Wertvolle Schriftstücke im Internet

Foto: www.memoria.cz

Die eigene Geschichte zu studieren, ist zweifelsohne ein lobenswertes Anliegen. Um unsere Geschichte kennen zu lernen, müssen wir deren Dokumente und Zeugnisse erforschen. Der Umgang mit diesen Dokumenten, mit alten Handschriften und Büchern, führt jedoch selbstverständlich auch zu deren Beschädigung. Die Möglichkeiten, einen alten Band in die Hand zu nehmen und darin zu blättern, sind daher beschränkt. Doch die technische Entwicklung hat auch in diesem Bereich einen Weg aufgezeigt, wie dieses Paradox zu lösen ist. Er heißt Digitalisierung. Mehr dazu erfahren Sie im nachfolgenden Kultursalon von Markéta Maurová und Gerald Schubert.

Möchten Sie gern in einem Manuskript von Comenius schmökern? In einem Kodex aus dem 15. Jahrhundert blättern? Dies wird wahrscheinlich nicht gehen, zumindest nicht real. Doch man hört heute immer häufiger von der virtuellen Realität, in der Dinge möglich sind, die früher kaum vorstellbar waren. "Manuscriptorium" sowie "Kramerius" heißen zwei Unternehmen, die vor kurzem der Öffentlichkeit in Tschechien vorgestellt wurden. Ihr Ziel ist es, einen komplexen Fonds an alten Druckschriften, Handschriften und Zeitungen im Internet zu schaffen und diesen den Forschern sowie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es soll daher künftig möglich sein, auf jeder beliebigen Arbeitsstelle nach einem historischen Band zu greifen und diesen zu studieren - mit Hilfe des Internets. "Manuscriptorium" und "Kramerius" ergänzen ein ähnliches UNESCO-Projekt namens Memoria, das seit etwa zehn Jahren im Laufen ist. Das Herz dieser Projekte schlägt in der Nationalbibliothek im Prager Klementinum. Sinn und Zweck des Projekts erklärt uns der stellvertretende Direktor der Nationalbibliothek, Adolf Knoll.

"Er beruht darauf, dass Handschriften, alte Druckschriften und am Ende des Jahres auch historische Karten aus etwa zwanzig tschechischen Institutionen als Bilder im Internet zugänglich gemacht werden."

Näheres fügt Stanislav Psohlavec von der Gesellschaft Albertina hinzu, die die Digitalisierung durchführt.

"Das Projekt Memoria setzt sich als Ziel, die Digitalisierung weiterer Dokumente zu unterstützen. Denn es gibt relativ viele Dokumente, die sich als Einzelstücke in kleineren Archiven oder in kleineren Bibliotheken befinden und dennoch für Forscher interessant sind. Die Forscher schlagen in ihnen nach und beschädigen sie, indem sie sie berühren. Daran ist natürlich nichts auszusetzen, aber es ist einfach die Realität. Man sagt, dass die Handschriften, in denen nachgeschlagen wird, im Laufe der letzten 50 Jahre mehr genutzt und beschädigt wurden, als während der fünf Jahrhunderte zuvor. Die Restaurierung dieser Dokumente ist natürlich eine sehr aufwändige Sache. Und das Projekt Memoria setzt sich zum Ziel, auch kleineren Institutionen zu ermöglichen, den Forschern anstatt des Originals eine digitale Kopie zur Verfügung zu stellen."

Die Digitalisierung wird im Digitalisierungszentrum in Prag realisiert, es beteiligen sich jedoch mehrere Institutionen daran. Und zwar nicht nur Bibliotheken, sondern auch Museen, Archive und zwei weitere Kloster - das Strahov-Kloster in Prag und das Kloster in Tepl; einfach jene Institutionen, die Handschriften oder alte Schriften besitzen. Stanislav Psohlavec nennt ein konkretes Beispiel:

"Einer der Partner an diesem Projekt ist das Schloss Kynzvart, besonders dank seines Kastellans, Herrn Riha. Er digitalisiert relativ viele Handschriften und bemüht sich, die wichtigsten Dokumente der Metternich-Bibliothek, die gerade im Schloss untergebracht ist, auszuwählen und auf eine logische Art und Weise zugänglich zu machen. Wenn Sie die Internetseite memoria.cz aufschlagen und nach Metternich suchen, dann sehen Sie, dass sich dort eine relativ hohe Zahl an Handschriften befindet."

Wir haben von den beteiligten Institutionen gehört, worauf konkret bezieht sich also die Digitalisierung? Was alles kann man sehen, wenn man www.memoria.cz anklickt? Adolf Knoll:

"Ich beginne mit dem Projekt Kramerius. Dort sind Zeitungen ab der Zeit, als Kramerius Ende des 18. Jahrhunderts Zeitungen herausgegeben hatte - daher der Name. Des weiteren Zeitungen des 19. Jahrhunderts, sowohl tschechische als auch deutsche, die hier in Prag erschienen, bis hin zu Zeitungen aus den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Wir konzentrieren uns auf das, was es in unseren Bibliotheken nur in wenigen Exemplaren gibt."

Das andere Projekt, "Manuscriptorium", bezieht sich auf alte Manuskripte.

"Was die Handschriften betrifft, finden Sie dort sehr bekannte Sachen Tomas Stitnys von Stitny, Comenius, Handschriften der hussitischen und posthussitischen Autoren, jesuitische Annalen usw."

Bisher wurden etwa eine halbe Million Seiten Handschriften und alte Druckschriften digitalisiert, einige Hundert historische Karten sowie etwa 1,2 Millionen Zeitungen.

"Die Digitalisierung verlangt eine spezielle Vorrichtung. Einige Handschriften wiegen mehr Dutzende Kilo und da ihr Preis schwer beziffert werden kann, müssen wir für ihre Sicherheit, für eine zuverlässige Behandlung sorgen. Auf Grund unserer früheren Erfahrungen haben wir eine Vorrichtung entwickelt, in der eine Spitzendigitalisierungstechnik und die Anforderungen bezüglich dieser Handschriften verknüpft werden. Es entstand ein spezieller Scanner, der garantiert, dass mit den alten Schriften nichts passieren kann. Die Entstehung dieser Arbeitsstelle trug dazu bei, dass sich immer mehr Institutionen an die Nationalbibliothek wenden."

Soweit Stanislav Psohlavec. Er beschrieb uns weiter den Prozess, bei dem ein mehrere Jahrhunderte altes Pergament oder Papier auf einer speziellen Vorrichtung in ein digitales Bild verwandelt wird.

"Sie können hier sehen, dass einzelne Teile der Vorrichtung individuell gemacht wurden - ein einstellbarer Tisch, eine spezielle Wiege für die Handschriften. Am interessantesten ist wohl das Verfahren. Es ist nötig, dass die Seite beim Scannvorgang gerade ist. Und wann ist eine Seite gerade? Entweder wenn das Buch geschlossen ist, oder wenn man die Blätter umschlägt. Beim Umschlagen ist die Seite in einer gewissen Phase ganz gerade und wir fixieren sie so und photographieren. Auf dieses Prinzip stützt sich die Geometrie der ganzen Anlage."

Die Digitalisierung ist eine Arbeit, die man auf Jahre planen kann. Was strebt man als Ideal an? Es spricht abschließend der stellvertretende Direktor der Nationalbibliothek, Adolf Knoll:

"Wir haben eine langfristigere Zielsetzung, die wir etwa innerhalb von sechs Jahren realisieren wollen. Dies bedeutet, nicht nur eine möglichst hohe Zahl an gefragten und interessanten Sachen anzubieten, sondern auch in ähnliche Projekte in Europa eingebunden zu sein und gleichzeitig die Dokumente mit weiteren Daten auszustatten und einen Komplex an zusätzlichen Informationen dazu zu schaffen. Und natürlich beginnen wir auch mit einigen Bibliotheken in umliegenden Staaten zusammenzuarbeiten, damit die bibliographische Information, die Information, darüber, wo sich was befindet, möglichst komplex ist."