100 Tage Regierung Sobotka: Bürger zufrieden mit pro-europäischem Kurs
Die Regierung unter Bohuslav Sobotka ist seit 100 Tagen im Amt. Bislang arbeitet das Kabinett recht geräuschlos. Der sozialdemokratische Premier erhält jedoch derzeit viel Kritik aus der Öffentlichkeit für seinen Kurs gegenüber China. Zudem droht die Partei Ano, die zweitstärkste Koalitionskraft, in Umfragen den Sozialdemokraten den Rang abzulaufen. Doch wie bewertet der Premier selbst seine ersten 100 Tage im Amt?
„Wir haben die Teilnehmer gebeten, der Regierung ein Zeugnis auszustellen und ihr Schulnoten zu verleihen. Dabei hat sie eine Drei minus erhalten – das ist ein gutes Ergebnis. Schaut man genauer hin, haben zwei Fünftel der Befragten die Arbeit der Regierung als gut oder eher gut bewertet, eine Rolle spielte dabei, dass die Regierung ihr Programm ernsthaft umsetzt und auch schon erste Ergebnisse erzielt hat.“
Dabei dominierte in den letzten Monaten auch in Tschechien ein außenpolitisches Thema: die Krise in der Ukraine. Bei den Auseinandersetzungen in Kiew zwischen Regierungsgegnern und Polizeieinheiten des ehemaligen ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch beteiligte sich der frisch ins Amt gelangte tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek an den Vermittlungsversuchen. Laut Premier Bohuslav Sobotka ist die Krise eine der größten Herausforderungen für Europa:„Die Krise zeigt große Auswirkungen auf unser Handeln. Wir hatten zunächst die Absicht, die Beziehungen zu unseren Nachbarn aus der Europäischen Union zu verbessern und vor allem wollten wir uns auf die heimischen Probleme konzentrieren: auf das Wirtschaftswachstum, auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und auf das Funktionieren des Staates. Daher hat die Krise in der Ukraine doch einen schweren Eingriff in unsere Regierungsagenda bedeutet, wir mussten uns dem sehr intensiv widmen.“
Außenpolitisch ist aber aktuell ein anderes Thema in den Vordergrund gerückt. Außenminister Lubomír Zaorálek hatte bei einer Reise nach China eine Erklärung mit seinem dortigen Amtskollegen unterzeichnet. Darin erkannte Zaorálek die Unteilbarkeit Chinas an und bekräftigte, die Unabhängigkeitsbestrebungen Tibets nicht zu unterstützen. Dies war bei der intellektuellen Elite Tschechiens auf harsche Kritik gestoßen, hatte sich doch vor allem Ex-Präsident Václav Havel immer intensiv für Tibet eingesetzt. Der Außenminister erläuterte seinen Schritt nach seiner Rückkehr aus China am Freitag:„Diese Erklärung eröffnet die Möglichkeit, an Ausschreibungen in China teilzunehmen. Dadurch sind auch Investitionen möglich, die ohne diesen politischen Dialog nicht stattfinden würden. Es geht also auch um die Wirtschaft, aber es ist nicht so, dass wir Werte gegen Geschäfte eintauschen. China ist schließlich ein sehr bedeutendes Land, wenn wir die Klimaproblematik lösen oder den Terrorismus bekämpfen wollen. Gleichzeitig gibt es auch bilaterale Dinge, die wir mit China regeln müssen, und das war bisher nicht möglich.“Auch Premier Sobotka verteidigt deutlich dieses Zugeständnis gegenüber China. Er lehnt sogar ab, das geistige Oberhaupt Tibets, den Dalai Lama, in Prag zu empfangen – der Dalai Lama war ein gern gesehener Gast des verstorbenen Václav Havel.
„Ich würde ihn nicht empfangen, denn das würde unsere diplomatischen Beziehungen mit China ernsthaft gefährden. Ich sehe auch gar keinen Grund, warum ich mich, als offizieller Vertreter des tschechischen Staates, mit dem Dalai Lama treffen sollte. Würden wir für die Unabhängigkeit von Tibet eintreten, in einem Moment, in dem niemand anderes dafür kämpft, würde das nur unsere wirtschaftlichen Beziehungen verschlechtern – und selbst der Dalai Lama ist gegen die Unabhängigkeit. Die Erklärung, die der Außenminister gemeinsam mit seinem chinesischen Amtskollegen unterschrieben hat, geht aus einem Text hervor, den Frankreich aufgesetzt hat. Es handelt sich also um eine grundlegende französische Position gegenüber China. Die Unterzeichnung unsererseits ist also nichts, was den Rahmen der allgemeinen europäischen Linie verlässt.“ Auch innenpolitisch steht die Regierung in der Kritik. Aus den Reihen der Opposition wird ihr vorgeworfen, im Haushaltsentwurf für 2015 nicht genug zu sparen beziehungsweise nicht ausreichend Mittel in den Schuldenabbau zu investieren. Vor allem die Wiedereinführung eines niedrigeren Mehrwertsteuersatz sowie die Abschaffung der Patientengebühren im Gesundheitswesen verursachen hohe Kosten. Hier aber sieht sich Premier Sobotka im Einklang mit seinem Regierungsprogramm:„Wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, dass das Staatsdefizit unter der Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes bleiben soll. Diese Grenze werden wir sicher einhalten und haben dadurch ein bestimmtes Spektrum, in dem wir uns finanziell bewegen können. Wir wollen damit die Prioritäten dieser Regierung erfüllen: das Gesundheitssystem zu stabilisieren, die Pensionszahlungen anzuheben, aber auch Mittel freizumachen für die Gehälter von Polizisten und Feuerwehrleuten. Gleichzeitig wollen wir den Bau von Kindertagesstätten sowie den Straßenbau fördern.“Die Bevölkerung nimmt aber erstaunlicherweise einen anderen Schwerpunkt der Politik von Premier Sobotka sehr positiv auf. Soziologe Kvasnička:
„Die am besten bewerteten Aktivitäten der Regierung sind der Beitritt der Tschechischen Republik zum europäischen Fiskalpakt und die deutliche Hinwendung zu einer pro-europäischen Politik. Das sind Themen, die von Seiten der Wähler am meisten geschätzt wurden, sie erhielten die besten Noten.“Scheinbar kommt die europakritische Politik der vergangenen Jahre durch diverse bürgerdemokratisch geführte Koalitionen bei den Bürgern nicht mehr an. Die Bürgerdemokraten (ODS) betreiben jedoch erneut einen scharfen antieuropäischen Wahlkampf. Gefährlich werden dürfte die in Umfragen bei sechs Prozent liegende ODS den regierenden Sozialdemokraten aber wohl nicht.
Ungemach droht dem Premier eher aus dem Lager der Koalition. Laut der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS-AISA hat nämlich die Partei Ano, mit Finanzminister Andrej Babiš an der Spitze, die Sozialdemokraten in der Wählergunst überholt. Die Sozialdemokraten kämen nur noch auf 18,5 Prozent, während Ano bei 28,5 Prozent rangiert – fast zehn Prozent mehr, als noch bei den Abgeordnetenhauswahlen im vergangenen Jahr. Wird also die kommende Europawahl eine Bewährungsprobe für die Regierungskoalition? Premier Sobotka gibt sich zuversichtlich:„Ich glaube nicht, dass das Ergebnis der Europawahlen auf die Stabilität der Regierung Einfluss haben wird. Aber es wird ein deutliches Signal der Wähler sein, das dann alle Parteien sehr sorgfältig analysieren müssen. Ich fürchte die Wahlen aber nicht, denn wir haben einen sehr guten Spitzenkandidaten. Jan Keller kann sowohl linke als auch linksliberale Wähler ansprechen. Wir müssen uns aber jetzt hauptsächlich darauf konzentrieren, in der Regierung gute Arbeit zu leisten. Ich fordere da von allen sozialdemokratischen Ministern vollen Einsatz, und wir werden versuchen, die Versprechen, die wir unseren Wählern gegeben haben, einzuhalten.“
Eine deutliche Niederlage bei den Europawahlen könnte aber auch die innerparteilichen Konkurrenten von Parteichef Bohuslav Sobotka wieder auf den Plan rufen. Die hatten bereits nach den Abgeordnetenhauswahlen im Oktober 2013 versucht, ihren Vorsitzenden zu stürzen.