Regierungskrise in Tschechien: Piraten sind von Bord
Ist die Regierungskrise in Tschechien beendet? Der Rückzug der Piratenpartei aus der bisherigen Fünferkoalition ist bestätigt, am Dienstag haben auch die verbleibenden beiden Minister ihren Rücktritt eingereicht.
Die Piratenpartei verlässt das tschechische Regierungskabinett. 709 der insgesamt 894 abgegebenen Stimmen im landesweiten Mitgliederforum haben sich dafür ausgesprochen, in die Opposition zu wechseln. Damit bestätigt die Parteibasis, was ihr Vorsitzender Ivan Bartoš vergangene Woche gegenüber Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) bereits angekündigt hatte. Auslöser dafür war die Abberufung Bartošs als Vizepremier für Digitalisierung und als Minister für Regionalentwicklung. Die Piraten warfen Fiala anschließend vor, damit gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen.
2021 waren die Piraten im Bündnis mit der Bürgermeisterpartei Stan in die Regierung gegangen. Stan-Vorsitzender und Innenminister Vít Rakušan kündigte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks nun an, im Parlament auch weiter mit den Piraten zusammenarbeiten zu wollen:
„Wir sind damals mit einem gemeinsamen Wahlprogramm angetreten. Ich kann mir nicht vorstellen, nun plötzlich etwas anderes durchsetzen zu wollen – auch wenn dies jetzt aus etwas anderer Position heraus geschieht. Bei den Themen wie etwa Wohnungspolitik stimmen unsere Parteien überein, also werden wir uns dazu weiter absprechen und gern an die bisherige Zusammenarbeit anknüpfen.“
Angesichts der Verkleinerung der Koalition von fünf auf vier Parteien fordert die Oppositionspartei Ano, dass sich Fiala mit seinem Team einer erneuten Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus stellen solle. Mit 104 von insgesamt 200 Parlamentariern hätte das Regierungslager immer noch die Mehrheit und der Premier wenig zu befürchten, meint der Ano-Vizeparteichef und Abgeordnete Radek Vondráček:
„Es wäre nur logisch, wenn die Regierung vor das Abgeordnetenhaus tritt und um dessen Vertrauen bittet. Denn es ist nun ein Kabinett anderen Formats. Ansonsten wird völlig zurecht gesagt werden, dass es eine Regierung ohne ausgesprochenes Vertrauen sei. Sie hätte zwar ausreichend Stimmen, aber nie die Vertrauensfrage gestellt.“
Am Montag hatten die Vorsitzenden aller vier verbleibenden Koalitionsparteien – also der Bürgerdemokraten, Christdemokraten, von Top 09 sowie Stan – separate Gesprächstermine beim Staatspräsidenten Petr Pavel. Der Politologe Pavel Šaradín von der Palacký-Universität in Olomouc / Olmütz kommentierte im Tschechischen Rundfunk die Rolle des Staatsoberhauptes:
„Pavel geht sehr sachlich an die Sache heran und hält sich an die Verfassung. Dadurch schafft er es, ein Moderator sein. Die Lage ist allerdings auch nicht allzu konfliktreich, er muss also kein lautes Machtwort sprechen.“
Nach seinem Treffen mit Pavel verkündete Premier Fiala am Montagabend, dass das Staatsoberhaupt seinen Vorschlag zur Abberufung Bartošs angenommen habe. Nicht nur dessen Ministerposten für Regionalentwicklung ist nun vakant, sondern auch jener für Außenpolitik sowie der für Gesetzgebung. Deren Amtsinhaber und Piraten-Mitglieder, Jan Lipavský und Michal Šalomoun, haben am Dienstag gemäß der parteiinternen Entscheidung ihren Rücktritt eingereicht. Dazu Fiala vor der Presse:
„Der Präsident und ich haben ein gemeinsames Interesse daran, dass die Neubesetzung der Kabinettsposten sehr schnell passiert. Für mich wäre es ideal, alles bis zum Ende kommender Woche geregelt zu haben.“
Markéta Pekarová Adamová, Vorsitzende der Regierungspartei Top 09, kündigte zudem an, dass das Ressort für Gesetzgebung wahrscheinlich gar nicht neu besetzt werde. Dessen Aufgaben soll demnach der Justizminister Pavel Blažek (Bürgerdemokraten) übernehmen. Das Ressort für Regionalentwicklung hingegen wird seit Dienstag provisorisch vom Minister für Arbeit und Soziales, Marian Jurečka (Christdemokraten), geführt. Über eine endgültige Neubesetzung des Ressorts laufen die Verhandlungen bereits.
Des Weiteren wird hinter den Kulissen verhandelt, dass Jan Lipavský in der Regierung verbleibt. Den eigenen Worten zufolge stimmt er dem Rückzug der Piraten nicht zu und wird aus der Partei austreten. Weitere personelle Änderungen erwarten die Piraten im November. Bei einem außerordentlichen Mitgliederforum soll die Parteiführung neu gewählt werden. Wie sich die Piraten nun auf die neue Position außerhalb der Regierung vorbereiten, deutete der Noch-Vorsitzende Ivan Bartoš am Montag vor der Presse an:
„Ich denke, dass wir auch in den vergangenen Legislaturperioden immer die Rolle einer konstruktiven Opposition ausgefüllt haben. Wir unterstützen Vorhaben, die wir für richtig halten. Von dem, was wir nicht für richtig halten, werden wir uns als Oppositionspartei abgrenzen.“