Schießerei in Prag: Beklemmende Berichte der Augenzeugen
Als der Attentäter am Donnerstagnachmittag im Gebäude der Philosophischen Fakultät in Prag zu schießen begann, lief gerade der normale Lehrbetrieb. Weil sie der Gefahr gewahr wurden, verbarrikadierten sich Studierende und Lehrende in den Räumen, einige kletterten durch die Fenster auf die Simse der vierten Etage des Gebäudes. Reporter des Tschechischen Rundfunks konnten am Abend mit Augenzeugen und Betroffenen sprechen.
Neben den 14 Todesopfern des Schuss-Attentats am Donnerstag gibt es auch 25 Verletzte, die in den Abend- und Nachtstunden in den Unikliniken Prags versorgt, teilweise operiert wurden. Eine Reporterin des Tschechischen Rundfunks konnte auf dem Flur der Chirurgie im Allgemeinen Universitätskrankenhaus Prag mit einer Studentin sprechen. Sie hat bei dem Überfall eine Schussverletzung am Arm erlitten und stand noch immer unter schwerem Schock.
„Wir hatten gerade Unterricht, und dann hörten wir plötzlich einen komischen Knall. Wir dachten, dass jemand im Flur Blödsinn macht. Aber auf einmal schoss jemand durch die Tür.“
Sie hätten sich zunächst unter den Tischen versteckt, sagt die Studentin mit gebrochener Stimme. Der Schütze sei erst weggegangen, dann aber zurückgekommen und habe begonnen, die Tür einzuschlagen. Daraufhin seien sie durch das Fenster geflüchtet – und das im vierten Stock des Gebäudes. Die ersten Fotos vom Tatort zeigten gestern dann auch Menschen, die sich an die Simse klammerten.
„Unter uns war ein Balkon. So harrten wir ziemlich lange aus, und dann hörten wir, wie er offenbar durch das Fenster hinter uns her kam. Also sind wir auf den Balkon runtergesprungen. Dort haben wir ein Fenster eingeschlagen, sind in den Raum geklettert und runtergerannt.“
Eine Person habe den Balkon aber verfehlt und sei vom Sims auf die Straße gefallen, so der bedrückende Bericht der jungen Frau. Im Untergeschoss sei die flüchtende Gruppe dann auf die Rettungskräfte getroffen, die sie aus dem Gebäude führten.
Eine weitere Zeugin schilderte im Tschechischen Rundfunk das Geschehen währenddessen im zweiten Stock des Gebäudes. Sie habe gerade ihren Geschichtskurs abgehalten, sagt die Dozentin Daniela Tinková. Ein Student habe mitten im Unterricht eine SMS von einer Freundin erhalten, dass sie sich im vierten Stock auf der Damentoilette eingeschlossen habe, weil es Schüsse gebe. Sie habe sich mit drei Studenten auf den Weg gemacht, so Tinková:
„Als wir auf den Flur kamen, haben wir nur noch die Schüsse gehört. Wir liefen nach oben, stießen dabei aber auf den Strom der Studenten, die nach unten liefen. Einige weinten und sagten, es gebe eine Schießerei und dass sie jemanden auf dem Boden haben liegen sehen.“
Sie habe dann beschlossen, mit der Gruppe nicht weiter durch das Gebäude zu laufen, sondern sich an Ort und Stelle einzuschließen, fährt Tinková fort. Mit etwa 25 Studierenden verbarrikadierte sie die Tür mit Tischen und Stühlen. Die Polizei riet ihnen, das Licht zu löschen und sich still zu verhalten. Etwa anderthalb Stunden hätten sie ausgeharrt, so die Dozentin, ohne zu wissen, was draußen passiert:
„Die Studenten bombardierten ihre Bekannten und Verwandten mit Nachrichten. Denn sie wussten ja, was gerade vor sich geht – im Gegensatz zu uns. Alle wollten natürlich wissen, ob wir in Ordnung sind. Und alles, was wir hörten, waren die Schüsse. Hätten wir nicht gewusst, dass es Waffen sind, hätten wir sie auch für Böller halten können, so um die Weihnachtszeit. Die ganze Zeit war Bewegung auf dem Flur zu vernehmen. Wir hörten, wie gegen die Türen gepocht wurde, auch gegen unsere. Das waren die schlimmsten Momente. Denn wir wussten nicht, ob jemand einen Ort zum Verstecken sucht und wir ihm öffnen sollten. Damit hätten wir aber riskiert, selbst beschossen zu werden.“
Dann habe die Polizei die Eingeschlossenen befreit. Dozentin Tinková und auch der verletzten Studentin geht es inzwischen den Umständen entsprechend gut.