Ein Monat seit dem Amoklauf: Studierende und Lehrende kommen in Prager Uni-Gebäude zusammen

Gebäude der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität

Am Sonntag ist genau ein Monat vergangen seit dem Amoklauf eines Studenten an der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität. Nun kamen erstmals Studierende und Lehrende in dem Gebäude wieder zusammen – um zu trauern und sich an eine Rückkehr zu einem normalen akademischen Leben anzunähern.

Mehrere Hundert Studierende sind am Sonntag erstmals wieder in jenen Teil der Prager Karlsuniversität zurückgekehrt, in dem am 21. Dezember ein Amokläufer insgesamt 14 Menschen erschossen hat. Für einige Stunden wurde das Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät geöffnet. Dabei sind weiterhin viele Studierende und Lehrende traumatisiert durch das, was sie mitmachen mussten, und durch den Verlust von Kommilitonen und Kollegen. Journalisten wurden am Sonntag nicht in das Innere des Gebäudes gelassen, aber Vertreter der Universität erläuterten vor dem Eingang den Sinn der Teilöffnung.

Eva Lehečková | Foto: Ondřej Deml,  ČTK

„Wir öffnen zwar heute nur für einen Teil des Tages das Parterre des Gebäudes, aber für uns ist dies ein großer Schritt der Genesung. Das Gebäude war einen Monat lang sehr still, und wir freuen uns darauf, heute hier wieder das übliche Stimmengewirr zu hören. Für uns ist das ein symbolischer Schritt“, so Eva Lehečková, die Dekanin der Philosophischen Fakultät.

Der Historiker und Prodekan Jan Koura war zum Zeitpunkt des Amoklaufs in dem Gebäude, konkret im zweiten Stock. Zunächst wusste er gar nicht, welche Tragödie sich abspielte. Er habe nur dumpfe Schläge gehört und Geräusche, die nach dem Verrücken von Möbel klangen, so Koura:

„Dann hörte ich Geschrei vom Gang. Wie ich nachher erfuhr, lief einer unserer Studenten durch alle Stockwerke und rief, dass im vierten Stock geschossen werde. Der Schock kam dann, als ich Schüsse von der Balustrade des Daches hörte.“

Jan Koura | Foto: Karlsuniversität Prag

Der Fachmann für moderne Geschichte verbarrikadierte sich in seinem Büro, verkroch sich in eine Ecke und schrieb vom Handy aus seinen Kollegen. Eine knappe Dreiviertelstunde blieb er in dem Raum, dann befreite ihn die Polizei – und er rannte mit den Händen über dem Kopf über die Straße in die sicheren Räume des Konzertsaals Rudolfinum.

Schon am nächsten Tag aber kehrte Koura zusammen mit den Kollegen der Fakultätsleitung in das Gebäude zurück. Geholfen hätten ihm seitdem psychologische Unterstützung, die Welle der Solidarität sowie Treffen mit seinen Studierenden, die ihn darum gebeten hatten, sagte der Historiker in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Ich freue mich darauf, die Studenten zu Anfang des Sommersemesters wiederzusehen. Und ich hoffe, dass wir bis dahin auch das ganze Hauptgebäude renoviert haben – denn diese Räume gehören uns, und wir wollen sie uns nicht nehmen lassen“, betont Koura.

Das Sommersemester startet am 19. Februar. Vor allem müssen fast 140 Türen ersetzt werden, die bei der Evakuierung von der Polizei gewaltsam geöffnet worden waren.

Bei der vorläufigen Gebäudeöffnung am Sonntag stand jedoch die psychische Gesundheit der Betroffenen im Mittelpunkt. So wurden die Studierenden mit kurzen Vorlesungen, Buchausleihmöglichkeiten und Musikdarbietungen wieder an den Aufenthalt in den Räumen herangeführt. Zu solch einer Veranstaltung hatte unter anderem auch der Psychologe Štěpán Vymětal geraten. Er erläutert:

Štěpán Vymětal | Foto: Archiv des tschechischen Innenministeriums

„Das ist nicht nur für die Studenten wichtig, sondern auch für weitere Menschen. Dabei ist von Bedeutung, dass bei dem Treffen eine gewisse Privatsphäre gewahrt wird. Aber wichtig ist ebenso, immer intensiver wieder das Leben in die Fakultät zurückzubringen. Dieser Moment hilft den Menschen dabei, ihre Lage besser bewältigen zu können.“

Psychologiestudenten boten im Übrigen vor Ort die Möglichkeit zu therapeutischen Gesprächen an.

Und auf dem Jan-Palach-Platz am Fakultätsgebäude konnten sich Passanten daran beteiligen, die Tausenden Kerzen zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs einzuschmelzen. Trauernde hatten die Kerzen nach der Horrortat vor das Fakultätsgebäude gestellt. Studierende der Hochschule für Kunstgewerbe (Umprum) wollen aus dem Wachs bis Ende des Monats ein Denkmal erschaffen.

Studierende der Hochschule für Kunstgewerbe  (Umprum) wollen aus dem Wachs bis Ende des Monats ein Denkmal erschaffen. | Foto: Jana Karasová,  Tschechischer Rundfunk
Autoren: Till Janzer , Marie Veselá , František Zajíc | Quelle: ČTK
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