„Wir haben einen anderen Ansatz“ - EGB-Chefin Ségol trifft Nečas in Prag

Bernadette Ségol (Foto: Archiv des Europäischen Gewerkschaftsbundes)

Ende des Monats beraten sich erneut die europäischen Staats- und Regierungschefs. Beim Gipfel in Brüssel soll die Arbeitslosigkeit in der EU eines der zentralen Themen sein. Im Vorfeld des Treffens reist die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Bernadette Ségol, durch die Hauptstädte. Sie wirbt für einen Kurswechsel zu einer sozialeren Politik. Am Montag war Ségol in Prag – und traf sich mit Premier Petr Nečas und Staatspräsident Miloš Zeman.

Bernadette Ségol  (Foto: Archiv des Europäischen Gewerkschaftsbundes)
Tschechien spart seit einigen Jahren im Staatshaushalt stark ein, um diesen zu konsolidieren. Austeritätspolitik heißt dies im Fachjargon. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hält eine solche Politik angesichts dramatisch steigender Arbeitslosenzahlen und sinkender Löhne schlichtweg für falsch. Bernadette Ségol gegenüber Radio Prag:

„Das soziale Europa ist das Opfer der Krise, die wir durchgemacht haben. Man hat die Sozialsysteme zerstört und den sozialen Zusammenhalt. Unsere grundlegende Botschaft lautet daher: Wenn Ihr damit nicht aufhört und aus der Europäischen Union einen reinen Markt macht, dann werdet Ihr auch die Unterstützung jener Bürger verlieren, die bisher das europäische Projekt unterstützen.“

Petr Nečas  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Ségol forderte daher auch bei ihrem Besuch in Prag vier Punkte: soziale Mindeststandards, ein Investitionsprogramm für Wachstum und Beschäftigung, eine so genannte Jugendgarantie sowie eine Harmonisierung der Steuerpolitik.

Der linksgerichtete Staatspräsident Zeman stimmte beim Treffen mit Ségol in allen Punkten überein. Ganz anders jedoch Premier Nečas. Der politisch konservative, wirtschaftlich aber liberale Regierungschef wird indes Tschechien Ende Juni in Brüssel vertreten. Die Differenzen zeigten sich zum Beispiel beim Vorschlag des Gewerkschaftsbundes, in Europa eine einheitliche Körperschaftssteuer von 25 Prozent einzuführen. Erst auf Nachfrage von Journalisten nahm Nečas nach der Unterredung mit Ségol dazu Stellung – und bezeichnete diesen Steuersatz als Gift für die Konkurrenzfähigkeit:

Foto: Archiv des Informationszentrums für Jugendliche und Jugendarbeit
„Wenn ich einen drastischen Vergleich nehmen darf: Das ist für die tschechischen Firmen wie wenn sie an einem Wettlauf teilnähmen, man ihnen in den Oberschenkel schießt, und dann aber verlangt, dass sie eine Medaille holen.“

Bei der Arbeitslosigkeit, vor allem bei den fehlenden Möglichkeiten für Jugendliche, sieht indes auch Nečas Handlungsbedarf. In einem Atemzug sagte er aber, Tschechien habe im europäischen Vergleich in den vergangenen Jahren immer gut abgeschnitten. Ségol warnte hingegen davor, die Lage rosig zu malen.

„Laut der Einschätzung von Ministerpräsident Nečas ist die Arbeitslosigkeit in Tschechien geringer als in vielen anderen EU-Ländern. Wir wissen aber auch, dass die Arbeitslosigkeit hierzulande noch nie so hoch lag wie jetzt. Und auch die Risiken der Verarmung spielen in Tschechien eine wichtige Rolle.“

Foto: Europäische Kommission
Nicht zuletzt unterschieden sich die Vorstellungen beider Gesprächspartner auch bei möglichen Maßnahmen, wie die Gewerkschaftschefin zugab:

„Der tschechische Ministerpräsident hofft eher darauf, die Beschäftigung durch Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt anzukurbeln – also auf eine Flexibilisierung des Marktes. Das ist aber nicht unser Ansatz.“

Welches Konzept die Staats- und Regierungschefs bevorzugen, dass zeigt sich am 27. und 28. Juni – falls die wichtigen Entscheidungen nicht vertagt werden.