Koalition in Tschechien zerstritten – Piraten erwägen Rückzug aus Regierung

Petr Fiala und Ivan Bartoš

Die Fünfparteienkoalition in Prag befindet sich in einer schweren Krise. Am Dienstag gab Premier Fiala (Bürgerdemokraten) bekannt, den Vizepremier und Minister für Regionalentwicklung, Ivan Bartoš von den Piraten, zu entlassen. Dessen Partei spricht von Verrat und plant einen kompletten Rückzug aus der Regierung.

Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hat am Dienstagmittag überraschend die Abberufung von Ivan Bartoš (Piraten) als Minister für Regionalentwicklung und Vizepremier für Digitalisierung angekündigt. Das hat nun zu einer Regierungskrise in Tschechien geführt.

Fiala und Bartoš, die jeweils auch die Vorsitzenden ihrer Parteien sind, trafen am Dienstagmorgen unter vier Augen zusammen. Man sprach über die weitere Zusammenarbeit nach dem Debakel der Piratenpartei bei den Kreiswahlen vom vergangenen Samstag. Am Koalitionsvertrag und dem Engagement im Kabinett werde sich nichts ändern, versicherte Bartoš auf einer Pressekonferenz nach dem Gespräch.

Kurz nach Mittag gab der Regierungschef aber auf einer Pressekonferenz bekannt, dass er Bartoš am 30. September von seinem Amt als Minister für Regionalentwicklung entlassen wird. Der Ressortchef sei bei der Digitalisierung von Baugenehmigungsverfahren als Manager erfolglos geblieben, begründete Fiala.

„Ich glaube nicht, dass er den tatsächlichen Stand der Digitalisierung von Baugenehmigungsverfahren überhaupt wahrnimmt. Ich habe ihm wiederholt Zeit gegeben, die Probleme zu lösen, aber ein erfolgreiches Ende ist nicht in Sicht.“

Bartoš stand seit Juli in scharfer Kritik, weil das Online-System für die Beantragung von Baugenehmigungen bis heute nicht richtig funktioniert. Premier Fiala hat daher nun Verkehrsminister Martin Kupka (Bürgerdemokraten) damit beauftragt, die Digitalisierungsagenda zu übernehmen. Zugleich rief er die Piraten dazu auf, einen Kandidaten für das Amt des Ministers für Regionalentwicklung vorzuschlagen.

Martin Kupka | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

Die Piratenpartei hält die Entscheidung des Premiers, ihren Minister zu entlassen, allerdings für einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Dies bedeute, man würde aus der Regierung „hinausgeschmissen“, hieß es auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Ivan Bartoš sagte:

„Es war ein Verrat, bei dem nach meiner Ansicht selbst die grundlegendsten Elemente des menschlichen Anstands fehlten. Wir haben bei unserem Treffen am Dienstagvormittag nicht nur über die Digitalisierung, sondern auch über die Prioritäten der Regierung für das kommende Jahr gesprochen. Über eine mögliche Abberufung oder einen Umbau der Regierung fiel kein einziges Wort. Der Premier rief mich wenige Stunden nach unserem Treffen an und sagte, dass er mich abberufen beziehungsweise meine Abberufung vorschlagen wolle.“

Die Piraten erwägen nun, sich aus der Regierung komplett zurückzuziehen. Unklar ist bislang, wie sich die zwei anderen Minister der Partei verhalten werden – das heißt Außenminister Jan Lipavský und der Minister für die Legislative, Michal Šalomoun. Premier Fiala lobte beide außerordentlich und wünscht sich ihr Verbleiben im Kabinett.

Außenminister Lipavský reagierte während seiner USA-Reise vor Journalisten:

Ivan Bartoš und Jan Lipavský | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

„Ich habe die Entwicklungen auf der innenpolitischen Bühne genau verfolgt. Sollten die Piraten für einen Rückzug aus der Regierung stimmen, werde ich als Minister der Piratenpartei zurücktreten.“

Dennoch würde er damit höchstwahrscheinlich auch den Austritt aus der Piratenpartei verbinden, weil er nicht das unterschreiben könne, was auf der Pressekonferenz der Partei gesagt wurde, fügte Lipavský hinzu.

Präsident Petr Pavel, der derzeit auf einer Reise in den Vereinigten Staaten ist, äußerte sich am Dienstag, er wolle mit allen Parteien sprechen, bevor er den Vorschlag auf Abberufung von Bartoš annehme.

Die Piraten haben vier Abgeordnete im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus. Die Regierungskoalition hätte nach ihrem Aus mit den verbleibenden 104 Stimmen immer noch eine Mehrheit in der Parlamentskammer. Die nächsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus finden im Herbst kommenden Jahres statt.