Abgeordneter der Regierungskoalition tritt aus Freiheitsunion aus

Tomas Vrbik (Foto: CTK)

Die knappe Mehrheit von einer einzigen Stimme, auf die sich die tschechische Regierung bisher im Abgeordnetenhaus stützen konnte, die scheint am Mittwoch noch ein wenig knapper geworden zu sein. Das mag zunächst einigermaßen paradox klingen - und dennoch ist es möglich. Denn ein Abgeordneter der kleinsten Regierungspartei, der liberalen Freiheitsunion, ist aus seiner Partei ausgetreten. In seiner Abgeordnetenfraktion will er jedoch bleiben. Mehr von Gerald Schubert:

Tomas Vrbik  (Foto: CTK)
Einhunderteins. So lautet die magische Zahl in der tschechischen Politik seit Beginn der laufenden Legislaturperiode vor mehr als zweieinhalb Jahren. Denn einhunderteins ist die Anzahl der Abgeordneten, auf die sich das aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und der liberalen Freiheitsunion bestehende Kabinett im Parlament stützen kann. Auf den Bänken der Opposition, geformt von Kommunisten und den konservativen Bürgerdemokraten, sitzen 99 Volksvertreter. Denkbar knappe Verhältnisse also. Und seit Mittwoch sind sie noch ein bisschen knapper. Tomas Vrbik, Abgeordneter der Freiheitsunion, trat nämlich aus seiner Partei aus. Zu den Gründen für seinen Schritt meint er:

"Bei einigen Kompromissvorschlägen, die die Regierung nun vorlegt, wie etwa im Bereich der verpflichtenden Offenlegung von Vermögen oder der Bezahlung von Krankengeld durch die Arbeitgeber, handelt es sich Dinge, mit deren Unterstützung ich große Probleme hätte."

Vrbiks Naheverhältnis zu einer vor allem unternehmerfreundlichen Politik ist bereits seit langem bekannt, und auch er selbst hat mit seiner Kritik an der sozialdemokratisch dominierten Regierung bisher kaum hinterm Berg gehalten. Sein Parteiaustritt kommt nun dennoch einigermaßen überraschend, zumal er ja auch die Mehrheitsverhältnisse im tschechischen Parlament gehörig ins Wanken bringen könnte. Vrbik selbst will das jedoch nicht so dramatisch sehen:

"Über die Unterstützung für die einzelnen Gesetzesvorlagen wird die Regierungskoalition eben verhandeln müssen, so wie sie das auch bisher schon musste. Denn wie sich oftmals gezeigt hat, ist diese 101-Stimmen-Mehrheit sehr brüchig, und immer wieder war es nötig, sich individuell mit einzelnen Abgeordneten zu einigen."

In der Tat. Die Sozialdemokraten hatten erst jüngst einen ähnlichen Fall verzeichnet. Allerdings war einer ihrer Abgeordneten damals vorübergehend aus der Fraktion ausgetreten und in der Partei verblieben. Bei Vrbik ist es nun umgekehrt. Er trat aus der Partei aus, bleibt aber in seiner Fraktion. Was dies nun für die Stabilität der Regierung von Premierminister Vladimir Spidla bedeutet, das wird erst das weitere Abstimmungsverhalten des neuen Parteilosen zeigen. Die Reaktion in den anderen Regierungsparteien ist bis jetzt vorsichtig zurückhaltend, innerhalb der Freiheitsunion ist sie gelinde gesagt angespannt. Einige fordern sogar einen außerordentlichen Parteitag. Sicher ist einstweilen nur Eines: Wenn Vrbiks Beispiel Schule macht, dann wird die knappest mögliche Mehrheit wohl noch knapper und knapper werden.