Geschichte(n) in der Grenzregion - tschechisch-polnisch-deutsches Lehrerseminar in Dresden

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Lehrer stehen an vorderster Stelle. Sie müssen sich immer wieder überlegen, wie sie den Schülern bestimmte Sachverhalte vermitteln können und wie der Unterricht anschaulich gestaltet werden kann. Interessant und hilfreich kann es dabei sein, zu schauen, wie es andere Lehrer an anderen Schulen machen. Noch einen Schritt weiter gingen polnische, tschechische und deutsche Lehrkräfte bei einem Seminar in Dresden, das von der Brücke/Most Stiftung veranstaltet wurde.

Die zwanzig Lehrerinnen und Lehrer aus Tschechien, Polen und Deutschland, die sich in der sächsischen Hauptstadt getroffen haben, wagten den Blick über die Grenze und fragten sich, wie die Kollegen in den Nachbarländern, die Geschichte der deutsch-polnisch-tschechischen Grenzregion zwischen 1933 und 1946 den Schülern im Unterricht vermitteln.

"Ziel des Seminars ist es, den Lehrkräften der Region einen Perspektivwechsel auf die Geschichte der nationalsozialistischen Herrschaft, des Krieges und seiner unmittelbaren Folgen zu ermöglichen. Die nationalen Geschichtsbilder über diese Zeit sollen gegenübergestellt und diskutiert werden. Wo gibt es Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten in den Deutungen? Wie stark unterscheiden sich die Geschichtsbilder, die in der Region vermittelt werden?"

So erläutert Ina Gamp, die pädagogische Leiterin der Brücke/Most Stiftung die Konzeption des Seminars. Wo liegen denn mögliche Unterschiede bei der Behandlung der NS-Besatzungspolitik in Polen und Tschechien, der Beschäftigung mit dem Holocaust und der Auseinandersetzung mit Vertreibung und Aussiedlung? Tomasz Kolodziej, ein Deutschlehrer aus Kamienna Gora, dem früheren Landeshut in Polen, sieht gewisse Unterschiede bei der Behandlung der Vertreibungsthematik:

"Der Unterschied liegt in der Darstellung der Vertreibung der Deutschen aus Polen und Tschechien. In Polen braucht man eigentlich nur eine Stunde und zwei Sätze um die Sache zu erklären, in deutschen Schulbüchern hat man dazu mehrere Kapitel", sagt Kolodziej.

Kolodziej sieht zwar keinen großen Unterschied in der Bewertung und Einordnung von Vertreibung und Aussiedlung, trotzdem ist etwas anders und zwar:

"Die Darstellungsweise. Man braucht sehr viel Zeit, um den Leuten zu erklären, was damals passiert ist, die steht dem polnischen und dem tschechischen Lehrer nicht zur Verfügung", erläutert Kolodziej

Nach der Arbeit in einer Kleingruppe über die nationalsozialistische Besatzung in Polen und Tschechien stellt Dariusz Wojtaszyn vom Willy Brandt Zentrum in Wroclaw / Breslau fest, dass es auf allen Seiten an Wissen mangele. Eine emotionale Debatte entbrannte in diesem Zusammenhang zwischen den polnischen und tschechischen Teilnehmern über Form und Auswirkung der NS-Besatzung in beiden Ländern. Von tschechischer Seite wurden Einwände gegen die Behauptung vorgebracht, in Tschechien sei die Form der NS-Besatzungspolitik milder gewesen als in Polen. Ivo Kopka, Geschichtslehrer aus dem südböhmischen Volyne äußert sich zu dieser Debatte:

"Wesentlich war hier nur die Auseinandersetzung zwischen Polen und Tschechen. Die Polen sagen, sie haben mehr gelitten als die Tschechen u.ä. Aber es sollte hier wohl um etwas anderes gehen, als darum, wem es damals schlechter ging."

Das Seminar dauert noch bis zum Ende der Woche und wird dabei Methoden der Vermittlung von Lehrstoffen in den Mittelpunk rücken und sich mit der Arbeit mit Zeitzeugen im Unterricht beschäftigen.

Foto: Autor