"Prag am Anfang der Geschichte" - Premyslidenstaat

Hl. Vojtech verlangt nach Fürst Boleslav II. erkäufung der christlichen Sklaven

Willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zum heutigen Spaziergang durch Prag, am Mikrofon begrüßen Sie Olaf Barth und Martina Schneibergova. Diesmal laden wir Sie wieder nach "Prag am Anfang der Geschichte" ein. So heißt nämlich die Ausstellung, die kürzlich im Museum der Hauptstadt Prag eröffnet wurde. Den ersten Teil über die Besiedlung des Prager Kessels vom 6. bis zum 8. Jahrhundert haben wir Ihnen in der vergangenen Ausgabe dieser Sendereihe vorgestellt. Heute möchten wir Sie durch den zweiten Teil der Ausstellung führen, der sich auf Prag unter den ersten Premysliden konzentriert. Für die Spiellustigen in Ihren Reihen noch ein wichtiger Hinweis: da es sich um die letzte Ausgabe des Spaziergangs im Monat handelt, ist wieder unsere kleine Serie über berühmte Frauenpersönlichkeiten, die mit Prag verbunden waren, an der Reihe. Zum Abschluss der Sendung wird auch die Quizfrage nicht fehlen, für deren richtige Beantwortung Sie ein Souvenir aus Prag gewinnen können. Wir wünschen guten Empfang.

Der ursprüngliche Sitz der Premysliden befand sich in Levy Hradec nördlich von Prag. Dort wurde auch die erste Kirche in Böhmen errichtet - und zwar nach der Taufe des Premyslidenfürsten Borivoj und seines Gefolges in Großmähren. Als Borivoj nach Böhmen zurückkehrte, ließ er dort eine Rotunde des heiligen Clemens erbauen. Mit Borivoj ist auch die Entstehung der Prager Burg verbunden. Sie steht an einer wichtigen Stelle über der Moldau, von wo aus eine Furt überwacht wurde.

Aller Wahrscheinlichkeit nach befand sich dort ein heidnisches Kultzentrum, wo die führenden Männer des böhmischen Stammes zusammentrafen und wo einst auch ein steinerner Thron stand, auf dem bei wichtigen Zeremonien der Stammesfürst saß. Fürst Borivoj, der sich bemüht hatte, über ganz Böhmen zu regieren, musste versuchen, diesen bedeutenden Ort zu erobern.

Dies ist ihm gelungen und er begann dieses Territorium zu befestigen und ließ dort die zweite Kirche in Böhmen erbauen - die Jungfrau-Maria-Kirche, die in der heutigen Vorburg stand. Allmählich sind auf diesem Gebiet weitere Kirchen entstanden, unter Fürst Vratislav die St. Georgbasilika und unter Fürst Wenzel, der später heiliggesprochen wurde, die St. Veit-Rotunde. Die Archäologin und Kuratorin der Ausstellung, Miroslava Smolikova, bemerkte dazu:

"Fürst Borivoj herrschte auf der Prager Burg, und sein erster Sohn Spytihnev erweiterte das Gebiet der Premysliden inzwischen zu einem kleinen Staat, dessen Grenzen durch die Burgstätten Melnik, Libusin, Budec, Tetin und Stara Boleslav markiert waren. Außerdem gab es in diesem Staat noch die Burgstätten Levy Hradec und Prag - ursprünglich Familiensitze der Premysliden. Das Gebiet, das die genannten Burgstätten umfassten, wurde als "premyslidische Domäne" bezeichnet."

Für einen entscheidenden Moment in der Geschichte Böhmens wird in der Ausstellung die Ermordung des Fürsten Wenzel-Vaclav durch seinen Bruder Boleslav im Jahre 929 bezeichnet. Wenzel machte sich sehr um die Verbreitung des Christentums in Böhmens verdient und trug auch dazu bei, dass Böhmen im gesamteuropäischen Kontext an Bedeutung gewann. Als er Kontakte zum deutschen König Heinrich I. knüpfte, begann er zu den Herrschern von europäischer Bedeutung zu gehören. Nach Wenzels Ermordung wurde der Premyslidenstaat bedeutend erweitert. Fürst Boleslav fing an, den Staat nach Osten auszudehnen, wobei er entlang der sogenannten "transeuropäischen Magistrale" voranschritt, sodass er bis an die Grenze der Kiewer Russ gelangte. Miroslava Smolikova dazu:

Hl. Vojtech verlangt nach Fürst Boleslav II. erkäufung der christlichen Sklaven
"Der Staat ist damals riesengroß geworden, und die Stadt Prag wurde zu einem Handelszentrum von Weltbedeutung, wo Sklavenhandel sowie Handel mit anderen Waren aufblühte. Der Sklavenhandel stellte übrigens eine wichtige Einnahmequelle für den Herrscherhof dar. Dies dauerte bis zu dem Zeitpunkt, als der böhmische Staat die neu eroberten Gebiete, aus denen die Sklaven vorwiegend stammten, verlor. Mit der Verbreitung des Christentums setzte sich außerdem der Gedanke durch, dass es unmoralisch sei, seine Nächsten als Sklaven zu verkaufen. In einer Vitrine der Ausstellung versuchten wir eben den damaligen Sklavenhandel zu beschreiben. Man erfährt dort u.a., wie viel ein Mensch damit die Summe sehen, die ein Mensch kostete - es waren ca.300 Denare. Boleslav I. ließ die ersten Münzen - die Denare - prägen. Münzprägestätten gab es damals direkt auf der Burg sowie unterhalb der Burg - auf der heutigen Kleinseite. Ende des 10. Jahrhunderts wurden Münzen auch in einer Münzwerkstatt in Vysehrad geprägt. In der Ausstellung kann man verschiedene Arten von Münzen sehen - aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, man kann darauf sogar die Namen von zwei Münzmeistern entziffern."

Im 10. Jahrhundert kann man in Prag noch nicht von einem städtischen Charakter der Besiedlung sprechen. An der Spitze der Gesellschaft stand damals der Fürst mit seinem Gefolge, dann gab es die Bevölkerung, die sich vorwiegend mit Handel beschäftigte, weiter lebten dort Handwerker und auch Bauern. Wie hat man sich Prag im 10. Jahrhundert vorzustellen? Dazu die Historikerin Pavla Statnikova, die die Ausstellung mitgestaltet hat:

"Es gab da die Prager Burg, das Gebiet unterhalb der Burg - die heutige Kleinseite - war zum Teil besiedelt. Über die Besiedlung am rechten Moldauufer weiß man nicht viel. Aus den archäologischen Ausgrabungen der letzten Zeit geht hervor, dass das Ufer gar nicht besiedelt war, und dass es Siedlungen eher in der Nähe der heutigen Peterskirche gab. Dabei handelte es sich höchstwahrscheinlich um deutsche Handwerker und Handelsleute. Am Ende des 10. Jahrhunderts entstand am rechten Moldauufer die Burg Vysehrad. Es wird vermutet, dass sie von Boleslavs Kämpfern gegründet wurde, die sich aus den vorher eroberten Gebieten zurückziehen mussten. Als Prag wurde in dieser Zeit die Prager Burg und ihre Vorburg bezeichnet."

Die Ausstellung "Prag am Anfang der Geschichte" widmet sich auch zwei Frauenpersönlichkeiten, die mit der tschechischen Hauptstadt verbunden waren. Die legendäre Fürstin Libussa haben wir bereits in unserer vergangenen Sendung erwähnt, die zweite Frauenpersönlichkeit, die in die Geschichte Prags eingegangen ist, ist jedoch schon keine fiktive Gestalt mehr, sondern eine Frau, die zum Aufschwung des Premyslidenstaates bedeutend beigetragen hat. Sie ist unter dem Namen Äbtissin Mlada bekannt geworden, auch wenn sie im Kloster den Namen Marie angenommen hatte. Was wissen die Historiker heute über Mlada? Dazu Miroslava Smolikova:

"Da sich diese Frau im Rahmen der Kontakte des Premyslidenstaates mit Rom engagierte, weiß man doch einiges über sie. Sie war die Tochter des Fürsten Boleslav und war noch ganz jung, als sie mit einer Botschaft nach Rom entsandt wurde. Die Botschaft beinhaltete den Antrag von Fürst Boleslav II. auf die Errichtung Bistums in Prag. Mlada wurde in Rom vom Papst empfangen, und wie der Chronist Kosmas schildert, hat der Papst die Errichtung des Bistums gebilligt. Er überreichte Mlada sogar den Orden des Heiligen Benedikt, Mlada wurde zur Äbtissin geweiht und kehrte nach Böhmen zurück. Bei der St. Georgkirche, die 920 von Fürst Vratislav erbaut wurde, gründete die Äbtissin ein Benediktinerinnenkloster, das überhaupt das erste Frauenkloster in Böhmen war. Mlada oder Marie - wie sie später hieß - ist sehr jung gestorben und wurde im Kloster bestattet. Über ihrem Grab wurde eine Holzkapelle errichtet und sie wurde bereits kurz nach ihrem Tod sogar angebetet. Äbtissin Mlada ist mit der Gründung des Prager Bistums im Jahre 973 sehr eng verbunden. Dies war ein bedeutendes Ereignis, das zur Festigung des Staates beigetragen hat. Aus den archäologischen Ausgrabungen geht hervor, dass Mlada offensichtlich noch nach alten slawischen Gewohnheiten bestattet wurde. Ihr Grab wurde nach dem Vorbild slawischer Gräber aus der vorchristlichen Zeit gestaltet."

Bleibt nur noch hinzuzufügen, dass das erste Klostergebäude, das Mlada erbauen ließ, ein steinernes Gebäude war, das an der Westseite der St. Georgkirche stand.

Autoren: Olaf Barth , Martina Schneibergová
abspielen