Tschechische Autoren im Exil

Liebe Hörerinnen und Hörer im heutigen Kulturspiegel nehmen wir uns einen Romantitel des berühmten Autoren Milan Kundera zum Motto " Das Leben ist anderswo" und gehen der Frage nach, was tschechische Autoren ins Exil treibt und was sie dort schreiben. Zur Sendung begrüsst Sie am Mikrophon Marcela Pozarek.

Anfang Oktober kamen in Prag Auslandtschechen aus aller Welt zusammen, um sich an einer Konferenz darüber auszutauschen wie es sich fern der ursprünglichen Heimat lebt. Unter dem Titel "Emigration und Exil als Lebensweise" gingen Schriftsteller und Literaturwissenschafter der Frage nach, wie sich bei tschechischen Exilautoren das eigene Schicksal im Werk niederschlägt. Prof. Antonin Mestan, der seit 1968 als Slawistikprofessor in Freiburg im Breisgau tätig ist, wies im Gespräch darauf hin, dass die tschechische Emigrantenwelle von Schriftstellern nach der kommunistischen Machtübernahme im Jahre 1948 keine Lust hatte über ihr Leben unter neuen Umständen zu schreiben. Die Flucht war wie ein Fluch. Jemand der aber an die eigene schriftstellerische Existenz im Exil permanent gedacht hat ist Egon Hostovsky. Einer seiner Roman heisst bezeichnender Weise "Literarische Abenteuer eines tschechischen Schriftstellers im Ausland", das erste Kapitel: "Alle Wege führen von zu Hause weg": Damit Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer einen Eindruck gewinnen können von den besagten literarischen Abenteuern des tschechischen Schriftstellers Egon Hostovsky im Ausland, haben wir eine kurze Passage aus dem Roman übersetzt:

"Ende Februar 1939 bin ich nach Brüssel geflogen, mit einem kleinen Koffer, in dem ich ein wenig Wäsche hatte, einen Anzug und zwei eher unbrauchbare handschriftliche Übersetzungen meiner Romane ins Deutsche, die meinem holländischen Verleger nicht gefielen. Ich hatte meine Lesetour noch gar nicht beendet, als Hitler Prag besetzte. Mein Leben war gerettet, aber ich habe das lange gar nicht richtig wahrhaben können, geschweige denn, konnte ich die Situation positiv sehen, da ich mich in einer Lage befand für die meine Phantasie nicht ausreichte. Was ich hier schreibe ist nicht etwa die Beichte eines Emigranten, sondern eines Schriftstellers. Deshalb sage ich nur, das ich mir in den ersten Tagen wie ein armer Bettler vor kam."

Der Lyriker Viktor Dyk beschrieb in einem Gedicht das Exil aus der Perspektive des Landes. Wer dieses verlässt, stirbt, dass Land lebt weiter.

Opustís-li mne, nezahynu,

Opustís-li mne, zahynes

Wenn Du mich verlässt, werde ich nicht sterben

Verlässt Du mich aber, so stirbst Du.

Das dem nicht ganz so sein muss, beweist beispielsweise das Werk des in Paris lebenden Lyrikers Peter Kral. Nach jahrelangem Exil kehrt Kral hin und wieder nach Prag zurück, veröffentlicht hier seine Gedichte. Motive wie zermürbende Sehnsucht, melancholisches Heimweh und die behutsame Annäherung an das verloren geglaubte Heimatland tauchen in seiner Lyrik auf.

Der Traum der Rückkehr

Ich kehre in die Stadt zurück, aus der ich einmal ausgeflogen bin, wieder berühre ich die staubigen Muskeln der steinernen Heiligen und fasse ihre frischen Rundungen an, wieder unternehme ich einen Ausflug unter die bauschigen Röcke meiner Cousine. Die Rundungen sind unglücklicherweise fest in Stein gehauen, unter dem Rock zieht es nur. Die Cousine ist mein, aber trägt den Rock nicht mehr.

Petr Kral hielt anlässlich der Konferenz der Auslandtschechen einen Vortrag zum Motiv des Exils in den Gedichten tschechischer Lyriker.

Es geht ganz allgemein bei dieser künstlerischen Thematik nicht nur um kurios-tragische Eskapaden, die das Leben in fremder Umgebung schildern, sondern um das Herausschälen einer conditio humana: Alle Menschen leben nur beschränkte Zeit auf der Welt, alle sind wir nur zu Gast und sind Fremde.

"Ich habe versucht es auf eine etwas übergeordnete Ebene zu überführen, das Thema war ja eher aufs Anekdotische konzentriert. Ich habe einige tschechische Dichter aus der Nachkriegszeit zitiert die im Exil lebten und bei denen ich glaube, dass sich das Exil als existenzielle, metaphysische Kategorie zeigt. Ein Autor, dessen Schreiben wirklich überzeugend diese Thematik aufgreift ist für mich Frantisek Listopad."

Als der portugiesische Staatspräsident Mario Soares kurz nach der Samtenen Revolution auf Einladung des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel Prag besuchte, war unter der portugiesischen Delegation Frantisek Listopad, der im hiesigen Parlament stolz als tschechischer Dichter begrüsst wurde. Gegen diese Klassifizierung wehrte sich aber Präsident Soares. Nein, nein Frantisek Listopad sei ein portugiesischer Autor. In der Tat lebt Frantisek Listopad seit 1959 in Lissabon, zuvor war er zwölf Jahre in Paris. In Portugal arbeitete er als Theaterregisseur und Journalist, aber natürlich auch als Dichter und Schriftsteller ganz im südwestlichen Zipfel des europäischen Kontinents, obwohl er ursprünglich in der Mitte Europas zur Welt kam, in Prag. Hören Sie einen Ausschnitt aus seinem Erzählband: " Tristan von einer Stadt in die andere"

"Fürchten wir uns nicht vor alten Legenden. Das Leben selbst ist eine der ältesten. Das Leben kann sich an vielen Orten abspielen, aber nicht überall. Vielleicht überall... Wenn überall, dann ist der Ort der Geschehnisse von grosser Bedeutung. Diese einigen Kilometer, Meilen, Werste verbinden sich für immer mit der Zeit und der schicksalsträchtigen Geschichte. Der Schnittpunkt der Zeit, der Geographie und des Lebens...."

Zum Schluss unserer Sendung rezitiert Ihnen nun der Kunsthistoriker Alexej Kusak noch den Beginn eines speziellen Gedichts:

Autor: Marcela Pozarek
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