Neue Leiterin des Tschechischen Zentrums: „Ich freue mich auf viele Facetten von München“

Tschechische Zentrum in München

Das Tschechische Zentrum in München hat seit Mai mit Blanka Návratová eine neue Leiterin. Beim Besuch in den Räumlichkeiten des Zentrums im ersten Stockwerk eines großen Palastes in der Prinzregentenstraße entstand folgendes Interview.

Frau Návratová, Sie haben vor kurzem die Leitung des Tschechischen Zentrums in München übernommen. Mit welchen Vorstellungen und Plänen sind Sie in die bayerische Landeshauptstadt gekommen?

Blanka Návratová | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Wenn man in Tschechien München oder Bayern sagt, stellen sich die meisten Leute etwas ganz Traditionelles vor. Bayern wird als ein traditionsbewusstes Land empfunden. Aber gleichzeitig ist ja München eine europäische Metropole, und das bedeutet Offenheit und Vielfalt. Ich freue mich jetzt einfach darauf, dass ich diese vielen Facetten von München kennenlerne und dass es mir vielleicht auch gelingt, das modernere Gesicht der Stadt gegenüber den tschechischen Künstlern zu präsentieren und dadurch neue Verbindungen zu initiieren. Ich hoffe, dass die tschechischen Künstler dann Lust kriegen, auch nach München zu kommen, nicht nur immer nach Berlin, wie es im Moment eigentlich der Fall ist.“

Sie leben seit Anfang April in München, haben Sie die Stadt zuvor gekannt?

„Eigentlich sehr wenig. Ich war hier zuvor nur einmal ganz kurz als Touristin. Ich muss sagen, die Stadt hat auf mich bei meinem Arbeitsantritt hier sofort einen positiven Eindruck gemacht. Ich war sehr überrascht, wie grün München ist. Der Fluss hat mich bezaubert, auch der Englische Garten, die ersten Eindrücke sind also recht positiv. Das war jetzt allgemein zu der Stadt, weniger zur Kultur, aber auch da habe ich bereits die Möglichkeit gehabt, einige interessante Orte kennenzulernen.“

München | Foto: Reinald Kirchner,  Flickr,  CC BY-SA 2.0

Was haben Sie gesehen?

„Anfang Mai gab es hier eine Theaterkonferenz in der Akademie der schönen Künste. Das ist eine etablierte Institution. Das Interessante war jedoch, dass es in der Konferenz um das freie Theater ging. Auch eine größere Delegation tschechischer Künstler war gekommen, und ich habe festgestellt, dass es da eine große Lust gibt, sich auf dieser tschechisch-bayerischen Ebene auszutauschen. In dem riesigen Haus der Akademie der schönen Künste wurde tschechisches experimentelles Theater gespielt – das war schon etwas Besonderes.“

Gibt es bestimmte Bereiche und Kulturgenres, die Sie während Ihrer Arbeit in München besonders hervorheben möchten? Ich hatte den Eindruck, dass in der Vergangenheit zum Beispiel tschechisches Design sehr akzentuiert wurde…

„So, wie ich mich jetzt hier umgeschaut habe, sehe ich, dass tschechische Filme und Literatur im Tschechischen Zentrum München bereits sehr gut laufen. Was ich jetzt noch weiter entwickeln möchte, ist tatsächlich gerade das Design, da sehe ich Möglichkeiten. Aber ich will auch Kooperationen im Theater, im unabhängigen Theater initiieren. Es würde mich freuen, wenn mir das gelingen könnte. Der Tanz ist ein weiterer Bereich, mit dem ich gute Erfahrungen in den letzten Jahren gemacht habe. Man kann damit die Leute auch im öffentlichen Raum sehr gut ansprechen. Der Vorteil ist zudem, dass es beim Tanz keine Sprachbarrieren gibt.“

Sie kommen aus Brünn und haben bisher das dortige Festival „Meeting Brno“ geleitet. Bei diesem Festival wurden auch die tschechisch-deutschen Beziehungen akzentuiert…

Der Versöhnungsmarsch 2021 | Foto: Festival Meeting Brno 2021

„Das Festival ‚Meeting Brno‘ ist immer noch meine Herzenssache. Man kann es nicht einfach ablegen, indem man nach München umzieht. Tatsächlich beschäftigt sich das Festival stark mit der deutschen Geschichte der Stadt Brünn. Wir veranstalten jedes Jahr den sogenannten Versöhnungsmarsch, zu dem viele Gäste aus Deutschland kommen. Damit wird der Vertreibung der Deutschen aus Brünn nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht. Das ist eine wichtige Veranstaltung des Festivals, die auch dieses Jahr im Juli wieder stattfindet. Außerdem gibt es eine Reihe von Veranstaltungen zu aktuellen Themen, zum Beispiel Diskussionsforen, Theater, Tanz und Performances, die man schwer einem Genre zuordnen kann.“

Seit wann existiert eigentlich das Festival? Waren sie eine Mitbegründerin?

„Ich bin erst Ende 2017 zu dem Festival gekommen, es ist 2016 entstanden. Der Ausgangspunkt war eigentlich 2015 das sogenannte ‚Jahr der Versöhnung‘, ein städtisches Event, bei dem mit verschiedenen Veranstaltungen das ganze Jahr über an das Kriegsende erinnert wurde, man sich aber auch kritisch damit auseinandergesetzt. Aus dieser Initiative ist dann das Festival entstanden. Man hat gesagt, man wolle weitermachen, da es nötig sei, sich jedes Jahr wieder dem Thema zu widmen.“

Tschechische Zentrum in München | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

Dass Sie aus Brünn kommen, könnte wohl auch bei der Leitung des Tschechischen Zentrums in München nutzen – unter anderem um die Beziehungen mit der mährischen Metropole stärker zu prägen…

„Das würde ich natürlich sehr gerne machen. Ich finde, in Mähren passiert sehr viel Spannendes im Kulturbereich. Es ist schon so, dass man sich hier in München stark auf Böhmen konzentriert. Aber das möchte ich jedenfalls in den nächsten vier Jahren ändern.“

In wieweit haben Sie die Möglichkeit, dass Programm hier selbst zu bestimmen? Das Tschechische Zentrum München ist schließlich Teil eines Netzes von tschechischen Zentren in der ganzen Welt mit einer Zentrale in Prag…

Tschechische Zentrum in München | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Die Zentrale in Prag ist eine wertvolle Unterstützung. Meine Kollegen dort sind Fachleute für bestimmte Kulturbranchen, man hat damit einen Partner, an den man sich wenden kann, wenn man ein bestimmtes Thema besprechen möchte. Aber eigentlich ist man als Direktor des Tschechischen Zentrums und bei der Gestaltung des Programmkonzepts ziemlich frei.“

Können Sie unsere Hörer zu einer Veranstaltung in der nächsten Zeit einladen? Das Zentrum in München ist im Juli noch offen und bereitet ein Programm vor.

Ausstellung 'In Corona Times',  Markéta Šílená | Foto: Tschechische Zentrum in München

„Gerade im Juli planen wir hier eine sehr interessante und große Ausstellung. In München findet jedes Jahr die sogenannte Schmuckwoche statt, und zwar im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse. Diese Veranstaltung ist sehr wichtig für die Stadt. Die Hauptausstellung läuft auf dem Messegelände, und dazu gibt es begleitende Ausstellungen in der ganzen Stadt. Das Tschechische Zentrum ist bei diesem Begleitprogramm dabei. Wir werden gleich drei Ausstellungen hier im Haus haben zu modernem tschechischen Schmuck. Eine von diesen wird von Eva Eisler kuratiert, zwei weitere von Julie Bergmann. Das sind große Namen im Schmuckdesign, und ich freue mich schon darauf, dass wir sie hier zu Gast haben. Ich glaube, es lohnt sich, in der Woche ab dem 6. Juli hier vorbeizuschauen.“

Weitere Infos und das komplette Programm finden Sie auf der Homepage https://munich.czechcentres.cz/de/.

Die Adresse des Zentrums lautet Prinzregentenstraße 7, München.

Die Öffnungszeiten:

Mo–Mi: 13–17 Uhr,

Do: 13–19 Uhr,

Fr: 12–15 Uhr sowie nach Vereinbarung.