Auf den United Islands feiert man sich selbst und ein bisschen auch die EU

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150 Stunden Musik. Etwa 100 Bands aus 20 Ländern. Und das an drei Tagen. So die Eckdaten des Festivals United Islands, das am vergangenen Wochenende auf den Prager Moldauinseln über insgesamt sieben Bühnen ging. Trotz des unbeständigen Wetters kamen zehntausende Besucher, nicht nur – aber sicher auch – weil der Eintritt frei war.

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Vorbei am Nationaltheater, durch die Nationalstraße in Richtung Wenzelsplatz trug der frische Wind die Klänge internationaler Künstler bis weit in die Prager Innenstadt hinein. In der Gegenrichtung strömten die Menschenschlangen in Richtung Moldauinseln, um – den regelmäßigen Regenschauern zum Trotz – auf musikalische Entdeckungsreise zu gehen.

Auf der Most legií, der Brücke der Legionen, bogen die Reggae-Fans auf die Schützeninsel ab. Freunde von Jazz- und Experimentalmusik zogen weiter ans andere Flussufer. Dort, auf der Kampa-Halbinsel, begann am Freitagnachmittag das Festivalprogramm mit dem Auftritt von „Evropu sletíme“, einem internationalen Projekt der tschechischen Schlagzeugerlegende Pavel Fajt. Eine Gruppe von Schlagzeugern und Percussionisten aus aller Welt breitet einen Rhythmusteppich aus für den atmosphärischen Gesang einer zierlichen, asiatischen Frau in traditionellen, japanischen Gewändern. Fast unmöglich, das in eine musikalische Schublade einzuordnen. Experimentaler Ethnofolk trifft es vielleicht am ehesten. Mindestens genauso unmöglich erscheint aber auch die Übersetzung des Bandnamens „Evropu sletíme“. Das bedeutet soviel wie „In Europa lassen wir uns nieder“. Für die internationalen Gäste – laut Veranstaltern immerhin ein Drittel der 40.000 Besucher – hat man es sich mit der Übersetzung einfacher gemacht. „European Sugar“ steht im englischen Programm, „Europäischer Zucker“ also. Frei nach der Werbekampagne der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft „Evropě to osladíme“ („Wir werden es Europa versüßen“).

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Der Zusammenhang ist sicherlich nicht zufällig. Denn mit dem ersten United Islands Festival im Jahr 2004 feierte Tschechien seinen Beitritt zur EU. Und seitdem feiert man auf den United Islands, den Vereinigten Inseln, jedes Jahr zu Sommerbeginn die tschechische Mitgliedschaft in der Europäischen Union mit einem umfangreichen und bunten Musikprogramm. Dabei setzt man eher auf Geheimtipps als auf Stars, erklärt David Gaydečka, der Chefdramaturg des Festivals:

„Der Grundgedanke der United Islands ist - wie in jedem Jahr – die größtmögliche Auswahl an Musikgenres und -stilen anzubieten. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, Bands zu präsentieren, die die meisten noch nicht kennen, und von denen wir glauben, dass es schade ist, dass sie so unbekannt sind. Das können zum Beispiel Bands sein, die gerade erst angefangen haben, und deren Schaffen wir für besonders originell halten, oder auch Bands, die schon lange zusammen spielen, aber von der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen wurden.“

Mit anderen Worten: Auf den United Islands kann man noch echte Entdeckungen machen. Eine solche war in diesem Jahr die Band Orka. Nicht nur mit ihren ungewöhnlichen Arrangements und ihren durchweg selbstgebauten Instrumenten passt Orka geradezu perfekt in das United-Islands-Konzept. Die „Orkas“ sind auch Inselbewohner. Die fünf Musiker kommen aus dem hohen Norden, von den Faröer Inseln. Ihre für mitteleuropäische Ohren geradezu exotisch klingende Musik wurde vom Prager Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Aber auch für die Band selbst war der Auftritt eine besondere Erfahrung, wie der Schlagzeuger nach dem Konzert leicht berauscht erzählt:

„Ich bin wirklich mehr als begeistert. Das Publikum war super und man hat gemerkt, dass es ihnen gefällt. Es war einfach super. Wir waren ganz in unserem Element und haben improvisiert. Das war wirklich einer der schönsten Auftritte, den ich bisher gehabt habe.“

Von dem Grundgedanken des United-Islands-Festivals, die Europäische Union zu feiern, hält der Musiker allerdings nicht viel, genau so wenig, wie von Politikern im Allgemeinen. Langweilig seien die. Sein Vater sei im Übrigen auch Politiker, schiebt er hinterher.

N.O.H.A.  (Foto: Carlos Ferrer)
Auch wenn nicht jeder solche familiären Altlasten mit sich trägt, der politische Aspekt des United-Islands-Festivals stand auch für die meisten Besucher eher im Hintergrund.

„Ein schönes Konzert, aber als Feier der EU… Ich bin froh, dass wir da Mitglied sind, aber für mich ist das kein Grund zum Feiern, wie zum Beispiel die Gründung der Tschechoslowakei 1918“, meint diese junge Tschechin. Einer ihrer tschechischen Begleiter meinte gar in perfektem Deutsch: „Was hat denn das mit diesem Festival zu tun? Das wusste ich gar nicht.“ „Eigentlich bin ich nur hier, um Bands zu sehen“, sagt seine deutsche Freundin.

Dabei war der diesjährige sechste Jahrgang von United Islands ein besonderer Jahrgang. Man feierte nicht nur das Jubiläum von fünf Jahren EU-Mitgliedschaft Tschechiens. 2009 bildete das Festival außerdem den Abschluss des offiziellen kulturellen Rahmenprogramms der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Im Rahmen des Festivals wurde der EU-Vorsitz an Bord eines Boots symbolisch an Schweden übergeben.

„Diese Moldaubrücken, auf denen sich die Besucher frei zwischen den Ufern und den einzelnen Inseln bewegen können, symbolisieren den Grundgedanken der EU. Und damit erinnert das Festival auch an das Motto der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft ´Europa ohne Barrieren´“, hatte der tschechische Europaminister und Schirmherr der United Islands, Štefan Füle, noch wenige Tage zuvor philosophiert.

Ob die Musikfans auf den Moldauinseln sich aber an das Motto der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft erinnern wollten oder nicht, ob sie den europäischen Gedanken feiern wollten oder nicht, all das ist eigentlich egal. Wer will schon beim Feiern an Politik denken? Der österreichische Musiker Raphael Wressnig jedenfalls glaubt, auch ohne hochtrabende, politische Symbolik bringen Festivals wie United Islands den europäischen Gedanken unters Volk:

„Das Konzept, das hinter dem Festival steht, sollte vielleicht noch viel öfter eine Motivation sein, und vielleicht sollte sich die EU auch noch öfter einbringen und so etwas sponsern. Vielleicht werden dann die Leute plötzlich merken, wie toll das eigentlich ist, was die EU darstellt.“

Gleich darauf heizte Raphael Wressnig dem Publikum mit seinem Jazzquartett ordentlich ein. Die Menge tanzte und tobte. Politik hin oder her - die friedliche, internationale Atmosphäre des Wochenendes auf den Prager Moldauinseln sprach für sich.