Alternative Medizin steckt noch in Kinderschuhen – die Kinesiologin Cornelia Franzisky

Cornelia Franzisky (Foto: Autorin)

Warum denn nach Prag gehen? Eine alte Steinbrücke haben wir auch in Heidelberg – dachte sich Cornelia Franzisky. Aber dann zog sie doch in die Stadt an die Moldau. Ein Jahr ist das nun schon wieder her. Sich in Prag einzuleben, ist Cornelia Franzisky schließlich nicht so schwer gefallen, wie sie befürchtet hatte. Internationale Frauenklubs haben ihr dabei geholfen. Und auch beruflich konnte sie sich in Prag etablieren. Cornelia Franzisky ist Heilpraktikerin und Kinesiologin, sie hilft geplagten Zeitgenossen, mit ihrem Stress fertig zu werden. Wie sie das macht und was sie in Prag gut findet und was weniger gut, das erfahren Sie im folgenden Gespräch.

Frau Franzisky, Sie leben seit Juli 2008 in Prag, was hat Sie hierher geführt?

„Die Arbeit meines Mannes hat mich hierher geführt. Er hat von seinem Arbeitgeber das Angebot bekommen, hier für drei Jahre eine Geschäftsführung zu übernehmen, und durch dieses Angebot sind wir überhaupt erst auf die Idee gekommen, nach Prag zu gehen.“

Sind Sie gerne nach Prag gekommen?

„Eigentlich nicht, zumal ich selbstständig bin und in der Nähe von Heidelberg als Heilpraktikerin eine eigene Praxis geführt habe. Und es war klar: Wenn ich mit meinem Mann nach Prag umziehe, dann muss ich meine Praxis schließen oder verkaufen, und das war erst einmal ein weinendes Auge.“

Heidelberg ist eine sehr attraktive Stadt, da hat man ja auch nicht viel Grund, nach Prag zu wechseln …

„Ja, genau. Das kommt noch dazu. Heidelberg hat auch eine schöne alte Steinbrücke, es hat so etwas Ähnliches wie ein Schloss am Berg, die Zahnradbahn, eine kleine Altstadt und im Sommer viele Touristen. Also es hat auch etwas Romantisches an sich, und ich dachte bei mir: Heidelberg ist doch schön, da könnte man genauso gut bleiben. Aber als ich dann Prag gesehen hatte, wurde mir bewusst, dass das doch ein großer Unterschied ist.“

Sie haben drei Kinder, sind die mit nach Prag gekommen?

„Die sind nicht mitgekommen, sie waren auch alle drei sehr erstaunt, was wir da vorhaben. Es gab sogar Tränen, aber wir haben den Kindern dann erklärt, dass Prag ja wirklich nicht so weit weg ist, mit dem Auto sind es nur fünfeinhalb Stunden. Und die Kinder sind schon groß und aus dem Haus, aber trotzdem war es am Anfang eine Umstellung für sie, dass wir jetzt hier sind.“

Sie haben schon erwähnt, dass Sie in Neckargmünd bei Heidelberg eine Heilpraxis betreiben. Das ist eine Heilpraxis, die auf Kinesiologie beruht. Das Wort Kinesiologie ist aus dem Altgriechischen entlehnt und bedeutet ‚Lehre von der Bewegung’. Können Sie dieses Verfahren etwas näher beschreiben?

„Das ist die Lehre von den Bewegungsabläufen des menschlichen Körpers. Ein Mittel oder eine Methode, die wir in der Kinesiologie anwenden, ist der so genannte ‚kinesiologische Muskeltest’. Das heißt, ich kann individuell bei jedem Patienten austesten, wo sitzt Stress im Körper, oder welcher Punkt oder Meridian im Körper ist jetzt genau der, den wir klopfen oder halten müssen, um Schmerzen zu lindern.“

Ein Bestandteil des Heilverfahrens der Kinesiologie ist das Gespräch mit dem Patienten. Nun sind Sie hier in Prag und Ihre Umgebung ist tschechisch. Wie führen Sie die Patientengespräche hier?

„Leider kann ich mit tschechischen Patienten nicht arbeiten, das geht wirklich noch nicht. Ich nehme Tschechischunterricht, seit ich hier bin, und kann auch schon ein paar Sätze sagen, aber es wäre nicht möglich, mit tschechischen Patienten kinesiologisch zu arbeiten.“

Dennoch üben Sie Ihren Beruf auch hier in Prag aus. Heißt das, dass Sie ausländische Klienten und Klientinnen haben?

„Durch meine Klubabende, bei denen ich mich mit Leuten treffe, die ich hier schon kennen gelernt habe – Deutsche, aber auch Tschechen und Tschechinnen, die zum Teil sehr gut Deutsch sprechen, oder auch Engländer –ist immer wieder einmal ein Kontakt entstanden und es hat sich eine Nachfrage nach einer kinesiogischen Behandlung ergeben.“

Darf man das überhaupt in Tschechien, Kinesiologie betreiben?

„Ja, Gott sei Dank darf man Kinesiologie betreiben. Der Heilpraktiker nützt mir hier wenig, den habe ich in Deutschland gemacht, und da hat er auch seinen Wert. Das ist ein Titel und eine Anerkennung. Hier kennt man den Heilpraktiker nicht. Aber kinesiologisch darf ich hier arbeiten.“

Was ist der Unterschied zwischen Heilpraktiker und Kinesiologe?

„Der Heilpraktiker ist eine allgemeine medizinische Ausbildung mit einem Abschluss. Danach kann man viele verschiedene Behandlungsmethoden anwenden. Das fängt bei der Homöopathie an und hört bei Phytotherapie auf. Und mein Schwerpunkt ist halt die Kinesiologie.“

Ist die Kinesiologie in Tschechien auch so bekannt und verbreitet wie in Deutschland?

„Ich glaube nicht. Ich habe schon etliche Menschen getroffen – meistens waren es Frauen, die schon von Kinesiologie gehört hatten und mir dann auch ganz begeistert zugehört haben. Aber ein ähnlich großes Angebot an Kinesiologen wie in Süddeutschland gibt es hier sicher nicht.“

Wie sehen Sie denn die Lage der Medizin in Tschechien überhaupt? Ist die alternative Medizin Ihrer Ansicht nach hier schon genug entwickelt?

„Nein, ich denke, da ist noch Etliches zu tun. Die steckt noch in den Kinderschuhen. Das ist das Bild, das ich von der alternativen Medizin hier habe. Die muss sich in den nächsten Jahren erst noch entwickeln.“

Können Sie einen Fall einer Behandlung erzählen, die Sie hier in Tschechien hatten?

„Ich hatte eine Klientin, die vor anderthalb Jahren mit ihrem Mann nach Prag gezogen ist. Seitdem hatte sie bestimmte Schmerzen in der Schulter. Wir fanden heraus, dass die Schmerzen tatsächlich mit dem Thema Umzug zu tun hatten. Die Klientin war vorher, vor vielen Jahren, schon einmal umgezogen, und dieser Schmerz hatte damals angefangen. Dann ging er wieder weg, und durch den Umzug nach Prag kam er wieder hoch. Wir konnten diese Ursache klären, und der Klientin geht es heute deutlich besser.“

Sie bieten Beratung bei Stress an. Auch bei Schulproblemen, bei Partnerschaftsproblemen, oder auch Beratung für Manager. Ich denke, da könnte es auch hier in Tschechien Bedarf geben, denn wie ich die Situation kenne, sind gerade Manager, die im Ausland sind, besonders unter Stress. Sie müssen einerseits die Vorgaben der Mutterfirma zu Hause erfüllen, andererseits sind sie hier mit den Wünschen und Möglichkeiten der Mitarbeiter vor Ort konfrontiert, und diese beiden Ansprüche passen nicht immer gut zusammen …

„Das kann ich mir vorstellen. Ich habe auch schon das eine oder andere Gespräch in dieser Richtung geführt. Aber viele Männer haben Berührungsangst. Sie haben ein wenig Angst davor, was da auf sie zukommt und ob sie nicht irgendwie getestet werden oder ich nicht irgendetwas über sie herausfinde. Da ist eine starke Vertrauensbasis erforderlich, damit die sagen, ich komme einmal vorbei und wir machen eine Sitzung.“

Sie haben diese eine Klientin von Ihnen erwähnt, der es schwer gefallen ist, sich nach dem Umzug nach Prag hier einzugewöhnen. Sie selbst haben auch gezögert, als Sie ins Ausland ziehen sollten. Wie ist das dann bei Ihnen gelaufen, wie haben Sie hier gesellschaftlich Anschluss gefunden?

„Das ging schneller, als ich gedacht hatte. Ich hatte zuerst Befürchtungen, da ich in Neckarmünd die Praxis und meine Familie hatte. Ich dachte, ich komme hierher und bin erst einmal allein. Das war jedoch nicht der Fall. Wir haben uns gleich umgesehen, haben das ‚German Dinner’ gefunden und sind dann mit anderen Deutschen dorthin zum Essen gegangen. Dabei konnte ich erste Kontakte knüpfen. Dann hat mir eine Frau von der International Women’s Association erzählt. Ich habe sie einmal begleitet und fand auch dort neue Bekanntschaften.“

Sie haben das ‚German Dinner’ erwähnt, also das‚ Deutsche Abendessen’ und den Internationalen Frauenklub, die International Women’s Association. Das könnte auch unsere Hörer und Hörerinnen interessieren. Vielleicht möchte sich jemand diesen Gruppen anschließen. Können Sie erzählen, wie oft sich diese Gruppen treffen, wo man sie findet und was sie so machen?

„Die Deutschen vom ‚German Dinner’ treffen sich einmal alle vier bis sechs Wochen. Dann gibt es hier in Prag mittags um zwölf noch das Newcomers’ Lunch. Da können alle kommen, sowohl diejenigen, die Mitglied sind, oder auch Leute, die diese Gruppe erst kennen lernen möchten. Das ist eine große Runde, manchmal kommen fünfunddreißig und mehr Frauen.“

Sie haben sich also in Prag eingelebt und konnten hier Anschluss finden. Aber sicher gibt es auch etwas, was Ihnen weniger gefällt. Was stört Sie an Prag am meisten?

„Am Anfang hat es mich gestört, dass ich im Supermarkt nicht so viel frisches Obst und Gemüse bekommen habe, wie ich es von zu Hause gewohnt war. Da musste ich mich umstellen. Ansonsten – am Wochenende waren wir mit dem Fahrrad im Stadtzentrum und wollten eigentlich mit dem Fahrrad in der Straßenbahn zurückfahren. Das geht hier nicht, und das ist schade. Das würde uns gefallen, wenn wir mit dem Fahrrad in der Tram zurückfahren könnten. Und manchmal sehe ich ältere Leute, die nicht mehr gut zu Fuß sind und trotzdem schwere Taschen mitschleppen. Dann denke ich mir: Den älteren Leuten geht es hier nicht so gut wie bei uns. Mit Sicherheit nicht.“