Rücktritt oder nicht? Tschechischer Vizepremier unter Druck wegen Weihnachtsfeier am Tag des Amoklaufs

Marian Jurečka

Sollte Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka zurücktreten, weil er am Tag des Amoklaufs an der Prager Karlsuniversität an einer Weihnachtsfeier teilnahm? Darüber diskutiert derzeit die politische Öffentlichkeit in Tschechien.

Eine Welle der Kritik schwappt derzeit über Marian Jurečka. Der Vizepremier, Arbeits- und Sozialminister und Chef der Christdemokraten muss sein Verhalten am 21. Dezember erläutern. An diesem Tag starben bei einem Amoklauf an der Prager Karlsuniversität 15 Menschen inklusive Attentäter. Dennoch lief eine Weihnachtsfeier in Jurečkas Ministerium weiter, selbst als das Ausmaß des Massakers bereits bekannt war. In einer politischen Talkshow des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens bemühte sich Jurečka am Sonntag, die Sache zu erklären:

Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Die Weihnachtsfeier war lang im Voraus geplant und begann um 15 Uhr. Die SMS-Nachricht über die außerordentliche Regierungssitzung ging um 17.03 Uhr an die Kabinettsmitglieder raus. Ich habe die SMS leider erst um 18.26 Uhr geöffnet, gelesen und darauf reagiert. Um 18.36 Uhr habe ich die Öffentlichkeit informiert (durch einen Tweet bei X, Anm. d. Red.). Ein Fehler war, dass ich das in dem Moment falsch bewertet und die Weihnachtsfeier nicht sofort beendet habe.“

Die erste Nachricht von dem Amoklauf gab die Presseagentur ČTK um 15.22 Uhr heraus. Die außerordentliche Regierungssitzung fand um 21 Uhr statt. Erst kurz vor seiner Fahrt dorthin sei die Feier im Arbeitsministerium mit rund 400 Teilnehmern beendet worden, gestand der Minister.

Bereits am 28. Dezember hatte ein tschechischer Nachrichtenserver über die Weihnachtsfeier im Arbeits- und Sozialministerium berichtet. Eine Woche lang schwieg Marian Jurečka dazu. Am Mittwoch vergangener Woche behauptete er dann, erst um 19 Uhr überhaupt von dem Amoklauf erfahren zu haben. Am Sonntag nun hat er also erläutert, was im Ressort an dem betreffenden Abend vor sich ging. In der Fernsehsendung sagte der Minister noch:

Marian Jurečka  (in der Mitte) in der Sendung von Václav Moravec im tschechischen Fernsehen. | Foto: Tschechisches Fernsehen,  ČT24

„Für mein ganzes Vorgehen – dass ich nicht rechtzeitig die Feier beendet und dass ich das falsch kommuniziert habe – entschuldige ich mich. Sie müssen mir glauben, dass mir das sehr leid tut und ich mich über mich selbst ärgere. Sollte ich jemanden durch mein inadäquates Vorgehen verletzt haben, entschuldige ich mich noch einmal sehr.“

Jurečka scheint derzeit am Schwanken zu sein, ob er zurücktreten soll. Dieser Gedanke sei ihm durchaus gekommen, gestand er im Fernsehen. Und er habe dies auch Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) gesagt. Der Regierungschef lehnte einen Rücktritt aber noch am Sonntag ab.

„Es tut mir sehr leid, dass es zu dieser Sache gekommen ist. Das ist ein Fehler, den auch Marian Jurečka zugegeben und für den er sich entschuldigt hat. Jetzt ist es wichtig, dass er so, wie er mir gegenüber die ganzen Unklarheiten aus der Welt geräumt hat, das auch in der Öffentlichkeit tut“, so Fiala.

Petr Fiala | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Oppositionspolitiker hingegen rufen vehement nach einem Rücktritt. Und sie kritisieren daher auch den Regierungschef. So sagte etwa der Vizevorsitzende der Partei Ano Karel Havlíček:

„Es ist zu einem Versagen gekommen. Der Premier sollte handeln und genauso viel von seinen eigenen Leuten verlangen wie von der Opposition.“

Karel Havlíček | Foto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Jurečka hat angekündigt, dass er die Führung seiner Partei über seinen Regierungsverbleib abstimmen lassen will. Laut tschechischen Medien dürfte aber vonseiten der Christdemokraten kein Ungemach für ihn drohen.

Eine Frage bleibt aber vielleicht dennoch: Als Vizepremier ist Marian Jurečka auch Mitglied im Sicherheitsrat des tschechischen Staates. Wie kann es sein, dass er da mehrere Stunden lang nicht informiert gewesen sein will über die dramatische Lage?

Autor: Till Janzer | Quellen: Česká televize , Český rozhlas , ČTK
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