Robertson: Überschallflugzeuge nicht vorrangig für Tschechische Armee

G.Robertson

In Tschechien stand an den beiden letzten Tagen der Besuch von NATO-Generalsekretär George Robertson im Blickpunkt des Interesses. Mein Kollege Lothar Martin war bei der abschließenden Pressekonferenz dabei. Lothar, was war eigentlich der Hintergrund des Besuches von Robertson in Tschechien?

G.Robertson
Robertson: "Nach fast zweijähriger Mitgliedschaft von Tschechien in der NATO wollte sich Robertson über den Stand der Modernisierung in der tschechischen Armee informieren und über ihre Eingliederung in die Strukturen der Allianz."

Und wie fiel seine Einschätzung aus?

"Wie nicht anders zu erwarten, nicht gerade positiv. Bereits im Vorfeld seines Besuches hatte man hierzulande die allergrößten Befürchtungen über die Bewertung der Tschechischen Armee, da das Missmanagement innerhalb des Verteidigungsministeriums schon offen zu Tage getreten war, was u.a. sichtbar wurde durch die Neubesetzung des ökonomischen Chefs im Ressort mit Jaroslav Tvrdik. Wie auch die hiesige Tageszeitung ´Lidove noviny´ berichtet, wird die Entwicklung der drei neuen NATO-Mitglieder - außer Tschechien wurden vor zwei Jahren auch Polen und Ungarn in das Bündnis aufgenommen - kritisch, und die der Tschechischen Republik als sehr negativ eingeschätzt. Die Gründe dafür sind ein fehlendes Konzept zum Aufbau und zur Umrüstung der Streitkräfte, das stagnierende Budget im Verteidigungshaushalt, die so gut wie noch nicht mögliche Eingliederung der tschechischen Soldaten in die NATO-Streitkräfte oder die nicht voranschreitende Modernisierung der Ausrüstung. Diese Kritikpunkte kann selbst die gute Arbeit, die tschechische Soldaten bei den Friedensmissionen auf dem Balkan leisten, nicht überdecken."

Im Zuge der Umrüstung wird hierzulande immer wieder vom Kauf neuer Überschallflugzeuge für die Tschechische Armee gesprochen. Was ist hierbei der aktuelle Stand?

"Ja, das ist ein heißes Thema, zumal es sich um eine womögliche Großinvestition von ca. 5,5 Milliarden Mark handelt. Doch wie sich herausstellte, wird dieses Thema heißer gekocht, als es letztendlich gegessen wird. Robertson gab dazu in Prag zu verstehen, dass die Tschechische Republik zwar seit zwei Jahren ein Programm zur Modernisierung der eigenen Armee durchläuft, es aber noch eine Menge zu tun gäbe. Und zum Thema Überschallflugzeuge sagte Robertson, falls sich die tschechische Regierung zum Kauf der Flugzeuge entscheiden sollte, dann sollte dies nicht zu Lasten der anderen Einheiten der tschechischen Streitkräfte gehen. Mit anderen Worten: Der Kauf von Überschallflugzeugen habe keine Priorität, solange Tschechien nicht seine anderen Verpflichtungen beim Aufbau einer modernen Armee erfülle. Anscheinend ist es da auch zu einem ersten Umdenken gekommen, denn Premier Milos Zeman sprach auf der Pressekonferenz u.a. davon, dass er sich in Zukunft eine Armee, die ausschließlich aus Berufssoldaten gebildet wird, vorstellen kann, eine Armee, die flexibler ausgerichtet und straffer organisiert ist. Robertson legte bei seinem Treff mit Verteidigungsminister Vladimir Vetchy auch großen Wert auf gut ausgebildete, flexible einsetzbare Bodentruppen."

Viel Kritik also, gibt es denn auch Erfreuliches zu vermelden?

"Ja, bei seinem Treffen mit Präsident Vaclav Havel, dass infolge der Erkrankung des Staatsoberhauptes im - zufälligerweise - Militärkrankenhaus von Prag stattfand, bestätigte Robertson, dass der nächste NATO-Gipfel im Herbst kommenden Jahres in Prag stattfinden wird. Robertson sprach in diesem Zusammenhang von einem historischen Ereignis, da dort dann 19 demokratische Länder - also einschließlich Tschechien, Polen und Ungarn - über die eventuelle Erweiterung der NATO entscheiden werden. Hervorzuheben ist noch, dass alle tschechischen Politiker, mit denen Robertson gesprochen hat, die Situation um die Tschechische Armee ernst nehmen und sie nicht schönreden, was von der NATO-Zentrale in Brüssel positiv wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang ist nicht auszuschließen, dass Verteidigungsminister Vetchy für die Versäumnisse und Verfehlungen der letzten Jahre bald seinen Hut nehmen muss. Auf der Pressekonferenz trat er der Frage, ob er für die notwendigen Revisionen innerhalb der Armee noch die nötige Rückendeckung im Kabinett habe, nur zögerlich und ausweichend entgegen."