Von tschechoslowakischem Grenzsoldaten erschossen – Gedenkstein für Franz Stauber enthüllt

Gedenkstein für Franz Stauber

Am 22. Oktober wurde in der Nähe von Eschlkam in der Oberpfalz ein Gedenkstein für Franz Stauber gesegnet, der aus Bayern stammte und 1949 beim Holzholen von tschechoslowakischen Grenzbeamten erschossen wurde. An der feierlichen Weihe des Denkmals nahm auch der tschechische Historiker Mikuláš Zvánovec teil. Martina Schneibergová hat in der vergangenen Woche mit dem Historiker gesprochen.

Herr Zvánovec, am vorvergangenen Sonntag wurde nahe Eschlkam in Bayern ein Gedenkstein für Franz Stauber feierlich enthüllt und gesegnet. Sie waren auch dabei. Wer war Franz Stauber?

Die feierliche Weihe des Denkmals von Franz Stauber | Foto: Archiv von Mikuláš Zvánovec

„Franz Stauber war ein 30-jähriger Mann, der 1949 direkt an der bayerisch-böhmischen Grenze Holz gefällt hat. Er wurde von der tschechoslowakischen Grenzwache festgenommen. Die Soldaten wollten ihn zum nächsten Grenzposten führen, der sich in Maxov befand. Auf dem Weg zum Grenzposten entriss sich Franz Stauber den Grenzern und wollte zurück nach Bayern flüchten. Die Zweimannwache eröffnete daraufhin den Beschuss mit Maschinengewehren. Franz Stauber wurde dabei verletzt. Als er schon wehrlos und verletzt auf dem Boden lag, trat einer der Grenzsoldaten an ihn heran und erschoss ihn kaltblütig aus nächster Nähe.“

Skizze zur Untersuchung des Falls | Foto: Security Services Archive

Wo wohnte Franz Stauber? Und ist sein Fall bereits früher bekannt geworden?

„Er wohnte in Daberg. Das ist ein Ort nahe Eschlkam. Stauber war Angestellter in einer Glasfabrik in Furth im Wald. An dem Tag war er mit seiner Arbeit in der Fabrik fertig, kam nach Hause und wollte Astholz verarbeiten, das ihm von einem anderen Landwirt zugesprochen wurde. Das war der Grund, warum er sich am Nachmittag des 22. Oktober 1949 in Richtung Grenze begab. Er fuhr gemeinsam mit seiner Frau mit einem Kuhfuhrwerk dorthin. Zusammen wollten sie die Äste nach Hause bringen. Der Fall ist in der tschechischen Öffentlichkeit nicht wirklich bekannt, aber die Behörde für die Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus (ÚDV, Anm. d. Red.) hat sich damit schon zuvor beschäftigt. 1998 wurde von den tschechischen Behörden ein Bericht an die Hinterbliebenen in Bayern gesendet, weil bis dahin auf bayerischer Seite nicht wirklich klar war, was damals eigentlich passiert ist.“

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Was wurde 1949 der Familie gesagt?

„Unmittelbar nach dem Zwischenfall haben sich einige bayerische Landwirte an der Grenze versammelt und haben unterschiedliche Informationen bekommen. Jemand sagte, Franz Stauber sei erschossen worden. Einige meinten, er befände sich im Krankenhaus in Domažlice.

Mikuláš Zvánovec | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Es hat lange gedauert, bis die Wahrheit ans Licht kam. Vom Nationalausschuss in Domažlice wurde den Hinterbliebenen sogar die Sterbeurkunde ausgestellt, was in vergleichbaren Fällen ziemlich selten war. Denn gerade in dieser Zeit wurden westdeutsche Opfer an der Grenze gnadenlos als Agenten behandelt. Die Hinterbliebenen haben normalerweise nicht einmal die Sterbeurkunde ausgestellt bekommen. Das Interessante an Staubers Fall ist, dass er 1954 wieder eröffnet wurde, um ihn als Mord einzustufen. Denn Franz Stauber wurde aus unmittelbarer Nähe erschossen, als er sich nicht mehr wehren konnte. Die Militärstaatsanwaltschaft hatte die Untersuchungen eingeleitet, der Fall wurde neu aufrollt. Die Leiche wurde exhumiert und die sterblichen Überreste nach Prag gebracht. Wo sie schließlich gelandet sind, ist bis heute unklar. Es wird vermutet, dass sie auf dem Friedhof in Prag-Ďáblice bestattet wurden, aber gewiss ist das nicht.“

Wo wurde Stauber damals nach seinem Tod bestattet? Auf der tschechischen Seite der Grenze?

Die feierliche Weihe des Denkmals von Franz Stauber | Foto: Archiv von Mikuláš Zvánovec

„Ja. Als erste Option dachte man an den Friedhof in Maxov, aber schließlich entschied ein Vorgesetzter der Grenztruppe, dass er lieber weiter entfernt von der Grenze begraben werden sollte. Er wurde in einem provisorischen Sarg auf dem Friedhof in Kdyně beigesetzt, wobei der Obduktionsarzt sowie der Totengräber gewarnt wurden, dass der Fall streng geheim gehalten werden müsse. Erst als der Vorfall 1954 erneut untersucht wurde, konnten diese Menschen etwas freier darüber sprechen. Damals war die Beweislast gegen den Täter, den Soldaten der Zweimannwache, der Stauber erschossen hatte,erdrückend. Der Täter saß auch eine kurze Zeit lang in Untersuchungshaft, wurde jedoch dank der Amnestie des Staatspräsidenten wieder freigelassen. Es wurde also nie jemand in diesem Fall zur Verantwortung gezogen.“

Wurde Franz Stauber schon rehabilitiert?

„Franz Stauber wurde 2021 auf Antrag des tschechischen Rechtsanwalts Lubomír Müller rehabilitiert. Der hinterbliebenen Tochter wurde eine Entschädigungssumme zugesprochen. Diese Summe wurde nun benutzt, um den Gedenkstein bei Gaishof enthüllen zu können.“

Staubers Tochter war damals noch sehr jung. Gibt es noch weitere Zeitzeugen?

„Ja, bei der Veranstaltung habe ich sogar einige von ihnen getroffen und mit ihnen gesprochen. Das waren Leute, die die Schüsse gehörte haben oder die sich damals an der Grenze versammelt haben. Es gab Zeitzeugen, die gesehen haben, wie Franz Stauber von der Grenze weggeschleppt wurde. Angeblich soll er noch in Richtung Bayern gerufen haben: ,Mich haben die Tschechen fort.‘ Das waren die letzten Worte, die man in Bayern gehört hat. Es gab also mehrere Zeitzeugen, und einige sind noch am Leben.“

Befassen Sie sich als Historiker allgemein mit dem Thema der Grenztoten?

Die feierliche Weihe des Denkmals von Franz Stauber | Foto: Archiv von Mikuláš Zvánovec

„Ja. In diesem Jahr wurde ein Projekt des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin abgeschlossen, an dem ich beteiligt war. Im Rahmen des Projekts wurden die Todesfälle am Eisernen Vorhang untersucht. Der Mehrwert dieser Studien war, dass die Archivquellen von tschechischer, aber auch slowakischer, ungarischer und rumänischer Seite mit den Archivalien der ostdeutschen Stasi in Verbindung gesetzt werden konnten. Aus dieser Projektarbeit ist ein biografisches Handbuch entstanden, in dem die Biografien der Getöteten dargestellt sind.“

Die feierliche Weihe des Denkmals von Franz Stauber | Foto: Archiv von Mikuláš Zvánovec

Haben Sie also auch persönlich dazu beigetragen, dass nun an Franz Stauber erinnert wurde?

„Wir haben den Fall Stauber als den ersten im Rahmen unseres Projekts bearbeitet. Interessant ist die Menge von Materialien, die wir dazu im Archiv der Sicherheitskräfte in Kanice bei Brünn dazu bekommen konnten. Das haben wir mit den Stasi-Unterlagen zusammengetragen. Anhand dieser Arbeit ist die Biografie zu Stauber entstanden, in der auch der genaue Tathergang geschildert wird. Es war zuvor nicht genau klar, was passiert ist. Uns ist es nun gelungen, dies zusammenzufassen. Wir haben indirekt dazu beigetragen, dass der Gedenkstein enthüllt wurde, weil wir bei der Projektarbeit auch die Tochter von Franz Stauber kontaktiert und ihren Kontakt an den Rechtsanwalt Lubomír Müller weitergeleitet haben. Anschließend konnte der Antrag auf die Rehabilitierung gestellt und schließlich auch der Gedenkstein errichtet werden. Zu dem Gedenkstein gibt es auch eine Website, auf der der Fall beschrieben ist. Diese basiert auf unseren Forschungen.“

Gedenkstein für Franz Stauber | Foto: Archiv von Mikuláš Zvánovec