Deutsche Geschädigte des Schießbefehls an ČSSR-Grenze ziehen vor tschechisches Verfassungsgericht

Jan Fojtík

Das tschechische Verfassungsgericht in Brno / Brünn hat eine Beschwerde erhalten wegen der Einstellung des Verfahrens gegen den früheren Chef-Ideologen der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Jan Fojtík.

Lubomír Štrougal

In dem Verfahren ging es um die Mitverantwortung Fojtíks am Schießbefehl an den Grenzen der ČSSR. Die Beschwerde eingereicht haben mehrere Deutsche. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige DDR-Bürger, die bei der Flucht über die Grenze der Tschechoslowakei angeschossen wurden, sowie um Hinterbliebene von getöteten Flüchtenden.

Das Verfahren gegen Fojtík wurde im Dezember eingestellt. Laut einem gesundheitlichen Gutachten leidet der frühere KPTsch-Chefideologe unter Demenz und ist nicht in der Lage, den Sinn des Verfahrens zu verstehen. Der Anwalt Lubomír Müller, der die deutschen Kläger vertritt, hat jedoch Zweifel an dem Gutachten und ist deswegen vor das Verfassungsgericht gezogen. Über eine ähnliche Beschwerde müssen die Verfassungsrichter auch im Fall des kommunistischen Ex-Premiers Lubomír Štrougal entscheiden.

Plenum des Verfassungsgerichtes | Foto: Verfassungsgericht

2019 hatte die tschechische Polizeibehörde zur Untersuchung und Dokumentation der Verbrechen des Kommunismus (ÚDV) mit Ermittlungen gegen fünf ehemalige hochgestellte kommunistische Politiker begonnen. Da die Beschuldigten teils über 90 Jahre alt sind, handelt es sich laut Anwalt Müller um ein Wettrennen der Gerechtigkeit mit der Demenz und dem Tod. So starb im Juli 2020 bereits der frühere Parteichef Miloš Jakeš. Der jüngste der Beschuldigten ist mit 81 Jahren der frühere Innenminister František Kincl. Über eine Anklage gegen ihn soll die Staatsanwaltschaft bis Ende Januar entscheiden.

Milouš Jakeš | Foto: Tschechisches Fernsehen

Auch bei Kincls Vorgänger im Amt, Vratislav Vajnar, könnte es zu einem Verfahren kommen. Zwar hatte zunächst ein Gutachten seinen Gesundheitszustand als schlecht bewertet, laut einem zweiten Gutachten ist er jedoch in der Lage, den Sinn der Anklage zu verstehen. Deswegen hat Müller der zuständigen Staatsanwaltschaft bereits vorgeschlagen, das Verfahren gegen den früheren Innenminister Vajnar zu eröffnen.