehörte auch die Aufarbeitung der Vergangenheit, der schwierigen Punkte in der gemeinsamen Geschichte, damit sich beide Nationen versöhnen können. Er hielt diese guten Beziehungen für einen wichtigen Grundstein für die Beziehungen innerhalb Europas, in der Europäischen Union. Der zweite Schwerpunkt ist Václav Havel als großer Europäer. Er hat für die Europäische Union, für das vereinte Europa gebrannt. Wenn man heutzutage seine Reden und Essays zu Europa liest, stellt man auch fest, wie weitsichtig er war, wie gut er bereits vor 30 Jahren auch die heutigen Probleme des vereinten Europa erkannt hat. Trotzdem hat er nie an einem vereinten Europa gezweifelt.“
Sind unter den Gästen vielleicht auch Augenzeugen von Havels damaliger Deutschland-Reise?„Ja, tatsächlich. Es war leider nicht so einfach, weil viele von den direkten Teilnehmern der Reise inzwischen verstorben sind. Bei der Eröffnungsveranstaltung mit dem Titel ‚Der erste Staatsbesuch‘ war Milan Horáček von den deutschen Grünen auf dem Podium. Er war damals wegen seiner Kontakte und Sprachkenntnisse an der Organisation der Reise mitbeteilig. Weiter war es Michael Žantovský, der heutige Direktor der Václav-Havel-Bibliothek in Prag, die ein Kooperationspartner für unsere Veranstaltungsreihe ist. Žantovský war damals Sprecher von Václav Havel und hat ihn auf der Reise begleitet. Als Dritter saß Bernd Posselt auf dem Podium, der damals im Büro von Otto von Habsburg arbeitete und die Paneuropa-Union gegründet hat. Bei der letzten Veranstaltung, die sich ‚Europäische Dialoge Václav Havels‘ nennt, wollen wir mit einem Podiumsgespräch starten, in dem wir auf die gemeinsame bayerisch-deutsch-tschechische Geschichte in den letzten 30 Jahren zurückblicken. Daran nimmt Karel Schwarzenberg teil. Er gehört auch zu denjenigen, die man als Zeitzeugen bezeichnen kann. Zwar war er damals nicht in München, gehörte aber zum Kreis der Berater und der Vorbereiter.“
In den nächsten Tagen stehen mehrere Diskussionen und Veranstaltungen zu der Reise an. Was lässt sich daraus vielleicht hervorheben?„Unser Ziel ist es, Václav Havel unter mehreren Blickpunkten vorzustellen. Er war nicht nur jeweils Dissident, Politiker oder Dramatiker, sondern bei ihm haben sich alle diese Bereiche seiner Persönlichkeit gegenseitig beeinflusst. Sie haben ihn zu demjenigen gemacht, der er war, wie er dachte und handelte. Ich freue mich sehr auf die Veranstaltung ‚Der Europäer Václav Havel‘ in der nächsten Woche. Das ist ein Vortrag von Miroslav Kunštát. Der Historiker hat Anfang der 1990er Jahre Václav Havel in den tschechisch-deutschen Beziehungen beraten. Kunštát wird einen Blick werfen auf die Knotenpunkte der Zeit, auf die Schritte und die Wirkung Havels. Anschließend werden die Journalistin Ludmila Rakušanová sowie Jürgen Daniel vom Zeitgeschichtlichen Forum in Potsdam gemeinsam mit Martin Schulze Wessel darüber diskutieren, was eigentlich aus dem Nachlass von Havel heute erhalten ist. Ich halte es für wichtig, nicht nur an die Geschichte zu erinnern, sondern auch zu fragen, was aus den Plänen und Impulsen geworden ist. Das Zweite sind die ‚Europäischen Dialoge‘, eine Nachmittagsveranstaltung im Bayerischen Landtag mit drei kleineren Podiumsdiskussionen zu europäischen Themen. Diese Veranstaltung ist mir wichtig, weil wir uns da etwas von den tschechisch-deutschen Beziehungen lösen. Stattdessen beschäftigen wir uns mit jenen Themen, die Deutschland und Tschechien als Nachbarländer miteinander verbinden. Wir wollen mit den Teilnehmern und dem Publikum darüber diskutieren, was man in der Europäischen Union machen kann, damit auch solche bilateralen Beziehungen gut funktionieren.“
Anstehende Veranstaltungen in München:
■ 17. Januar 2020: Václav Havel: Dramatiker, Philosoph, Politiker
Gasteig
■ 22. Januar 2020 Der Europäer Václav Havel
Einstein 28 (MVHS)
■ 23. Januar 2020 Europäische Dialoge Václav Havels
Bayerischer Landtag (Maximilianeum)
Veranstalter der Reihe sind der Adalbert Stifter Verein (München) in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum München und der Václav-Havel-Bibliothek (Prag). Genauere Informationen gibt es unter www.stifterverein.de.