Todesstrafe: Vor 50 Jahren wurde in der Tschechoslowakei zum letzten Mal eine Frau hingerichtet

Der Ort des tragischen Vorfalls in Prag, bei dem Olga Hepnarová absichtlich in Menschen fuhr
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Vor 50 Jahren, am 12. März 1975, wurde in der Tschechoslowakei das letzte Todesurteil gegen eine Frau vollstreckt. Olga Hepnarová wurde wegen mehrfachen Mordes gehängt. Die letzte Todesstrafe gegen einen Mann wurde hierzulande kurz vor der Samtenen Revolution durchgeführt.

Olga Hepnarová wurde 1951 in Prag geboren. Sie hatte verschiedenen Quellen zufolge keine leichte Kindheit und bereits in jungen Jahren psychische Probleme. Nach einer Ausbildung zur Buchbindern arbeitete sie später als Fahrerin für die Prager Verkehrsbetriebe.

Olga Hepnarová | Foto: Archiv des Museums der Polizei

1973 kam es zu der furchtbaren Tat, wegen der sie später hingerichtet wurde. Aleš Kýr arbeitet als Historiker für den tschechischen Gefängnisdienst und erläutert im Interview für Radio Prag International:

„Olga Hepnarová beging einen Massenmord mit einem Lastkraftwagen. Acht Menschen kamen dabei ums Leben, zwölf weitere wurden verletzt. Die Tat passierte am 10. Juli 1973 an der Straßenbahnstation am Strossmayerplatz in Prag.“

Ihr lange geplantes Massaker gestand die junge Frau sofort ein. Und zudem sagt Kýr:

„Bei der Untersuchung ihrer seelischen Gesundheit kam man zu dem Schluss, dass sie den Mord gezielt und bei vollem Bewusstsein für die Folgen verübt hat. Sie zeigte nie Reue für die Tat.“

Olga Hepnarová | Foto: ABS

Am 6. April 1974 wurde Olga Hepnarová deshalb zum Tode verurteilt. Das hohe Strafmaß war laut Kýr nicht überraschend.

„Das Urteil war zu erwarten. Denn im Strafgesetzbuch war die maximale Dauer einer Freiheitsstrafe mit 15 Jahren festgelegt. Eine lebenslange Strafe gab es hingegen noch nicht. Die Todesstrafe war deshalb für die Zeit das adäquate Urteil.“

Hepnarovás Mutter beantragte zwar Begnadigung beim tschechoslowakischen Staatspräsidenten, dem Gesuch wurde aber nicht stattgegeben. Und auch die weiteren Instanzen bestätigten den Richterspruch. Am 12. März 1975 kam es im Gefängnis in Prag-Pankrác zur Vollstreckung des Urteils.

„Das Hinrichtungsinstrument war ein Strick und eine Falltür. Der Verurteilten wurde das Urteil verlesen. Dann teilte man ihr mit, dass der Antrag auf Begnadigung nicht genehmigt wurde. Der Arzt erklärte, dass die Frau nicht schwanger sei. 6.25 Uhr wurde die Strafe vollstreckt, und um 6.40 Uhr stellte der Arzt den Tod fest.“

Foto: ABS

Olga Hepnarová war die 73. Frau, die nach 1945 auf dem Gebiet der Tschechoslowakei hingerichtet wurde. Der absolute Großteil dieser Frauen wurde laut Kýr wegen Kollaboration mit den Nationalsozialisten und der Beteiligung an deren Verbrechen zum Tode verurteilt. In fünf Fällen – Hepnarová mitgerechnet – legte man den Verurteilten Mord zur Last. Die wohl bekannteste Hinrichtung wurde 1950 verübt, als die Regimegegnerin Milada Horáková aus politischen Gründen ermordet wurde.

Wie Historiker Kýr ausführt, war Olga Hepnarová zwar die letzte Frau, die hierzulande hingerichtet wurde. Bis 1989 kam es aber weiterhin zur Vollstreckung von Todesurteilen gegen Männer. Der letzte auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens war Vladimír Lulek.

„Er hatte seine Frau und seine vier Kinder umgebracht. Dafür wurde er am 2. Februar 1989 hingerichtet.“

Foto: ABS

Von 1918 bis 1989 wurden in der Tschechoslowakei insgesamt 1217 Todesstrafen vollstreckt. Nicht einberechnet sind dabei die Tötungen während der nationalsozialistischen Besatzung. Über 20 Prozent der Menschen wurden aus politischen Gründen hingerichtet.

Abgeschafft wurde die Todesstrafe in der Tschechoslowakei im Mai 1990. Im Januar 1991 wurde die Verurteilung zum Tode durch die Aufnahme der Charta der Grund- und Freiheitsrechte in die Verfassung verboten.

Die Streichung der Todesstrafe rettete etwa Zdeněk Vocásek das Leben. Er wurde 1988 wegen zweifachen Mordes und eines weiteren Mordversuchs verurteilt. Nach einem Einspruchsverfahren und einem abgelehnten Antrag auf Begnadigung sollte das Urteil am 27. Dezember 1989 vollstreckt werden. Der Termin wurde aber verlegt, und der neue Präsident, Václav Havel, wandelte die Strafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe um. Diese verbüßt Vocásek bis heute.

Autoren: Ferdinand Hauser , Kristina Kellnerová
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