Wer demonstriert wofür und wogegen
Im folgenden Feuilleton befasst sich Dagmar Keberlova damit, welche Folgen die Unkenntnis der Welt haben kann.
"Die Voraussetzung des Kommunismus ist die künstliche oder absichtliche Unkenntnis der Welt." Diese Worte hat nicht ein Regimekritiker in der zweiten Hälfte des 20Jh. geschrieben, sondern der tschechische Schriftsteller und Journalist Karel Capek, und zwar schon im Jahre 1924. Damals waren die kommunistischen Verbrechen an Millionen Menschen noch nicht sehr bekannt. Karel Capek hatte die verbrecherischen Wurzeln des Kommunismus allerdings auch so entdecken und verstehen können. Einige haben sie bis heute nicht verstanden. Gott bewahre, man äußere heutzutage in einer feinen Gesellschaft die unbeliebte Tatsache, dass Kommunisten mehr Menschen umgebracht haben als Nazis. Ist halt nicht salonfähig. Kommunismus wird immer als das kleinere Übel, wenn überhaupt, gesehen. Unsinn!, ruft man entgegen. Doch Verständnis findet man wenig. Kein Wunder, meint der Historiker Emanuel Mandler, Kommunisten wurden und werden nicht bestraft und verboten, denn "halb Europa denkt kommunistisch". Interessant ist, dass es immer dieselben sind, die mit der Unkenntnis der Welt viele Schäden anrichten. Dieselben, die bis heute nicht kapiert haben, was im Kommunismus vor sich ging, und in einigen Ländern leider noch vor sich geht, häuften sich heuer zu Millionen auf den Strassen Europas und Amerikas, um gegen ihren Diktator zu demonstrieren. Gegen einen Diktator eines demokratischen Landes, das zumindest den Mut hatte zwei Diktaturen niederzureißen, wie auch immer sie es gemacht haben. Bei der Demonstration gegen die tatsächlichen Diktatoren, Castro beispielsweise, sind gewöhnlich nur einige Dutzend anwesend. Auch Karel Capek stand damals ziemlich alleine da, als er die rechte und linke Diktatur vorausgesagt hat. Gegen die meisten Intellekteulen, die von Blindheit befallen waren. Intellektuelle scheinen auch heute an dieser Krankheit zu leiden, zumindest die linksliberalen. Für sog. "Friedensbewegten" sei es unverständlich, warum Tschechien und andere postkommunistische Länder den USA vertrauen und sie unterstützen. Weil sie wissen, was es heißt, in einer Diktatur zu leben. Friedensbewegte, die eine glückliche Kindheit in Demokratie und ein wohlhabendes Erwachsenleben ebendort führen, mangelt es an dieser Erfahrung. Eine Frage hätte ich an sie: Warum gehen sie nicht einige Jahre beispielsweise nach Kuba - oder wo anders hin, Auswahl an Diktaturen gibt es auch im Jahre 2003 leider noch genug - um ihre die von ihnen nicht als Diktaturen anerkannten Systeme am eigenen Leibe zu prüfen? Schauen wir, bei welcher Demo sie dann dabei sind. Unter einer Bedingung: dass sie ihre Lebenserfahrung überleben.