Aktuelles von der Prager Germanistik

Ende Januar haben die Umbauarbeiten in der germanistischen Abteilung der Prager Karlsuniversität begonnen. Die alten Räumlichkeiten, die noch aus T.G. Masaryks Zeiten stammen, werden renoviert, außerdem soll die technische Ausstattung erweitert werden. Im folgenden Beitrag befasst sich Jörn Nuber mit den Schwierigkeiten, über die diese gute Nachricht hinwegtäuscht. Mehr Marion Riese.

Wer sich an diesen Maßnahmen eher beiläufig beteiligt, ist - erstaunlich genug - die Universitätsverwaltung. Denn von Seiten der Universität werden Jahr für Jahr Gelder gekürzt. Doch gerade im Bildungsbereich sollte, so Frau Professor Vachlova, Germanistin an der Prager Universität im Gespräch mit Radio Prag, ein Land wie Tschechien investieren:

"Es ist eigentlich eine allgemeine Erscheinung, die ihren Anfang in der unglücklichen Regierungspolitik hat. Das betrifft nicht nur die aktuelle Regierung, die wir haben, sondern auch die vorherigen Regierungen, die sich eigentlich nicht der Grundtatsache bewusst sind, das man in das Schulwesen investieren muss, eben weil wir ein kleines Volk sind."

Um an Gelder für den Umbau der Räumlichkeiten zu kommen, haben sich die Prager Dozenten und Professoren aus eigener Initiative an die Düsseldorfer Niemann-Stiftung gewendet. Trotz aller Schwierigkeiten gelingt es den Angehörigen des Instituts mit großem Engagement neben der Lehre auch einzelne Forschungsprojekte auf die Beine zu stellen: Professor Tvrdik arbeitet an einer Geschichte der tschechischen Germanistik, Frau Professor Vachkova bereitet die Herausgabe eines großen deutsch-tschechischen Wörterbuchs vor, das auch akademischen Ansprüchen gerecht werden soll. Neun Jahre Arbeit veranschlagt sie dafür. DAAD-Lektor Klaus Schenk veröffentlichte kürzlich ein Buch über die deutsche und tschechische Moderne. Außerdem ist er Initiator einer Konferenz über deutschschreibende tschechische Autoren, die im Oktober diesen Jahres stattfinden wird. So kann die Prager Germanistik doch eine ordentliche Bilanz vorweisen. Problematisch wiederum sieht die Situation des Deutschunterrichts an tschechischen Schulen aus. Beim Blick auf die Statistiken kann festgestellt werden, dass fünfzig Prozent der als Deutschlehrer tätigen Pädagogen keine Standardausbildung haben. Professor Tvrdik erklärt warum:

"Das ist der Stand der 90er Jahre. Das sind die sogenannten umgeschulten Lehrer, die vor allem durch die Umstrukturierung der Russischlehrer aufs Deutsche oder aufs Englische eher angebildet worden sind. Das Deutsche hat es natürlich sehr hart getroffen. Man könnte vielleicht auch sagen, dass das Niveau des Deutschunterrichtes an den Mittelschulen, also an den Gymnasien und Industrie- und Handelsschulen auch drunter leidet. Gute Lehrer, gute Deutsch- oder Fremdsprachenlehrer, meiden die Arbeit an den Schulen aus Gründen des Lohns."

Besonders in den 90er Jahren war von Seiten ausländischer Firmen die Nachfrage nach Arbeitskräften mit Fremdsprachenkenntnissen groß. Ausgebildete Deutschlehrer fanden in der freien Wirtschaft attraktivere Arbeitsplätze als im Schulbetrieb. Wie sich die Situation des Deutschunterrichts an Tschechiens Universitäten und Schulen weiterentwickeln wird, hängt maßgeblich von den Entscheidungen der Politik ab.

Autor: Marion Riese
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