Regionalisierung als der Puls der Zeit: Radio Regina
Auf dem heiß umkämpften Prager Radiomarkt wirft sich täglich der öffentlich-rechtliche Regionalsender Radio Regina in die Schlacht um die Gunst der Hörer. In dieser Ausgabe von "Im Spiegel der Medien" hören Sie ein Portrait dieser Station.
Es gibt wohl in Tschechien kein Medienunternehmen, das mit seinem Programm ein so breites Spektrum abdecken würde, wie der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk - Cesky rozhlas. Insgesamt sendet der Rundfunk sieben klassische Radioprogramme - beginnend mit seinem auf eine möglichst große Breitenwirkung angelegten ersten Programm Radiozurnal, bis hin zum siebten Programm, dem Auslandssender Radio Prag. In den letzten Jahren startete aber der Rundfunk auch zwei Spartenkanäle, die bisher nur digital, oder über das Internet verfolgt werden können - den Klassikkanal D-dur und das Wissenschaftsprogramm Leonardo.
Daneben hat Cesky rozhlas in den vergangenen Jahren massiv seine regionalen Programme ausgebaut. Derzeit gibt es elf eigenständige Regionalstationen, wobei das mittelfristige Ziel die Präsenz in allen 14 tschechischen Regionen ist.
Im Prager Äther wirft sich die öffentlich-rechtliche Rundfunkstation Regina in die Schlacht um die Gunst der Hörer. Laut Eigendefinition will Radio Regina ein Informationsradio sein - immer aktuell und am Puls der Zeit. Der Chefredakteur von Regina, Vaclav Lautner, stellt seine Anstalt im Folgenden ein wenig vor:
Die von Chefredakteur Lautner erwähnte Sendung Nachtstrom wird seit Dienstag dieser Woche ausgestrahlt und dauert zwei Stunden lang, von 23 bis 1 Uhr in der früh. Ihre Dramaturgie unterscheidet sich nicht vom ursprünglichen Modell. Es ist nach wie vor eine publizistische Musiksendung, mit Livemusik, die der Moderator entsprechend seiner Wahl und Präferenzen spielt und kommentiert. Die Reaktionen der Hörer auf die ersten Sendungen des Nachtstroms waren laut Vaclav Lautner überwältigend.
Wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit mit den zehn anderen regionalen Stationen des Tschechischen Rundfunks? Gibt es Programme, die gemeinsam produziert werden oder zumindest unter den jeweiligen Stationen getauscht werden? Vaclav Lautner:
"Sicherlich. Es gibt einen gemeinsamen Server, über den die einzelnen Regionalprogramme auf Grund von Angebot und Nachfrage ihre Sendungen gegenseitig anbieten und diese dann untereinander tauschen können. Wir bieten zum Beispiel eine Theatersendung oder unser Programm Beatlemania an und übernehmen wiederum komplett eine Sendung mit Folk-Musik aus dem regionalen Rundfunk in Pardubice. Wir planen jetzt mehrere Sendungen von unseren Brünner Kollegen zu übernehmen. Für die Stationen ist das sehr günstig, weil die regionalen Programme so eine Reihe von Sendungen nicht selbst produzieren müssen und diese nun umsonst im Rahmen dieses Austausches bekommen können."
Die Prager Rundfunklandschaft ist sehr stark besetzt, und wegen der Größe des Werbemarktes herrscht auch ein starker Kampf um Markanteile. In einem gegenseitigen Konkurrenzverhältnis befinden sich dabei nicht nur die privaten und die öffentlich-rechtlichen Sender, sondern im Grunde genommen eigentlich auch alle Programme des Tschechischen Rundfunks, die in Prag empfangen werden können. Wie kann man sich da als eine Anstalt behaupten, die den Anspruch erhebt, ein Radio für die ganze Metropole zu sein? Es wird wohl nur wenige Hörer in Prag geben, die beim Radiohören den ganzen Tag einer einzigen Station treu bleiben. Dazu sagt der Chefredakteur von Radio Regina, Vaclav Lautner:
"Bei Medien mit einem öffentlichen Auftrag, wie dem Tschechischen Rundfunk oder dem Tschechischen Fernsehen, wird ja immer behauptet, dass die Einschaltquoten zweitrangig sind. Aber auch bei diesen Medien gilt: Ja, das Feedback von den Hörern ist wichtig, denn eine Dienstleistung, die niemand haben will und an der es kein Interesse gibt, ist in Wahrheit keine Dienstleistung. Natürlich hat es Regina im Vergleich zu anderen regionalen Programmen des Tschechischen Rundfunks auf dem Prager Markt nicht leicht. Wir wollen aber wirklich eine Anstalt sein, die ihren öffentlichen Auftrag wahrt und ihre Hörer bei den verschiedensten Situationen begleitet. Wir wollen Themen bringen, die sie wirklich interessieren, und wollen ein Informationsradio aus der Metropole sein. Wir wollen lebendige Berichterstattung bringen und in diesem Sinne auch die Politik in den einzelnen Prager Bezirken näher bringen. Wir beschäftigen uns aber bei Weitem nicht nur mit Politik. Wir wollen eben jetzt und hier an der Seite unserer Hörer stehen. Unser Radio hat die Ambitionen, seine Hörer durch den ganzen Tag zu begleiten."
Und wer sind die Hörer von Regina? Gibt es irgendwelche spezifischen Gruppen?
"Lange Jahre gehörten ältere Menschen zu den beherrschenden Hörern unserer Station. Wir wollen mit dem neuen Sendeschema diese Gruppe auf die Generation 40+ erweitern, was uns auch gelingt. Es gelingt uns aber auch, jüngere Jahrgänge zu erreichen, wie wir etwa aus jenen Programmen wissen, bei denen die Hörer während der Sendung anrufen können. Wir haben spezielle Sendungen, die so angelegt sind, dass sie einen Bogen bilden zwischen uns im Radio und unseren Zuhörern."
Im Vergleich zu Tschechien haben die regionalen Anstalten des öffentlichen Rundfunks im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition. In letzter Zeit kann man sogar von einer Renaissance dieser Programme sprechen. In Tschechien gibt es weder diese ausgeprägte regionale Tradition in der Medienlandschaft, noch eine stark dezentrale Struktur beim Staatsaufbau. Welche Rolle oder welchen Stellenwert haben die regionalen Rundfunkanstalten in Tschechien und welche Entwicklung lässt sich hier künftig vielleicht erwarten? Dazu abschließend noch einmal Vaclav Lautner:
"Ich denke, dass die Rolle der regionalen Stationen, und damit meine ich nicht nur jene des Tschechischen Rundfunks, nach und nach immer wichtiger sein wird. Bei der Entwicklung in anderen Medien - zum Beispiel beim Fernsehen - sehen wir, dass der private TV-Kanal Nova, als Programm mit der größten Reichweite, seit einem Monat jeden Nachmittag Nachrichten aus den tschechischen Regionen bringt und dabei sehr hohe Einschaltquoten erzielt. Ich denke, dass die Menschen lernen werden, ein Medium zu haben, dass sie darüber informieren wird, was sich direkt neben ihnen abspielt. Natürlich wird es auch weiterhin Informationen über das Geschehen im Ausland oder in der nationalen Politik geben, aber wir befinden uns jetzt in einer Phase, wo die Menschen wissen wollen, was sich so zu sagen um die Ecke, in ihrer Stadt und ihrem Dorf abspielt. Ich denke, dass die regionalen Medien, wie schon in Deutschland, auch hierzulande immer wichtiger sein werden."