Hasserfüllter Täter und Polizeieinsatz mit Fragezeichen: Ermittlungen zu Amoklauf abgeschlossen

Vor sechs Monaten hat ein Student der Prager Karlsuniversität im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät 14 Menschen und sich selbst getötet. Vergangene Woche haben Polizei und Staatsanwaltschaft nun ihre Ermittlungsergebnisse vorgestellt.

Im zurückliegenden halben Jahr habe man 130 Verhöre geführt, Mitschnitte von 120 Überwachsungskameras ausgewertet und 34 Expertengutachten eingeholt, hieß es am Donnerstag von der Polizei. Nun seien die Untersuchungen zum Amoklauf an der Prager Karlsuniversität abgeschlossen. Im öffentlichen Teil der Sitzung des Sicherheitsausschusses wurden die Ergebnisse im Abgeordnetenhaus vorgestellt.

Wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht, soll sich der Amokschütze, ein Student der Universität, monatelang auf seine Tat vorbereitet haben. So holte er etwa Informationen zum Unterrichtsgeschehen in dem Uni-Gebäude ein. Entsprechende Notizen wurden auf der Herrentoilette im vierten Stock gefunden. Dort hielt sich der Täter etwa anderthalb Stunden lang versteckt und bereitete sich auf seine Tat vor.

Dem Gutachten zufolge soll der Schütze keine psychische Störung gehabt haben. Er habe aber Unrecht und Hass verspürt. Staatsanwältin Jana Murínová sagte am Donnerstag im Sicherheitsausschuss:

„Er verschloss sich vor der Außenwelt, hatte keine Freunde, keine Partnerin und niemanden, der seine Gedanken hätte korrigieren können. Er plante diese Tat, aber es gab niemanden, dem er es hätte erzählen und der ihn davon hätte abhalten können.“

Dem Bericht zufolge soll der Täter aber dennoch wegen Selbstmordabsichten auf die Empfehlung einer Bekannten hin zu einem Psychiater gegangen sein. Vor seiner Hausärztin verschwieg er dies wiederum und erhielt so die Erlaubnis zur Beantragung eines Waffenscheines. Die Ärztin hätte zwar durch Einsicht in das entsprechende Register feststellen können, dass der junge Mann Medikamente einnimmt, gesetzlich vorgeschrieben ist diese Kontrolle jedoch nicht. Dennoch wird ihr Vorgehen nun von der Ärztekammer untersucht.

Am Tattag, dem 21. Dezember 2023, soll der Amokläufer laut dem Untersuchungsbericht der Polizei um 13.23 Uhr das Universitätsgebäude betreten haben. Bei sich hatte er eine große Sporttasche auf Rädern, in der sich seine Schusswaffen befunden haben sollen. Nur eine Minute später betraten auch Polizisten das Gebäude am Jan-Palach-Platz. Sie suchten einen Studenten mit Selbstmordabsichten und psychischen Problemen, der möglicherweise bewaffnet sein könnte. Zuvor hatte man nämlich den Vater des späteren Täters tot aufgefunden.

Im Hauptgebäude der Fakultät erfuhren die Einsatzkräfte aber, dass der Student in einem anderen Gebäude in der Celetná-Straße eine Lehrveranstaltung haben soll, und zogen daraufhin wieder ab. Dieses Vorgehen verteidigte der Prager Polizeipräsident Petr Matějček am Donnerstag:

„Das war eine konkrete Spur. Bis dahin hatte uns nur die Mutter gesagt, dass er zum Unterricht an die Philosophische Fakultät gefahren war. Wir wussten nicht, ob er tatsächlich im Hauptgebäude sein würde.“

Zudem habe es zu diesem Zeitpunkt noch keine Indizien dafür gegeben, dass der Student einen Massenmord begehen wolle, so Matějček weiter. Auch Polizeipräsident Martin Vondrášek nahm die Polizisten am Donnerstag in Schutz. Er räumte aber auch ein, dass die Kommunikation mit der Fakultätsleitung nicht ideal verlaufen sei.

Die Generalinspektion der Sicherheitskräfte (GIBS) ist Anfang des Monats zu dem Schluss gekommen, dass die Polizei das Attentat nicht hätte verhindern können. Keiner der Polizisten werde zudem verdächtigt, bei dem Einsatz eine Straftat begangen zu haben.

Dennoch wurde am Donnerstag erneut Kritik laut:

„Dieses Monster war anderthalb Stunden vor dem Angriff im Gebäude. Wer konnte zu dem Schluss kommen, dass es in Ordnung ist, das Fakultätsgebäude nicht komplett abzusuchen?“, fragte eine der Hinterbliebenen vor dem Sicherheitsausschuss.

Jiří Mašek von der Oppositionspartei Ano schlug in die gleiche Kerbe. Und er kritisierte zudem Innenminister Vít Rakušan (Stan). Dieser habe sich schon viel eher zum Einsatz äußern müssen…

Vít Rakušan | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

„Man hätte sich schon im Januar treffen sollen. Es hätte eine Auswertung geben müssen, eine Nennung der Fehler und vielleicht auch eine Entschuldigung“, so Mašek. Rakušan verteidigte hingegen seine Kommunikation. Er habe mit einer Auswertung auf die Ergebnisse der Generalinspektion der Sicherheitskräfte warten wollen, so der Ressortchef.

Insgesamt dauerte die Zusammenkunft des Sicherheitsausschusses sechs Stunden. Am Mittwoch trifft sich nun das gesamte Plenum des Abgeordnetenhauses zu einer Sondersitzung. Initiiert wurde sie von den Ano-Politikern. Ziel sei es, so Ano-Fraktionschefin Alena Schillerová, die Gründung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zum Amoklauf zu beschließen. Den Regierungsparteien zufolge ist ein derartiges Gremium aber nicht nötig. Denn – so argumentieren sie – der Sicherheitsausschuss habe sich bereits hinreichend mit dem Fall auseinandergesetzt.

Die Polizei hat die Ermittlungen zum Amoklauf derweil zu den Akten gelegt. Die Karlsuniversität hat aber Einspruch gegen diese Entscheidung erhoben. Man fordere eine allumfängliche Aufklärung der Zusammenhänge und des Attentats an sich, hieß es.

Autoren: Ferdinand Hauser , Kateřina Bečková , Vojtěch Tomášek
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