„Stellen Sie sich auf die Hölle ein“ – Streit um die Rentenanpassung in Tschechien

Derzeit erhitzt ein Thema ganz besonders die Gemüter im tschechischen Abgeordnetenhaus: die Anpassung der Renten an die Inflation. Denn die Regierung hat entschieden, im Juni die Altersbezüge nur zur Hälfte dessen zu erhöhen, was derzeit das Gesetz vorschreibt. Die Opposition hat erbitterten Widerstand angekündigt.

Marian Jurečka | Foto:  Regierungsamt der Tschechischen Republik

Jedes Jahr wird in Tschechien die Rente um die Inflationsrate erhöht und um die Hälfte der Reallohnsteigerung. Sind die Verbraucherpreise seit der letzten Rentenanpassung aber mehr als fünf Prozent angestiegen, kommen weitere Anpassungen hinzu. So sieht es das entsprechende Gesetz vor. Im Juni steht genau eine solche außerplanmäßige Rentenerhöhung bevor. Doch die tschechische Regierung hat am Montag entschieden, dass die Anpassung niedriger ausfallen soll als eigentlich vorgeschrieben.

Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten) erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Der Mechanismus zur Anpassung der Renten ist nicht geschaffen worden für den Fall hoher Inflationsraten. In den vergangenen Monaten hat sich deswegen die Schere zwischen niedrigen und hohen Renten weiter geöffnet. Das ist einer der Gründe, weswegen wir das entsprechende Gesetz ändern wollen.“

Konkret sollen die Altersbezüge im Juni um 2,3 Prozent steigen. Und außerdem erhält jeder Rentner noch 400 Kronen (17 Euro) im Monat mehr – von diesem Festbetrag sollen gerade die Bezieher niedriger Renten profitieren.

Die Ruhegelder würden sich damit laut den Berechnungen der Regierung um 760 Kronen (32 Euro) erhöhen. Gemäß der derzeitigen Regelung müssten sie aber eigentlich um 1770 Kronen (75 Euro) angehoben werden.

Für diese Einsparungen hat sich das Kabinett aus zwei Gründen entschlossen.

„Die Ausgaben würden auch in den nächsten Jahren den Staatshaushalt stark belasten. Dabei müssen wir derzeit zum Beispiel auch im Blick haben, welchen Bedarf an Unterstützung diejenigen haben, die im produktiven Alter sind und arbeiten, aber zugleich Kinder großziehen. Ihre finanzielle Lage ist derzeit deutlich schlechter als die der Menschen im Ruhestand, deren Renten voll an die Inflation angepasst wurden. Da geht es auch um eine bestimmte Solidarität zwischen den Generationen“, so Jurečka.

Und nicht zuletzt verweist der Minister darauf, dass das Rentenniveau derzeit deutlich ansteigt. Vor anderthalb Jahren habe die Durchschnittsrente noch bei nicht ganz 40 Prozent des Durchschnittslohns gelegen, so der Minister. Derzeit sind es aber 48 Prozent, das entspricht etwa dem Wert in Deutschland. Und ab Juni läge das Niveau bei über 50 Prozent, käme es zur Anpassung in vorgeschriebener Höhe.

Andrej Babiš | Foto: Martin Vaniš,  Radio Prague International

Um sein Vorhaben durchzusetzen, bringt das Kabinett am Dienstag kommender Woche ein geändertes Gesetz über die Rentenanpassung ins tschechische Parlament. Die Opposition hat jedoch harten Widerstand angekündigt. Der Vorsitzende der Partei Ano, Andrej Babiš, kündigte „die Hölle“ an für die Regierungskoalition. Man werde alle Register ziehen, sagte auch Ano-Vizechefin und Ex-Finanzministerin Alena Schillerová. Damit will die größte Oppositionskraft zusammen mit der Rechtsaußenpartei „Freiheit und direkte Demokratie“ eine rechtzeitige Verabschiedung des Gesetzes verhindern. Schillerová vermutet, dass die Regierungskoalition bei der Haushaltsplanung für dieses Jahr einfach geschlampt hat und nun die Rentner darunter leiden sollen:

„Als ehemalige Finanzministerin habe ich schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierung keine einzige Krone für eine außerplanmäßige Rentenanpassung im Budget vorgesehen hat. Und jetzt will sie dieses Problem lösen, indem sie diese Anpassung gesetzeswidrig absenkt.“

Im tschechischen Parlament könnte es nun zu einem spannenden Rennen mit der Zeit kommen. Denn das geänderte Gesetz über die Rentenanpassung müsste bis 22. März im Amtsblatt veröffentlicht werden, um noch zum Juni in Kraft zu treten.

Das Interessante dabei: Es geht nur um eine einmalige Änderung des Gesetzes. Denn die Regierung war leicht geschockt, als die Januar-Zahlen zur Preissteigerung in Tschechien veröffentlicht wurden. Die Inflationsrate hatte sich auf 17,5 Prozent erhöht, obwohl man eigentlich von einer sinkenden Tendenz ausgegangen war.

Wirtschaftsexperten mahnen aber, dass die Art und Weise der Rentenanpassung dauerhaft geändert werden müsste – damit diejenigen mit niedrigeren Altersbezügen nicht regelmäßig schlechter dastehen. Die Regierung habe dies im Blick, sagt Marian Jurečka:

„Im Rahmen der Rentenreform soll auch das System für die Anpassung der Altersbezüge geändert werden – damit bei etwaigen erneuten hohen Inflationsraten die Schere zwischen den niedrigen und den hohen Rentenzahlungen und zwischen den Rentnern und dem Rest der Bevölkerung nicht noch weiter aufgeht.“

Die Rentenreform soll 2024 in Kraft treten. So lautet zumindest der Plan der Regierung. Die Diskussion innerhalb der tschechischen Gesellschaft ist aber noch längst nicht abgeschlossen, denn es geht unter anderem um die Anhebung des Renteneinstiegsalters. Ob also der Zeitrahmen eingehalten werden kann, muss offen bleiben.