Umwelthistoriker tauschten sich in Prag aus

Historiker Petr Pavlinek

Zwei Ereignisse wollen wir diesmal, liebe Freunde, in unserem Wirtschaftsmagazin ins Visier nehmen, indem wir einen Rückblick auf die vergangene Woche machen. Auf den ersten Blick hängt eines davon scheinbar nur wenig mit der Wirtschaft zusammen, aber tatsächlich nur auf den ersten Blick. Wir wollen nämlich die Geschichte des Umweltschutzes unter die Lupe nehmen. Beim zweiten Ereignis, der Internationalen Funkausstellung in Berlin, erübrigt sich ein Zweifel von vornherein. Mehr erfahren Sie aber nun von Jitka Mladkova:

Am vergangenen Freitag fand in Prag eine ungewöhnliche Konferenz statt: Getroffen haben sich Experten, genauer gesagt Historiker aus über 20 Ländern, darunter aus Südafrika, China und Island, die sich mit der Umweltgeschichte befassen. Der Veranstalter der Konferenz war die Europäische Gesellschaft für Umweltgeschichte. Ein interessantes Thema brachte dabei der tschechische Historiker Petr Pavlinek in die Diskussion ein. Pavlinek, derzeit Hochschullehrer an der University of Nebraska in den USA, arbeitet an einem Projekt, das sich mit der Geschichte des Umweltmanagements in der Tschechischen Republik auseinander setzt. Sein besonderes Augenmerk gilt hier vor allem der Zeitperiode nach dem Zweiten Weltkrieg, in der - wie allgemein angenommen - der Umweltschutz unter dem kommunistischen Regime voll und ganz vernachlässigt wurde. Mit dieser These will sich Pavlinek nicht identifizieren und widerspricht den, wie er sagt, vor allem in Westeuropa kursierenden Mythen über die angebliche Ignoranz der Umweltprobleme in den ehemaligen Ostblockländern. Etwas anderes sei es jedoch, so Pavlinek, wenn man überprüfe, welchen Effekt der Umweltschutz damals überhaupt hatte. Seine Beschreibung über die Stellung der existierenden Bürgerinitiativen, die sich für den Umweltschutz engagierten, deutet vieles an:

Historiker Petr Pavlinek
"Es galt das Prinzip, dass das kommunistische Regime keine der so genannten Nichtregierungsorganisationen, die der von ihm ausgeübten Kontrolle nicht unterstanden haben, dulden konnte. Alle Bemühungen um die Gründung von unabhängigen Organisationen wurden daher gleich im Keim erstickt. Zugelassen wurden nur vom Regime kontrollierte Organisationen wie der im Jahr 1978 gegründete Verband der Naturschützer."

Die Augen vor den Umweltproblemen zu schließen war jedoch auf die Dauer nicht möglich, dessen wurden sich zunehmend auch die kommunistischen Machthaber bewusst. Petr Pavlinek erläutert:

"Anfang der 80er Jahre, als meiner Meinung nach die Krise im Umweltschutzbereich in der ehemaligen Tschechoslowakei und dabei vor allem in der nordböhmischen Region ihren Höhepunkt erreichte, haben einige Regierungsmitglieder sowie Vertreter anderer führender Staatsorgane endlich zur Kenntnis genommen, dass sich die Umweltprobleme im Laufe der Zeit als ein Faktor erweisen könnten, der die weitere Existenz des Regimes gefährden könnte. So hat man begonnen, sich auch mit diesen Problemen zu befassen."

Pavlinek zufolge gab es innerhalb der Kommunistischen Partei eine Gruppe von Funktionären, die die Umweltproblematik als ihr eigenes Programm auffassten, das sie im Rahmen der Umgestaltung des Regimes nach dem Vorbild der russischen Perestrojka in die oberen Machtetagen hieven sollte.

Typisch für das ehemalige Regime war, dass es den Umweltschutz als eine Art Luxus ansah, den man sich erst dann leisten kann, wenn eine starke Wirtschaft vorhanden ist. Die abstrakte Vision war, die kapitalistischen Länder einzuholen und womöglich sogar zu überholen. Dass diese Denkweise auch heutzutage, also nach der Wende von 1989, als ein Erbe des vergangenen Regimes empfunden wird, bestätigt der Umwelthistoriker:

"Es stimmt, dass einige, vor allem liberale Politiker, und einige politische Parteien in der heutigen Tschechischen Republik eine ähnliche Position in Sachen Umwelt vertreten. Den Umweltschutz betrachten sie als Hindernis für eine schnellere wirtschaftliche Entwicklung."

Anders gesagt, den - in Anführungsstrichen - "Luxus" des Umweltschutzes werde man sich hierzulande erst nach der komplexen und kompletten Transformation der Wirtschaft leisten können. Dieses Phänomen sei aber Pavlinek´s Meinung nach auch in den Konsumgesellschaften Westeuropas und Amerikas nicht unbekannt, die nachzuahmen schon der - wie er sagt -Gulaschkommunismus vor der politischen Wende 89 im Visier hatte. Nach wie vor seien viele Leute nicht bereit, sich der negativen Konsequenzen der Konsumschwemme - vom zunehmenden Automobilverkehr angefangen bis hin zu den wachsenden Abfallbergen - bewusst zu werden.

Und nun zu unserem zweiten Thema:

Gute Geschäfte wurden Agenturmeldungen zufolge auf der 44. Internationalen Funkausstellung in Berlin gemacht. Unter den 1007 Ausstellern aus 37 Ländern war Tschechien allerdings nur durch zwei Firmen vertreten! Eine recht bescheidene Beteiligung auf der weltgrößten Messe der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik. Mit Karel Fleischmann, dem Vertreter der Firma AQ-Acustic Quality, die Lautsprecherboxen und anderes Zubehör auch für Hi-Fi-Anlagen herstellt, unterhielt sich direkt inmitten des traditionell lautstarken Messetrubels unser freier Mitarbeiter Julius Eschka: