Ein halbes Jahr nach dem Amoklauf: Karlsuniversität weiht weiteren Gedenkort ein

Gedenkstätte für die Opfer der Schießerei vor der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität

Genau ein halbes Jahr ist es her, dass ein Student der Prager Karlsuniversität bei einem Amoklauf an der Philosophischen Fakultät 14 Menschen und sich selbst getötet hat. Mit verschiedenen Aktionen erinnern Studierende und Dozenten seitdem an die Opfer. Am Freitag wird nun ein weiterer Gedenkort eingeweiht.

Brennende Kerzen und der sogenannte „Monat für die Fakultät“ – das waren die ersten Reaktionen, mit denen Studierende, Lehrende und die Öffentlichkeit nach dem Amoklauf an der Karlsuniversität der Opfer gedachten. Um die Folgen des Attentats vom 21. Dezember 2023 zu verarbeiten, kamen im Rahmen der umfassenden psychologischen Hilfe zuletzt auch Therapiepferde und -hunde zum Einsatz. Zuzana Tréglová studiert an der Karlsuniversität und war zum Tatzeitpunkt im Gebäude. Sie sagt:

„Mir hat sehr geholfen, mich für eine Weile zu den Tieren zu setzen, sie zu streicheln und bei ihnen zu sein. Die Räumlichkeiten wurden für mich dadurch gewissermaßen gereinigt.“

Seit dem Beginn des Sommersemesters werden im Hauptgebäude der Fakultät am Jan-Palach-Platz wieder Lehrveranstaltungen abgehalten. Dies gilt jedoch nicht für das oberste, vierte Stockwerk, in dem es zu dem tödlichen Angriff kam. In jenen zwei Räumen, in denen der Amokläufer um sich schoss, wurden im Mai Räume der Stille eingerichtet. Nicht alle ihrer Kommilitonen seien jedoch in der Lage, diese Orte zu besuchen, sagt Tréglová. Sie selbst sei aber schon dort gewesen:

Räume der Stille | Foto: FF UK

„Ich habe mich da ausgeweint. In beiden Räumen habe ich eine Kerze angezündet. Und ich habe eine sehr intime Mitteilung gefunden, die an eine Person gerichtet war, die heute nicht mehr lebt. Das hat auf mich so einen starken Eindruck gemacht, dass ich mich auf den Boden gesetzt und geweint habe. Und ich bin wirklich froh, dass gerade in diesem Moment jemand Klavier gespielt hat. Das war wirklich schön.“

Am Freitag nun hat die Universität auf ihrer Website zum ersten Mal die Namen aller Opfer veröffentlicht. Am Nachmittag wird vor dem Fakultätsgebäude außerdem ein weiterer Gedenkort eingeweiht: Ein massiver Sandsteinblock, der vorübergehend an die Verstorbenen erinnern soll. Geplant ist darüber hinaus die Errichtung einer dauerhaften Gedenkstelle. Die Dekanin der Philosophischen Fakultät, Eva Lehečková, sagte am Freitag:

„Wir bereiten für die Herbstmonate weitere Veranstaltungen vor. Denn es zeigt sich, dass diese Aktionen nicht nur wichtig für das Erinnern sind, sondern auch gegenseitig Halt geben und unserer akademischen Gemeinschaft helfen.“

Eva Lehečková | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

Universitätsrektorin Milena Králíčková kündigte außerdem an, dass man ein eigenes Resilienzzentrum einrichten wolle. Damit soll nicht nur auf den Amoklauf reagiert werden. Man wolle auch auf den generell steigenden Bedarf psychosozialer Unterstützung bei Studierenden und Dozenten eingehen. Des Weiteren plant die Karlsuniversität verstärkte Sicherheitsvorkehrungen – etwa durch die Implementierung eines Frühwarnsystems. Zudem könnten vermehrt Schulungen durchgeführt werden, bei denen etwa die Evakuierung von Gebäuden trainiert wird.

Die tschechische Polizei hat den Amoklauf derweil vergangene Woche offiziell zu den Akten gelegt. Am Montag dieser Woche legte die Karlsuniversität jedoch Einspruch gegen die Entscheidung der Ermittler ein. Man fordere eine umfassende Aufklärung der Zusammenhänge des Attentats und der Ereignisse unmittelbar zuvor, hieß es.

Auch im Abgeordnetenhaus wird weiter über den Fall und den damit zusammenhängenden Polizeieinsatz diskutiert. Am Donnerstag sprach die zuständige Staatsanwältin, Jana Murínová, im Sicherheitsausschuss vor. Der Täter habe unter Gefühlen der Ungerechtigkeit und des Hasses gelitten, so die Juristin. Polizeipräsident Martin Vondrášek räumte bei der Sitzung ein, die Kommunikation mit der Universitätsverwaltung sei ein Schwachpunkt des Einsatzes gewesen.

Die Ano-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat nun die Einberufung einer Sondersitzung gefordert. In dieser wolle man die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission beschließen, so Fraktionsvorsitzende Alena Schillerová am Freitag.

Räume der Stille | Foto: FF UK
Autoren: Ferdinand Hauser , Iva Vokurková , Eliška Balcárková
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