34 Jahre nach gewaltsamer Beendigung des "Prager Frühlings": Zwei ehemalige Funktionäre der Kommunistischen Partei unter dem Vorwurf des Vaterlandsverrats vor Gericht

Milous Jakes (rechts) und Jozef Lenart (Foto: CTK)

Seit Montag stehen zwei ehemalige kommunistische Funktionäre der Tschechoslowakei unter dem Vorwurf des Landesverrats vor Gericht. Hintergründe und Einzelheiten zu dem Prozess von Silja Schultheis.

Milous Jakes  (rechts) und Jozef Lenart  (Foto: CTK)
Den beiden Angeklagten, dem 80jährigen Milous Jakes und dem 79jährigen Jozef Lenart, wird vorgeworfen, dass sie im August 1968 verfassungswidrig die Okkupation der Tschechoslowakei und damit die Niederschlagung des "Prager Frühlings" unterstützten. Der Anklage zugrunde liegt die Tatsache, dass beide am 22. August 1968 auf der sowjetischen Botschaft in Prag an Verhandlungen zur Gründung einer sog. Arbeiter- und Bauernregierung teilnahmen. Diese sollte die bisherige Regierung ersetzen und den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen legitimieren, erklärte im Gespräch mit Radio Prag der Historiker Dr. Antonin Benèík, der sich seit langem mit der Problematik des "Prager Frühlings" beschäftigt:

"Die Bildung einer Arbeiter- und Bauernregierung war Bestandteil der Interventionspläne der Warschauer-Pakt-Staaten. Sie sollte die politische Legitimierung der Intervention gewährleisten. In ihrem Namen wurde beispielsweise auch Aleksander Dubcek verhaftet, der gegen die Intervention war. Dabei war die Bildung dieser Arbeiter- und Bauerregierung verfassungswidrig. Der Vorstand des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei lehnte sie ab und verabschiedete stattdessen eine "Anti-Interventions-Erklärung", die später eine wichtige Rolle für die Entwicklung eines breiten unbewaffneten Widerstandes gegen die Intervention spielte."

Die beiden Angeklagten betrachten die gegen sie erhobenen Vorwürfe als absurd. Über die Geschichte könne man nicht richten, sagte Milous Jakes am ersten Tag der Gerichtsverhandlung am Montag, und fügte hinzu:

Milous Jakes  (rechts) und Jozef Lenart  (Foto: CTK)
"Wie kann jemand sagen, dass ich von einem Vorsatz geleitet wurde, dass ich eine Absicht hatte. Wie kann er das wissen, wenn er keine Fakten dazu hat?"

Fakten und Beweise hingegen gibt es nach Ansicht des Staatsanwaltes Jiri Bednar jedoch genug:

"Irgendjemand musste das initiieren und aus den Aussagen unabhängiger Zeugen geht hervor, dass sie tatsächlich dem damaligen Präsidenten der Tschechoslowakei die Variante einer Arbeiter- und Bauernregierung aufgedrängt haben."

Dennoch gilt die Beweislage als sehr schwierig, da nahezu alle Zeugenaussagen, die seit Beginn der Ermittlungen Mitte der 90er Jahre gemacht wurden, für den Prozess unbrauchbar sind. Zudem ist die große Mehrheit der Teilnehmer des besagten Treffens in der sowjetischen Botschaft am 22. August 1968 bereits nicht mehr am Leben. Die Anklage stützt sich somit allein auf die Aufzeichnungen eines noch lebenden Teilnehmers, Zbynek Sojak, der damals ein enger Mitarbeiter von Aleksander Dubcek war.

Die Zeugenvernehmung wird vermutlich bis Freitag dauern. Den beiden Angeklagten drohen lebenslange Freiheitsstrafen. Es handelt sich nicht um den ersten Versuch, Lenart und Jakes vor Gericht zu stellen. Die "Behörde zur Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus" hatte bereits zweimal zuvor vergeblich die Anklage gegen die beiden vorgeschlagen.