Politologen: In puncto Irak-Krise wartet Kabinett Spidla ab
Die Tschechische Republik bevorzugt eine friedliche Lösung der Irak-Krise. Die Teilnahme der tschechischen ABC-Waffen-Abwehreinheit am eventuellen Angriff gegen den Irak wird von der Regierung Spidla an ein UN-Mandat geknüpft. Ex-Staatspräsident Vaclav Havel brachte mit der Unterzeichnung des sog. Aufrufs der Acht seine Unterstützung für die USA zum Ausdruck. Premier Vladimir Spidla schloss sich dem Aufruf nicht an und berief sich in Sachen Irak-Krise auf den Standpunkt des Parlaments bezüglich einer eventuellen Teilnahme tschechischer Soldaten an einer Operation gegen den Irak. Was verbirgt sich hinter dem Abwarten der tschechischen Regierung, bzw. inwieweit können die Möglichkeiten der UNO ernst genommen werden? Martina Schneibergova bat zwei tschechische Politologen ans Mikrofon.
"Ich bin davon fest überzeugt, dass es sich nur um eine Ausrede handelt, denn die UNO ist zur Zeit unfähig, so etwas zu machen - aus dem Grund, dass es nicht in ihren Kräften liegt. Ich glaube nicht, dass die UNO in den letzten Jahren an Kraft verloren hätte, aber ihre Möglichkeiten waren immer beschränkt, denn ihre ideologische Hintergründe unterscheiden sich von ihren praktischen Möglichkeiten."
Eine ähnliche Meinung brachte auch der Politologe Roman Joch vom sogenannten Bürgerinstitut (Obcansky institut), einer nicht regierungsgebundenen Bildungsanstalt zum Ausdruck, als er sagte:
"Die UNO vertritt in Wirklichkeit nicht einzelne Völker, sondern die Regimes der einzelnen Staaten, und nicht alle Regimes sind demokratisch oder respektieren die Menschenrechte ihrer Bewohner. Viele Regimes sind Diktaturen mit einer höchst traurigen Geschichte. Es ist aus dem Grund eine Art Alibi und ein Ausdruck der Ratlosigkeit der tschechischen Regierung, die Zustimmung zur Entsendung der ABC-Abwehreinheit noch mit dem UN-Mandat zu bedingen. Wir müssen uns dessen bewusst werden, dass die Regierungen der einzelnen Staaten die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Bürger tragen. Dafür sind nicht die UNO-Organe verantwortlich. Aus dem Grund sind die Meinungen, die UNO sei das allerhöchste maßgebende Organ unvernünftig und sinnlos. Außerdem ist die UNO eine höchst diskreditierte Organisation, denn erinnern wir uns daran, dass Libyen zum Vorsitzenden der UN-Menschenrechtskommission gewählt wurde."
Das Abwarten der tschechischen Regierung stellt Roman Joch zufolge einerseits eine Art Ratlosigkeit und andererseits den Mangel an Mut, eine eindeutige klare Entscheidung zu treffen, dar. Es gehe zugleich um das Abwarten, wie sich die anderen Länder verhalten werden, meint Joch.
In der letzten Zeit wird im Zusammenhang mit der Haltung der einzelnen Länder zur Irak-Krise von einem alten und einem neuen Europa gesprochen. Bohumil Dolezal teilt diese Meinung nicht vollständig:
"Ich weiß nicht, ob man von einem "alten" und einem "neuen" Europa sprechen kann. Es stimmt schon, dass Europa tief gespalten ist - so wie es dem seit dem Ende des kalten Krieges nie war. Damit hängt zusammen, dass auch die traditionellen Strukturen und Institutionen Europas - d. h. die NATO und die UNO - die NATO ist eine transatlantische Organisation, in der Europa jedoch eine wichtige Rolle spielt - auch diese Institutionen sind potenziell gelähmt. Dies sieht man z. B. daran, dass die NATO die Hilfe für die Türkei im Falle de eventuellen Irak-Kriegs abgelehnt hat.
-Meinen Sie, dass diese ehemaligen kommunistischen Staaten eine Art transatlantische Brücke darstellen würden - eine Art Verbindung zwischen Europa und den USA als dem Verbündeten?
Das ist zu stark gesagt. Ich bin eher davon überzeugt - wenn hier in Europa eine Achse Paris - Berlin - Moskau entsteht, dann bleibt den ost- und mittelosteuropäischen Staaten nichts anderes übrig, als sich den USA anzuschließen. Denn es ist eine natürliche Bedrohung.
-Hängt es mit deren Erfahrungen aus der Vergangenheit zusammen?
Ja. Denn es handelt sich vor allem um die Integration Russlands in diese Gemeinschaft, und Russland ist potenziell immer gefährlich. Außerdem habe ich den Verdacht, dass der Pazifismus in Deutschland seine Kehrseite hat und nicht vollständig pazifistisch ist."