Wehrdienstverkürzung als Wahlversprechen

Rekrutenaushebung

Der Wahlkampf in Tschechien kommt auf Touren. Die beiden grössten Parteien, die Sozialdemokraten und die Bürgerlichen, haben als Thema nun den Wehrdienst entdeckt. Die Bürgerlichen zogen als erste die Trumpfkarte einer Wehrdienstverkürzung aus dem Ärmel, doch die Sozialdemokraten spielten den Ball mit einem noch radikaleren Vorschlag gleich zurück. Mehr dazu im folgenden Beitrag von Rudi Hermann.

Rekrutenaushebung
Wer in Tschechien vor dem Einzug in den Wehrdienst steht, würde sich gewiss wünschen, die nächsten Parlamentswahlen wären nicht schon im Juni, sondern noch ein paar Monate später. Dann hätten die Politiker nämlich mehr Zeit, sich mit Versprechen zur Wehrdienstverkürzung zu überbieten, vielleicht so lange, bis die Wehrpflicht ganz abgebaut und die Armee professionalisiert wäre. Natürlich ist diese Erwägung überspitzt formuliert und auch nicht ganz ernst gemeint, doch nach dem jüngsten Schusswechsel zwischen Bürgerlichen und Sozialdemokraten, denjenigen Parteien also, von denen mindestens eine in der nächsten Regierung sitzen wird, würde man sich über ein solches Szenario kaum wundern. Denn beide Grossparteien haben die Verkürzung der momentan ein Jahr betragenden Pflichtwehrdienstzeit als Wahlversprechen entdeckt und damit die jungen Wähler als interessante Zielgruppe identifiziert.

Nun versprechen Politiker vor Wahlen gerne das Blaue vom Himmel, und wenn die Stimmen abgegeben und die neuen Behörden konstituiert sind, sieht alles meist ganz anders aus, natürlich mit dem unumgänglichen Verweis auf nötige Kompromisse in Koalitionen. Wie steht es denn tatsächlich mit den Möglichkeiten einer Wehrdienstverkürzung oder gar einer vollständigen Professionalisierung der Armee? Wie die Zeitung Lidove noviny festhält, haben beide Parteien ihre Trumpfkarte nicht gespielt, ohne nicht auch ein ausgearbeitetes Szenario bereit zu haben. So kommentierte Petr Fischer, sowohl der sozialdemokratische Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdik wie auch der bürgerliche Schatten-Verteidigungsminister Petr Necas hätten keine Schnellschüsse abgegeben, sondern wüssten, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Wehrdienstverkürzung machbar sei und hätten zudem auch die Konzeptionen für die mittelfristige Professionalisierung der Armee in der Schublade. Laut Necas ist eine Wehrdienstverkürzung gerechter gegenüber denjenigen, die noch zum Pflichtdienst eingezogen werden, bevor es zur Bildung einer Berufsarmee kommt. Ausserdem seien neun Monate für die Ausbildung ausreichend, und nicht zuletzt könnte eine Verkürzung die Rekrutierung erleichtern, indem sich weniger junge Männer bemühten, sich dem Wehrdienst zu entziehen, entweder über das Besorgen eines Arztzeugnisses oder durch die Wahl eines zivilen Ersatzdienstes. Für eine kürzere Präsenzzeit in der Armee sprechen auch die nackten Zahlen: Wurden 1997 93 000 Wehrdienstfähige junge Leute ausgehoben, so dürften es im Jahr 2006 nur noch rund 60 000 sein.

Was die vollständige Professionalisierung der Armee betrifft, so beschuldigen sich Sozialdemokraten wie Bürgerliche gegenseitig des Populismus. Die Bürgerlichen werfen Verteidigungsminister Tvrdik vor, das Zieldatum von 2007 genannt zu haben, ohne die Vorbereitung dieses wichtigen Schrittes ausreichend garantieren zu können. Hinter dieser Kritik dürfte sich allerdings auch Ärger darüber verstecken, dass es die Sozialdemokraten verstanden hatten, das ursprünglich aus bürgerlicher Küche stammende Thema einer Professionalisierung der Armee erfolgreich selber ins Gespräch zu bringen.

Autor: Rudi Hermann
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