Wissenschaftler wollen Wisente wieder in Tschechien heimisch machen

Foto: Kristýna Maková

Wisent – so nennt man den europäischen Bison. In Polen gibt es noch einige Bestände, in Tschechien ist das Huftier hingegen ausgestorben. Doch viele Wissenschaftler glauben, dass hierzulande die Bedingungen günstig sind für die Rückkehr der Wisente. Experten der Akademie der Wissenschaften und der Südböhmischen Universität in České Budějovice / Budweis haben vor einigen Tagen eine Studie dazu veröffentlicht.

Foto: Kristýna Maková
Im Mittelalter gab es große Bestände von Wisenten auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Es wird vermutet, dass die letzten Tiere hier Anfang des 17. Jahrhunderts gejagt wurden. Dass Wisente hierzulande einst stark verbreitet waren, belegen die Namen von einigen Städten, bei denen die Tiere als Namensgeber dienten. Wisent heißt auf Tschechisch „zubr“. Es gibt zahlreiche Gemeinden namens Zubří und Zubrnice, sowie Bäche, die Zubřina oder Zubřinka heißen. Wisente kommen zudem im Wappen einiger alter Adelsfamilien vor. Miloslav Jirků arbeitet am Zentrum für Biologie der Akademie der Wissenschaften in České Budějovice / Budweis. Er hat sich an der jüngsten Studie über den Wisent beteiligt und weiß, warum es die Tiere hierzulande nicht mehr gibt:

Foto: Tschechisches Fernsehen
„Die Wisente verschwanden, weil sie von den Menschen bis ins Mittelalter intensiv gejagt wurden. Sie fehlen heutzutage in Mitteleuropa, und zwar aus dem Grund, weil sie zu den Tieren gehören, die Kräuter und Gras abgrasen.“

In ihrer Studie widerlegen die Experten die bisher verbreitete Theorie, dass Wisente tiefe Laubwälder zum Leben bräuchten. Jirků glaubt, dass die Tiere nach Jahrhunderten wieder auf tschechisches Gebiet zurückkommen könnten.

„Die Landschaft ist dafür zweifelsohne sehr gut geeignet. Denn in Tschechien besteht ein Mosaik von Wäldern und waldloser Landschaft.“

Miloslav Jirků  (Foto: Archiv der Akademie der Wissenschaften)
Die Wissenschaftler haben inzwischen in Tschechien bereits passende Gebiete ausgesucht. Für die Rückkehr der Wisente geeignet sind demnach beispielsweise die Gegend von Boletice in Südböhmen, Doupovské hory / Duppauer Gebirge in Westböhmen sowie die Gegend bei Libavá / Liebau in Mähren. Wisente könnten Jirků zufolge die Rolle der Wirtschaftstiere übernehmen, die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts in freier Natur auf der Weide waren.

„Es wird oft gesagt, dass es in unserer Landschaft kaum mehr Weiden gibt. Die Zahl der Rinder, die auf einer Weide sind, nimmt aber in den letzten 20 Jahren zu. Es ist jedoch nicht dasselbe, wie wenn sich Huftiere frei in der Landschaft bewegen, und dabei Wiesen und Waldränder abgrasen. Wirtschaftstiere sind auf einem beschränkten Weidegebiet eingesperrt, und ihr Einfluss auf die Landschaft ist sehr gering.“

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Ein Vorteil sei, dass man die Tierbestände bei Wisenten leicht kontrollieren könnte. Wie viele Wisente wären für die Landschaft hierzulande ideal? Miloslav Jirků:

„Aufgrund der Erfahrungen aus Polen wird mit etwa 20 bis 30 Wisenten für ein Gebiet von 200 Quadratkilometern gerechnet. Wir wissen jedoch: Wenn Wisente auch waldfreie Landschaft zur Verfügung haben, können die Tierbestände auf einer genauso großen Fläche bedeutend größer sein.“

Wisente gibt es seit vergangenem Jahr im Wildgehege Židlov auf dem früheren Militärübungsplatz Ralsko in Nordböhmen. Dies ist der erste Schritt zur Rückkehr der Huftiere in eine Gegend, in der sie vor Jahrhunderten zu Hause waren.