Arbeitsmarktkrise: Umstrittenes „Švarc-System“ soll neuem Arbeitsgesetz weichen

Es kriselt in Tschechien. Im Januar war der bisher größte Zuwachs an Arbeitslosen in einem Monat zu verzeichnen. Das lässt die Nervosität steigen; bei Unternehmern, Wirtschaftsexperten und Politikern. Zur Bewältigung der Misere auf dem Arbeitsmarkt werden deshalb nun auch Vorschläge ins Spiel gebracht, die gültigen Gesetzen zufolge eigentlich untersagt sind. Eine solche Variante ist das so genannte „Švarc-System“.

„Schon heute zeigt sich, dass die Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union stetig steigt. In der Tschechischen Republik sind alleine in den letzten zwei Monaten 40.000 neue Arbeitslose hinzugekommen“,

machte der EU-Ratsvorsitzende und tschechische Premier Mirek Topolánek keinen Hehl daraus, worin derzeit eine der wichtigsten Aufgaben für die Union als auch für Tschechien besteht: die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Um ihrer Herr zu werden, müssten notfalls auch Schritte unternommen werden, die gestern noch undenkbar waren. Zum Beispiel die Legalisierung des Švarc-Systems, was auch von einigen Mitgliedern des Nationalen Wirtschaftsrates empfohlen wurde. Doch was ist das „Švarc-System“ überhaupt?

Petr Nečas
Anfang der 90er Jahre hatte der Unternehmer Miroslav Švarc eine für seine Baufirma revolutionierende Idee: Er kündigte all seinen Arbeitnehmern den Arbeitsvertrag, um sie schnurstracks auf andere Weise weiter zu beschäftigen – auf der Basis eines Gewerbescheins. Dadurch sparte der Unternehmer Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge. Das ist per Gesetz seit 1992 verboten und deshalb musste Švarc dafür auch für drei Jahre hinter Gitter. Die schwer kontrollierbare und somit auch weiter gängige Praxis, Arbeitnehmer als „freie feste Angestellte“ zu beschäftigen, trägt seitdem seinen Namen.

Jetzt soll das „Švarc-System“ also unter Umständen legalisiert werden. Arbeitsminister Petr Nečas jedenfalls zeigte sich zunächst nicht abgeneigt, diese Form der Beschäftigung salonfähig zu machen. Er begründet das so:

„Das herausragende Beispiel sind die Sekretärinnen und Sekretäre der Abgeordneten und Senatoren. Das ist ein klassisches Beispiel der Anwendung des Švarc-Systems. Mir erscheint es daher ein wenig bizarr, dass sich auf der einen Seite der Staat in seinen obersten Institutionen dieses System zu Nutze macht, es den Subjekten aus der Unternehmersphäre aber untersagt wird. Suchen wir daher nach Möglichkeiten, wie der Arbeitsmarkt durchlässiger gemacht werden kann, und vor allem, wie wir neue Arbeitsplätze schaffen können.“

Milan Štěch
Die Gedanken des Ministers aber werden nicht von allen mitgetragen; weder von den Unternehmern und erst recht nicht von den Gewerkschaftern. Für kleinere Unternehmen habe das System eher den Effekt, dass die Arbeitnehmer von dem unattraktiveren Arbeitsverhältnis Abstand nehmen, schließlich verringern sich dadurch unter anderem ihre Rentenansprüche. Der Chef des nationalen Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS, Milan Štěch, kritisierte in diesem Zusammenhang den Premier: Er regiere im Stil „nach mir die Sintflut“. Tatsächlich Schuld an den Überlegungen zur Einführung des Švarc-System aber sei das unflexible Arbeitsgesetz, behauptet der Präsident des Verbandes für Industrie und Verkehr, Jaroslav Míl. Arbeitsminister Petr Nečas hat daher inzwischen nicht ohne Grund erste Überlegungen in Richtung einer Reform angestellt. Mögliche Änderungen zum Arbeitsgesetz würden aber frühestens im nächsten Jahr greifen, da der entsprechende Gesetzesvorschlag erst noch ausgearbeitet, verhandelt und im Parlament verabschiedet werden muss.