Streit um Rente mit 67: Gewerkschaftsprotest macht Regierung nachdenklich
Die tschechischen Arbeitnehmer gehen meist vorzeitig in Rente. Kaum einer erreicht die vorgesehene Altersgrenze, im Schnitt verlassen sie bereits mit 57 Jahren den produktiven Prozess. Und das ist selbst im europäischen Vergleich ziemlich früh. Leisten kann sich das Tschechien aber nicht: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt enorm und die Finanzierung der Renten ist schon heute nicht mehr gesichert. Nun ist die liberal-konservative tschechische Regierung von Premier Petr Nečas dabei, im Rahmen der so genannten kleinen Rentenreform eine Erhöhung des Renteneinstiegsalters durchzusetzen. Gewerkschaften und linksgerichtete Opposition sind aufgebracht.
„Die Vorstellung, dass die Menschen bis 67 Jahre, 71 Jahre oder 75 Jahre arbeiten werden, ist irreal“, befand Sozialdemokratenchef Bohuslav Sobotka.
Das Renteneinstiegsalter wird in den letzten Jahren ohnehin bereits schrittweise erhöht. Eine tschechische Spezialität dabei: Frauen dürfen die Zahl ihrer Kinder anrechnen. Für Männer ist derzeit mit rund 62 Jahren Schluss und für Frauen spätestens mit 61 Jahren, abzüglich etwa eines Jahres je Kind. Auch das will die Regierung ändern, so dass im Jahr 2041 Frauen und Männer mit 67 in Rente gehen. Die Erhöhung des Renteneinstiegsalters hält Premier Petr Nečas für unausweichlich. Er verweist auf den Druck durch die ungünstige demographische Entwicklung:
„Die Parameter im derzeitigen Rentensystem müssen dringend geändert werden. Entsprechende Schritte hätte jede Regierung früher oder später vornehmen müssen. Ich bin froh, dass ich an der Spitze einer Regierung stehe, die das Rentensystem nicht nur durch die Brille der nächsten Wahlen betrachtet, sondern einige Legislaturperioden nach vorne blickt.“Ursprünglich wollte die Regierung für spätere Generationen sogar eine unbegrenzte Anhebung der Altersgrenze - über 67 Jahre hinaus - möglich machen. Doch angesichts des Gewerkschaftsprotestes hat Premier Nečas beschlossen, diesen Passus nun zu streichen – also noch vor der abschließenden Behandlung der Rentenreform im Abgeordnetenhaus in der kommenden Woche. Es ist das bisher deutlichste Ergebnis des Streiks vom Donnerstag. Die Stimmung verbessert hat das aber nicht, Gewerkschaften und Opposition vermissen eine Differenzierung nach Berufen. Josef Středula, Gewerkschaftsvorsitzender der Metaller in Tschechien, wetterte bei einem Rundfunkauftritt:
„Da können wir mit den Arbeitgebern ja gleich einen Aufschlag zum Abtransport der Toten vom Arbeitsplatz aushandeln. Das ist nicht zynisch, sondern die Realität. Schon jetzt können wir uns nicht vorstellen, dass jemand in einem körperlich anstrengenden Beruf noch im Alter zwischen 60 und 65 Jahren arbeitet.“Fachleute sagen indes, dies sei keine Frage des Renteneinstiegsalters, sondern der Tarifsabsprachen in jeder Branche. Bis zum Streik hatte die tschechische Regierung keine Lösung dieses Problems angedeutet. Neuesten Meldungen nach könnten aber nun doch für bestimmte Berufe Ausnahmen geschaffen werden – so wie dies bis Anfang der 90er Jahre war. Damals gingen Bergleute und andere hart arbeitenden Beschäftigte bereits mit 55 Jahren in Rente. Allerdings dürften die Diskussionen kaum verstummen, nur dass es dann wohl darum geht, wer zur hart arbeitenden Bevölkerung überhaupt gehört.