Advent bei den Fürsten: zu Besuch auf Schloss Ratibořice
Mit dem Ort Ratibořice ist für Generationen von Tschechen die einstige Besitzerin des dortigen Schlosses verbunden. Die Schriftstellerin Božena Němcová hat sie in ihrem bekanntesten Roman „Die Großmutter“ beschrieben: Die großzügige Schlossherrin „paní kněžna“. Hinter dieser „paní kněžna“ verbirgt sich eine wirkliche Persönlichkeit, Herzogin Katharine Wilhelmine von Sagan. Über sie, sowie über andere Adelige, die in den vergangenen Jahrhunderten in Ratibořice zu Hause waren, konnten die Besucher des Schlosses in der vorigen Woche bei Sonderführungen mehr erfahren.
„Das Schloss Ratibořice war eigentlich eine Sommerresidenz. Die Besitzer haben hier nur von April bis Mitte November gewohnt. Dann wurde hier die Sommersaison beendet und die Herrschaften zogen nach Náchod. Das dortige Schloss war der Hauptsitz. Dort hat die Familie dann die Weihnachtstage verbracht und dort spielten sich auch einige der Szenen ab, die wir hier während der Adventszeit vorführen.“
Die Geschichten, die während der Adventsführungen erzählt werden, haben einen realen Hintergrund. Einiges habe er in den Archiven gefunden, einiges von den Bewohnern aus der Umgebung gehört, erzählt der Kastellan:„Die Weihnachtsbescherung für sechsjährige Kinder, von der während der Führung die Rede ist, hat es wirklich gegeben. Alle Sechsjährigen aus der Region bekamen von den Schlossbesitzern jedes Jahr Weihnachtsgeschenke. Eine andere Geschichte, über ein Dienstmädchen, das übrig gebliebene Zuckerwürfel vom Tisch mit nach Hause genommen hat, haben mir einige Zeitzeugen erzählt. Nach einigen Monaten suchte der Herr nach den Zuckerwürfeln, um die Pferde damit zu füttern. Das hat sich hier irgendwann in den 1920er Jahren abgespielt.“
Das Schloss ist üblicherweise von April bis Oktober geöffnet. In der Adventszeit sperren sie nur vorübergehend für einige Tage auf, erzählt Ivan Češka. Aber nicht nur die Adventsführungen hat er sich mit seinen Mitarbeitern ausgedacht:
„Wir bieten auch andere thematische Führungen an, vor allem im Mai und im Oktober. Im Mai stehen die Führungen im Zeichen von Blumen. Im Schloss wird gezeigt, wie die Blumen im Laufe der Zeit gebunden wurden. Zudem werden verschiedene Konditoreiprodukte vorgestellt, die hier einst serviert wurden. Die Besucher erfahren von Begleitern in historischen Kostümen mehr über die Herkunft der Torten und der anderen Süßigkeiten, die in Ratibořice früher auf den Tisch kamen. Im Herbst stehen die Führungen wiederum im Zeichen der Jagd, und serviert wird vor allem Wild.“Ratibořice liegt nicht weit von Pardubice, dass unter anderem durch die Pardubitzer Lebkuchen bekannt geworden. Kein Wunder also, dass früher auch in Ratibořice eine spezielle Lebkuchensorte gebacken wurde – die so genannten „ratibořické perníčky“ also Ratiborschitzer Lebküchlein. Der Kastellan möchte künftig diese regionale Spezialität den Besuchern anbieten:
"Das Rezept, das ich im Archiv gefunden habe, stammt von einer Köchin, die hier für die Schlossherrin gearbeitet hat. Es handelt sich um kleine Lebkuchen, die mit Marmelade zusammengeklebt werden und oben kommt ein spezieller Guss darauf. Damit unterscheiden sich die Lebkuchen von den anderen Lebkuchensorten. Sie wurden hier früher in der Advents- und Weihnachtszeit gebacken.“Das Schloss in Ratibořice ließ Fürst Lorenzo Piccolomini in den Jahren 1702 – 1708 bauen. Als Vorbild für die Sommerresidenz dienten ihm die italienischen Lustschlösser. Etwa 100 Jahre später ließ die Herzogin Wilhelmina von Sagan das Schloss im Stil des Klassizismus und des Empires umbauen. Zu jener Zeit entstand dort auch ein großer Schlosspark. Später wechselte das Schloss die Besitzer. Seit den 1840-er Jahren gehörte es bis 1945 den Fürsten zu Schaumburg-Lippe. Die Geschichte des Schlosses und seiner Umgebung könnte für Touristen aus den deutschsprachigen Ländern interessant sein, meint der Kastellan:
„Denn in dieser Region spielte sich der Preußisch-Österreichische Krieg im Jahre 1866 ab. Der damalige Besitzer des Schlosses, Prinz Wilhelm zu Schaumburg-Lippe, war sogar Mitglied des Generalstabs der österreichischen Armee, sodass er mitten im Geschehen war. Seine Frau, Prinzessin Bathildis, richtete ein Lazarett für verletzte Soldaten im nahe gelegenen Schloss Náchod ein. Sie beide gründeten hier einen Militärfriedhof, auf dem viele der Gefallenen bestattet wurden.“Das Schloss, das Božena Němcová in ihrem autobiografischen Roman „Die Großmutter“ beschrieben hatte, zieht vor allem Besucher aus Tschechien an. Denn alle wollen einmal die Gemächer der „paní kněžna“ sehen, über die sie in ihrer Kindheit gelesen haben. Ivan Češka hofft, dass auch mehr ausländische Touristen den Weg nach Ratibořice finden werden. Über die Geschichte des Schlosses erfahren Sie mehr in einer der nächsten Ausgaben von Reiseland Tschechien.