Tschechiens Politik nach der Präsidentschaftswahl

Jan Švejnar und Václav Klaus (Foto: ČTK)

Es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass die Vorgänge rund um die Wahl des tschechischen Staatspräsidenten praktisch niemanden in Tschechien kalt gelassen haben. Die Einen meinen, die politische Kultur hätte einen neuen Tiefpunkt erreicht, Andere halten die Vorgänge für eine Folge der großen Erwartungshaltung von Seiten der Bürgerinnen und Bürger. Welche Konsequenzen die Wahl für die weitere politische Entwicklung in Tschechien haben könnte, das erfahren Sie nun in einer weiteren Ausgabe unseres Schauplatzes.

Jan Švejnar und Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Die Erleichterung war am Freitagabend, als die Wiederwahl von Vaclav Klaus zum tschechischen Präsidenten feststand, allen Beteiligten anzusehen. Vergessen schienen die blank liegenden Nerven in den Tagen unmittelbar vor der Wahl und auch die gegenseitigen Korruptions- und Manipulationsvorwürfe, die sich Regierung und Opposition gegenseitig um die Ohren geschlagen haben.

Doch einige grundsätzliche Fragen, die im Rahmen der jüngsten Präsidentenwahl aufgetaucht sind, bleiben nach wie vor offen. Die wohl wichtigste ist, welchen Einfluss der Verlauf der Präsidentenwahl auf die Arbeit der gegenwärtigen Drei-Parteien-Koalition aus Bürgerdemokraten (ODS), Christdemokraten und Grünen haben wird. Während die Bürgerdemokraten die Wiederwahl ihres Parteigründers Václav Klaus unterstützen, waren die Grünen maßgeblich an der Nominierung Jan Švejnars beteiligt. Die Grünen sparten auch nicht mit Kritik an der Person des Amtsinhabers, dem sie seine Haltung zur globalen Klimaerwärmung oder zur EU vorwarfen, was wiederum bei der ODS heftige Wortmeldungen zu Folge hatte.

Präsidentenwahl  (Foto: ČTK)
Wird die Regierungskoalition wieder zur Ruhe kommen, oder ist das Ende dieser Regierung aufgrund der tiefen Gräben, die sich in den Wochen vor der Wahl aufgetan haben, in Sichtweite? Dazu sagt der Journalist Petr Holub von der Internet-Zeitung „Aktualne.cz“:

"Ich denke, dass das Bestehen der Koalition bis aufs Weitere gesichert ist, auch wenn natürlich die inneren Gegensätze und Konflikte beträchtlich sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt droht kein Auseinanderfallen der Koalition, weil es keine Alternative gibt. Einzig aus den Reihen der ODS ist von Zeit zur Zeit zu vernehmen, dass sich beim Abgang von einigen weiteren Abgeordneten aus der Fraktion der Sozialdemokraten die Zahl der parteilosen Mandatsträger wesentlich erhöhen könnte, womit theoretisch die sechs Abgeordneten der Grünen ersetzen werden könnten. Damit wäre die ODS jene Partei los, die ihr das Regieren am schwersten macht. Dagegen spricht aber die politische Wirklichkeit. Wenn Premier Mirek Topolánek diese Rochade wirklich vorhaben sollte, müsste er bei Präsident Klaus erneut ansuchen, damit dieser ihm einen neuen Regierungsauftrag erteilt. Zudem müsste er dann im Parlament die Vertrauensfrage stellen, was für ihn riskant werden könnte. Dieses Risiko wird Topolánek sicherlich nicht eingehen."

Welche Auswirkungen haben insbesondere die Begleitumstände dieser Präsidentschaftswahl generell auf das politische Klima im Land und auf dessen politische Kultur? Hat die tschechische Politik nicht einen neuen Tiefpunkt erreicht? Dazu Petr Holub:

„Allgemein lässt sich sagen, dass es hier zu einem Missverständnis gekommen ist, dessen Wurzeln im System liegen. In der tschechischen Verfassung, wie auch in anderen Ländern, wo das Staatsoberhaupt indirekt gewählt wird, ist die Präsidentschaftswahl eher eine zeremonielle Angelegenheit. Sie ist auch ein Ereignis, bei dem schon im Voraus klar ist, wer gewinnen wird. Eine solche Einigung gab es weder im Vorfeld der diesjährigen Wahl, noch der vor fünf Jahren. In Wahrheit ist dieser weitgehend zeremonielle Akt Opfer des gewöhnlichen politischen Tagesgeschäfts geworden, das manchmal sehr rau ist, weil es dabei um die Macht geht. Weil dies aber bei der Präsidentschaftswahl praktisch vor den Augen der Bürger geschah, waren alle vom Ausmaß und der Form dieser Auseinandersetzung überrascht. Als dann die Kommunisten ihre Haltung bei der Wahl mit einer weiteren politischen Frage verknüpften, zeigte sich, dass es bei dieser Wahl weniger um das wichtigste Amt im Staat geht, als um politische Geschäfte und Gegengeschäfte. Aber es stimmt auch, dass es ein vergleichbares Geschäft auf der Gegenseite gab. So haben die Bürgerdemokraten versprochen, die Kirchen für ihren früheren, von den Kommunisten enteigneten, Besitz zu entschädigen, um damit die Stimmen einiger Christdemokraten zu erhalten.“

Präsident Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Die Haltung der Kommunisten sorgte bei dieser Präsidentenwahl wahrscheinlich für die größte Überraschung. Zunächst erklärten sie, sie würden bei der ersten Wahl Jan Švejnar in der ersten und zweiten Runde unterstützen, sich dann jedoch enthalten, um eine neue Wahl mit neuen Kandidaten zu erzwingen. Genau so ist das auch geschehen, und in der Öffentlichkeit konnte leicht der Eindruck entstehen, dass die Kommunisten die eigentlichen Sieger der ersten, wenn auch gescheiterten Präsidentschaftswahl wären.

In der Woche zwischen den beiden Wahlgängen sorgten die Kommunisten wieder für Aufsehen, als sie mit Jana Bobošíková eine eigene Kandidatin präsentierten, diese dann aber kurz vor der eigentlichen Wahl zurücktreten ließen. Damit offenbarten sich die taktischen Motive der Kommunisten, denn ein Wahlerfolg Bobošíkovás war von vornherein ausgeschlossen. Petr Holub von „Aktualne.cz“ meint dazu, dass sich die Kommunisten ganz einfach verkalkuliert hätten.

Jan Švejnar  (Foto: ČTK)
„Ich denke, dass es von Seiten der Kommunisten kein guter Schachzug war, weil hier schon seit Längerem Václav Klaus der Favorit war. Da sich aber die übrigen Parteien von der Klaus-Partei ODS emanzipieren wollten, hatte es die größte Regierungspartei zu Beginn relativ schwer, bei den übrigen Parteien die notwendige Unterstützung und auch die fehlenden Stimmen für Klaus zu erhalten. Die Kommunisten wollten die Gelegenheit nutzen, um ihren Preis in die Höhe zu treiben. Deshalb mussten sie alles möglich unternehmen, um sich die Tür zu beiden Kandidaten offen zu halten. Und nur deshalb präsentierten sie eine eigene Kandidatin. Ziel war, Švejnars Einzug in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl zu verhindern, um im Gegenzug die Aussichten von Klaus zu verbessern. Alle haben also Bobošíkovás Nominierung als indirekte Wahlhilfe für Klaus verstanden. Václav Klaus ist so oder so Präsident geworden. Den schwarzen Peter bei diesem Arrangement mit der ODS, das an der kommunistischen Basis sehr unpopulär ist, hat nun die jetzige Parteiführung unter Vojtěch Filip in der Hand.“

Das Beispiel der Kommunisten ist bei Weitem nicht das einzige. Auch bei den anderen Parteien haben sich in den vergangenen zehn Jahren bei wichtigen Grundsatzfragen tiefe Konflikte zwischen der Haltung der Parteiführung und der Basis herauskristallisiert. Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Journalisten Petr Holub:

Jana Bobošíková und Vojtěch Filip,  links  (Foto: ČTK)
„Diese Widersprüche sind oft natürlich, denn das Eine ist die ideologische Linie, die von der Partei verfolgt wird, und das Andere sind die konkreten Schritte, mit welchen versucht wird, diese Linie durchzusetzen. Bei der ODS ist dieses Problem größer, weil einer ihrer politischen Köpfe nach wie vor Václav Klaus bleibt, der zum Beispiel eine weitere Integration Europas oder die europäische Gemeinschaftswährung ablehnt. So befindet sich die aktuelle Führung der ODS zwischen zwei Feuern. Auf der einen Seite stehen die Sympathisanten und Parteimitglieder aus den Reihen der Unternehmer, die eine stärkere Integration unterstützen, und auf der anderen Seite steht Klaus. Es geht also irgendwie darum den Spagat zwischen diesen Positionen zu meistern. In der Praxis sieht das so aus, dass die Partei zwar durch ihre starke antieuropäische Rhetorik auffällt, auf der anderen Seite hat sie in Brüssel noch nie eine Einigung blockiert. Der Umstand, dass die Partei auf eine so markante Persönlichkeit wie Václav Klaus Rücksicht nehmen muss, hat sich eben auch bei der Präsidentenwahl gezeigt. Das war praktisch das Hindernis, dass er auch für andere Parteien - vor allem die Koalitionspartner – als Kandidat akzeptabel gewesen wäre."