Zwischen Gericht und Gläubigern: das neue Insolvenz-Gesetz für Privatpersonen

Premier Mirek Topolánek begrüßt Kateřina Miclíková (Foto: ČTK)

Tschechische Privathaushalte sind oft hoch verschuldet. Seit Januar dieses Jahres bietet das geltende Insolvenzrecht in Tschechien überschuldeten Privathaushalten die Möglichkeit Insolvenz anzumelden. Persönlicher Bankrott also. Private natürliche Personen können jetzt das Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung in Anspruch nehmen. Danach ist ein wirtschaftlicher Neuanfang möglich - der Weg aus der Schuldenfalle also. Das „Forum Gesellschaft“ über ein großes Problem in der tschechischen Gesellschaft - die Verschuldung der Privathaushalte.

Premier Mirek Topolánek begrüßt Kateřina Miclíková  (Foto: ČTK)
„Es ist ja nicht so, dass man nicht zahlen will. Das war jetzt die einzige Möglichkeit, eine Lösung für unsere Situation zu finden. Sie müssen einer Bank die Schulden zurückzahlen und gleichzeitig setzt sie schon die nächste Bank unter Druck“, sagt die junge Frau.

Es ist eine kleine Runde, die da in der Beratungsstelle für finanzielle Notlagen in Prag zusammensitzt. Die junge Schuldnerin Kateřina Miclíková, Premier Mirek Topolánek, Justizminister Jiří Pospíšil und der Leiter der Beratungsstelle, Karel Suchý. Topolánek zeigte Mitgefühl:

„Ich denke, das ist eine klassische Situation, in die jeder hineingeraten kann. Eine plötzliche Veränderung der sozialen Situation in der Familie oder beim Einzelnen und schon ist es passiert. Das Insolvenz-Gesetz ist ein Instrument für die Anständigen, für die Nicht-Anständigen ist das Konkursverfahren da. Was bedeutet das nun für Sie? Sie werden fünf Jahre hart daran arbeiten müssen, ihre Schulden abzubezahlen. Aber Sie bewahren sich ihren guten Ruf, ihre Würde und eine Chance für die Zukunft. Das, denke ich, sind die wesentlichen Ziele, weshalb das neue Insolvenz-Gesetz entstanden ist.“

Karel Suchy, der Leiter der Beratungsstelle für finanzielle Notlagen, erläutert das Gesetz:

Das Risiko für den Schuldner ist dabei nicht gering. Er muss bei Beantragung der Entschuldung sein ganzes Leben offenlegen. Verlangt werden manchmal sogar die Produktionsnummern jedes einzelnen Gegenstandes, den der Schuldner besitzt. Und er muss zeigen, dass er ehrlich gewillt ist, seine Schulden zu begleichen. Über den Antrag befindet nicht nur der Richter. Alle Gläubiger müssen dem „Fünf-Jahres-Plan“ zur Entschuldung zustimmen. Sie verzichten damit auf den größeren Teil der geschuldeten Summe. Stimmen sie nicht zu, wird automatisch und sofort ein Konkursverfahren eingeleitet, an dessen Ende der Schuldner sogar auf der Straße landen kann.

Justizminister Jiří Pospíšil räumt ein, dass das Gesetz noch nicht perfekt ist. Zu viele verschiedene Unterlagen, die auszufüllen und vorzulegen, Abschläge, die sofort zu zahlen seien. Ein Team soll die Praktikabilität und die Auswirkungen dieses Gesetzes für die Bürger überprüfen, auch mit Hilfe der Beratungsstelle, so Pospíšil:

„Bis zum Ende des Jahres – das verspreche ich – werden wir das Gesetz bewerten und eine Novelle ausarbeiten, die einfacher, bürgernäher und angenehmer sein wird.“

Anregungen zu diesem Gesetz hat man sich im übrigen aus Deutschland geholt, wo es seit mehreren Jahren diese Möglichkeit zur Entschuldung gibt. An die 400 in Not Geratene haben sich seit Jahresbeginn an die Beratungsstelle gewandt, erzählt der Leiter Karel Suchý. Die Beratungsstelle wurde von der Tschechischen Sparkasse und der Verbraucherschutzvereinigung gegründet. Die Tschechische Sparkasse gehört zum größten Kreditgeber für Privatkunden. Weitere fünf Banken haben sich nun angeschlossen, um möglichst einheitlich vorzugehen und Lösungen für diese Pleiten zu finden.

Premier Mirek Topolánek  (rechts) und Justizminister Jiří Pospíšil  (Foto: ČTK)
Tschechische Haushalte sind mit rund 700 Milliarden Kronen (ungefähr 28 Milliarden Euro) verschuldet. Einen Haushalt davon haben Katka Miclíková und ihr Mann:

„In dem Handwerkszweig, den mein Mann ausgeübt hat, sind einfach weniger Aufträge reingekommen. Damit sanken die monatlichen Einnahmen um 10.000 Kronen, und das ist nicht wenig. Also mussten wir uns etwas anderes überlegen. Er arbeitet jetzt als Kraftfahrer, da ist die Bezahlung etwas besser. Aber eine Lösung unserer finanziellen Probleme ist das nicht. Wir haben unsere Banken kontaktiert, aber niemand ist uns entgegen gekommen. Und so wird das Problem immer größer, weil man natürlich überall Verzugszinsen und Strafen zahlen muss. Und schon ist man in einem Teufelskreis.“

10 bis 15.000 Kronen (400 – 600 Euro) könnten sie und ihr Mann jetzt monatlich abbezahlen.

„Das Problem besteht aber dann, wenn sie mehrere Gläubiger haben. Sie zahlen zuerst dem einen zurück und für den anderen bleibt nichts mehr übrig. Bei den Banken sieht heute der Trend so aus, dass sie den Leuten oft Kredite bewilligen, welche ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen. Und so war das auch bei uns.“

Foto: ČTK
Besonders brenzlig wurde es für das Paar, als der Mann seinen Beruf wechselte. Drei Wochen war er ohne Anstellung. Drei Woche genügen, wenn das private Finanzierungsgebäude mit einigem Risiko hochgezogen wurde und die beruflichen Umstände sich schlecht entwickeln. Drei Wochen genügen, um in Verzug zu geraten. Auf über 300.000 Kronen haben sich die Schulden bei Frau Miclíková und ihrem Mann angehäuft.

„Für uns ist es einfach notwendig, dass wir nicht in Zahlungsverzug geraten.“

Es braucht nun also einen Plan für die Rückzahlung von mindestens 30 Prozent der Schulden. Und den versucht Katerina Miclikova nun mit Hilfe des neuen Insolvenz-Gesetzes aufzustellen. Damit der Konkurs verhindert wird und nach fünf Jahren Abzahlung eine neues Leben beginnen kann.

Frau Miclíková hat nun den Antrag auf Entschuldung ausgefüllt. Leicht war es nicht und sie muss noch vieles korrigieren und nachreichen. Warum hat sich die junge Frau eigentlich entschieden an die Öffentlichkeit zu gehen? Und zwar mit einem Problem, das jeder gern verschweigen würde?

„Na, zum einen hat mich die Beratungsstelle angesprochen, ob ich dazu bereit wäre. Zum anderen sind es meiner Meinung nach meistens absolut normale Leute, die in diesem Teufelskreis hineingeraten. Ich überlege auch immer, ob ich mich jetzt vor den Nachbarn schämen muss. Aber ich bin nicht allein. Leider. Ich will also zeigen, dass man sich dafür nicht schämen muss.“