Neue Perspektiven für die tschechischen Medien durch das Internet

Das Internet ist in allen Lebensbereichen, vor allem bei den Medien, unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Dank der immer schnelleren Datenleitungen geht es bei weitem nicht nur um die immer größer werdende Aktualität der übermittelten Nachrichten. Wie das Phänomen der Internet-Tagebücher, der so genannten Weblogs zeigt, hat sich dank des Internets auch das Verhältnis zwischen Journalisten auf der einen, und den Lesern, Hörern oder Zuschauern auf der anderen Seite verändert

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Am 13. Februar 1992, also fast genau vor 15 Jahren, wurde die damalige Tschechoslowakei an das Internet angeschlossen. So geschehen an der Prager Technischen Hochschule, vor den Augen einiger weniger Computerfreaks und Interessierter. Seither ist das weltweite Netz in Tschechien, wenn auch immer noch nicht wirklich flächendeckend, aber doch mehr oder weniger im ganzen Land verbreitet. Auch der Kreis der Anwender vergrößert sich stetig.

Besonders stark verändert wurde durch die schnelle Datenübertragung im Netz die Arbeit der Medien. Es entstanden auch Medienprojekte, die nur auf das weltweite Netz beschränkt sind. So ist etwa im Frühjahr 1996 mit "Neviditelny pes" - auf Deutsch "Unsichtbarer Hund" - die erste Internetzeitung Tschechiens entstanden, die es bis heute gibt. Anfangs wurden die Beiträge auf "Neviditelny pes" nur unregelmäßig aktualisiert. Seit der Informationsdienst vor einigen Jahren eine enge Kooperation mit der Tageszeitung "Lidove noviny" eingegangen ist, können die Besucher der Seiten täglich eine aktuelle Ausgabe lesen.

Die Erfahrungen von "Neviditelny pes" waren sicherlich dafür ausschlaggebend, dass vor gut zwei Jahren mit "Aktualne.cz" die erste ausschließlich im Internet erscheinende Tageszeitung des Landes an den Start ging. Das Neue daran war, dass "Aktualne.cz" wie eine gewöhnliche Zeitung aufgebaut ist. Das heißt, es gibt eine stabile Redaktion sowie ein klassisches Angebot an Rubriken, die man bei einer normalen, auf Papier gedruckten Zeitung, auch findet.

Die Entwicklung geht jedoch weiter. Medienexperten versprechen sich von der geplanten und bereits probeweise erfolgten Übertragung von Fernsehprogrammen in Mobiltelefone die Erschließung von neuen Perspektiven bei der Vermittlung von Nachrichten oder aktuellen Inhalten.

Werden in Zukunft vielleicht die Medien ihre Inhalte fast nur noch über das Internet zu den Lesern, Hörern, oder Zuschauern bringen? Dazu der Journalist und Experte für neue Medien, Jan Potucek, der bei der tschechischen Wochenzeitung "Reflex" tätig ist:

"Das glaube ich nicht. Ich denke, dass es in einigen Fällen, wie etwa bei Rundfunk oder Fernsehen, allmählich zu einer Verschmelzung kommen wird. Durch die bevorstehende Digitalisierung des Fernseh- und Rundfunksignals wird der Zuschauer die Möglichkeit bekommen, gleichzeitig auch über den Bildschirm im Internet zu surfen. Es wird also keine Rolle mehr spielen, ob man das Fernsehprogramm über den Computer oder den Fernseher verfolgen wird. Die gedruckten Medien haben jedoch eine andere Perspektive und sie werden erhalten bleiben. Das Internet wird hier nur zur Publicity dienen, indem dort Nachrichten veröffentlicht werden, bei denen es keinen Sinn hätte zu warten, bis die Zeitung aus der Druckerei kommt. In die Tiefe gehende Analysen oder exklusive Reportagen, die in keinem anderen Medium zu finden sind, werden hingegen weiterhin auf Papier erscheinen."

Das Internet hat aber zweifelsohne auch die Art und Weise verändert, wie die Leser oder Zuschauer mit den Journalisten Verbindung aufnehmen. Früher beschränkte sich diese Kommunikation ausschließlich auf Leser-, Hörer-, oder Zuschauerbriefe, die per Post eingegangen sind, was auch für eine gewisse Distanz zwischen Medienvertretern und Medienkonsumenten sorgte. Dank des Internets und der Möglichkeit, unmittelbar auf das Geschriebene oder Gesendete zu reagieren, sind sich Autoren und Leser im wahrsten Sinne des Wortes näher gerückt.

Einige Journalisten haben dem bereits Rechnung getragen, durch so genannte Weblogs, das heißt Internet-Tagebücher, die der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Handelt es sich dabei um etwas, was künftig ein "Muss" für jeden Journalisten sein wird? Oder werden die Weblogs weiterhin vor allem eine Plattform für Journalisten sein, denen ihr eigentliches Medium zu klein ist. Dazu sagt Jan Potucek:

"Ich denke, dass Weblogs für die Journalisten eine Möglichkeit darstellen, wie sie Informationen loswerden können, die sie in den klassischen Medien nicht veröffentlichen können. Es ist aber auch eine ziemlich zweischneidige Angelegenheit: Als Redakteur verfügt man natürlich über viele Informationen, nicht zuletzt auch darüber, wie es in den Medien zugeht. Es kann also leicht passieren, dass dann Sachen publik werden, die für den Herausgeber des Mediums nicht angenehm sind. In den USA und in Großbritannien sind schon in einigen Fällen Journalisten entlassen worden, weil sie auf solchen Foren ihre Vorgesetzten kritisiert haben."

Anfangs galten die geringe Verbreitung des Internets, die niedrige Geschwindigkeit der Datenübertragung und auch die hohen Kosten für einen Anschluss als großer Hemmschuh. Tschechische Internet-Pioniere - wie etwa die Gründer der bereits erwähnten Internetzeitung "Nevidtelny pes", Ondrej Neff, oder der tschechischen Suchmaschine Seznam.cz, Ivo Lukacovic - organisierten Ende der 90er Jahre mehrmals einen so genannten Streik der Internetnutzer. Mit diesem wollten sie auf die ungünstige Preispolitik der staatlichen Telekom, die damals das Monopol für Internetanschlüsse hatte, aufmerksam machen.

Ist das Internet in Tschechien bereits so verbreitet, oder gibt es hierzulande immer noch einigen Nachholbedarf? Dazu abschließend noch einmal der Journalist und Medienexperte Jan Potucek:

"Soweit ich die zuletzt veröffentlichten Zahlen kenne, sind ungefähr 30 bis 35 Prozent der tschechischen Haushalte ans Internet angeschlossen, der überwiegende Teil verfügt über Breitband-Internet. Das heißt, dass auch multimediale Dienste genutzt werden können - wie etwa Fernseharchive. Eine weitere Möglichkeit bietet das so genannte Stream-TV, das es möglich macht, Beiträge und Reportage zu sehen, die nur für das Internet produziert wurden. Ich denke, dass diese Angebote von Seiten der Zuschauer immer gefragter sein werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Preise für den Internetanschluss weiterhin sinken werden. Dann wird das Ganze natürlich auch für die Werbewirtschaft attraktiv werden, was auch ein wesentlicher Anreiz für die jeweiligen Stationen werden könnte. Bereits heute bieten einige Sender, wie zum Beispiel der Privatsender TV Nova, im Internet Beiträge, Reportagen, oder Sendungen ungekürzt und in voller Länge an, die ansonsten in diesem Umfang auf dem klassischen Weg nie ausgestrahlt worden wären. Oft sind das eben Themen, die sehr interessant sind und bei denen es schade wäre, sie nicht zu verwerten."