Ausstellung Figurace: Gemälde und Statuen in Prager Galerie Atrium

Foto: Archiv von Jiří Středa

Im Prager Stadtteil Žižkov wurde eine ungewöhnliche Ausstellung eröffnet. In der Galerie Atrium sind unter dem Titel „Figurace“ die Bilder und Skulpturen des Malers Jiří Sopko und des Bildhauers Jiří Středa zu sehen.

Foto: Archiv von Jiří Sopko
In einer charmanten alten Barockkirche ist die Galerie Atrium untergebracht. Sie steht in einer Parallelstraße zum Prager Fernsehturm im Stadtteil Žižkov. Unter dem Namen „Figurace“ sind dort derzeit die Exponate von zwei Künstlern zu sehen, die sich dem Begriff der Figur auf zwei verschiedenen Wegen nähern: einmal durch Gemälde und einmal durch Bildhauerei. Dušan Brozman ist Kunsthistoriker und Kurator der Ausstellung. Er hat die beiden Künstler zusammengebracht:

„Die Idee ist mir gekommen, als ich auf dem Platz beim Nationaltheater die grüne Statue ‚Co víme‘ von Jiří Středa gesehen habe.“

Jiří Středa  (Foto: Archiv von Jiří Středa)
Jiří Středa ist der jüngere der beiden Künstler. 1956 im ostböhmischen Náchod geboren, studierte er in Prag an der Akademie der bildenden Künste. Seinen Abschluss machte er 1982, seine erste eigene Ausstellung hatte er 1986 in seiner Heimatstadt Náchod. Středa schafft Figuren in klassischen Formen, sie erinnern ein wenig an griechische Statuen. Die Figur „Co víme“ (Was wir wissen) zeigt einen nackten Mann, der mit in die Höhe gereckter Nase und erhobenem Zeigefinger dasteht. Kurator Brozman:

„Bei der Farbe und der Plastizität dieser Figur, mit ihrer klassizistischen Schönheit, ist mir sofort Jiří Sopko eingefallen. Aber auch, weil die Figur in die Höhe zeigt und in die Höhe blickt. Außerdem ist sie mit Sopkos Werk wegen der Groteske und wegen ihres Existentialismus verbunden.“



Jiří Sopko  (Foto: NoJin,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Jiří Sopko kam 1942 in der Karpatenukraine auf die Welt. Seine Eltern waren als Staatsangestellte in der Ersten Tschechoslowakischen Republik in diesen östlichen Zipfel des Landes geschickt worden. Nachdem die Karpatenukraine nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion fiel, kehrte die Familie in die Tschechoslowakei zurück. Sopko studierte 1960 bis 1966 an der Prager Akademie der bildenden Künste, seine erste Ausstellung hatte er noch während des Studiums 1967 in Prag. Er begann mir Porträtmalerei und gehörte bereits Ende der 1960er Jahre zu den führenden Vertretern einer neuen Figürlichkeit und später auch der „tschechischen Groteske“ in der Malerei. Er experimentierte gerne, zum Beispiel mit Farben. Die deutlichen grünen, roten, gelben und rosa Töne wurden dann auch eines seiner Markenzeichen. Es sind aber nicht nur die Farben und die Figuren, die beide Künstler verbinden, meint Brozman:

Foto: Archiv von Jiří Sopko
„Die Werke der beiden sind auch automatisch dadurch verbunden, dass bestimmte neuere Figuren von Jiří Středa aus Epoxidharz bestehen. Sie sind farbig und ähneln sehr Aquarellen durch eine Lasur mit einem feinen Farbauftrag. Hier ergibt sich die Parallele zu den Aquarellen von Jiří Sopko.“

Sopko gilt als scheu, er stellt auch seine Bilder nur ungern aus. Eigentlich male er hauptsächlich, um sich auszudrücken, sagt der 72-Jährige:

„Ich male schon seit meiner Kindheit. Es ist meine Art, auf die Welt zu reagieren und Antworten auf Fragen zu finden, die mich quälen. Diese Antworten sind aber in den Bildern auch nicht leicht zu erkennen, dies ist wohl meine Art, auf die Welt zu reagieren, in der ich lebe.“

Eines seiner Bilder aus der Ausstellung zeigt einen Menschenkopf vor einem grünen Hintergrund. Obwohl die Zeichnung schnörkellos und einfach aussieht, wirkt das Gemälde doch beeindruckend plastisch. Diesem Bild hat der Kurator eine Figur von Středa gegenübergestellt. Sie besteht ebenfalls nur aus einem Menschenkopf, der sich die Hände vor das Gesicht hält. Auch bei der Statue sind die Linien klar gezeichnet und die Figur wirkt einfach. Der Betrachter gewinnt das Gefühl, als sei der Kopf aus Sopkos Bild herausgetreten und hätte sich als Statue manifestiert.

Foto: Archiv von Jiří Středa
Bildhauer Jiří Středa war bei der Ausstellungseröffnung anwesend. Er beschreibt, wie seine Figuren entstehen:

„Das Erstellen einer Figur dauert ziemlich lange. Zunächst hat man eine Idee im Kopf und beginnt, darüber nachzudenken. Im nächsten Schritt wird dann ein kleineres Modell erstellt, um festzustellen, wie die Idee aussieht. Erst auf Grundlage dieses Modells reift die Idee, und es kristallisiert sich etwas heraus. Das Modell lasse ich danach eine Weile stehen. Ich kehre erst nach einer gewissen Zeit wieder zu ihm zurück, um festzustellen, ob die Idee sich weiterentwickelt hat oder nicht. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas daraus werden könnte, dann stelle ich eine größere Version her. Damit beginnt die eigentliche Arbeit.“

Ein gutes Beispiel für die Arbeitsweise von Středa ist seine eingangs erwähnte Figur „Co víme“. Sie existiert in zwei Versionen: sowohl als etwa 1,30 Meter großes Modell aus dem Jahr 1995, als auch als 1,90 Meter große fertige Statue aus dem Jahr 2001. Beide sind grün und aus Bronze. Denn das Material, mit dem er beginne, sei immer das Material, aus dem die Statue am Ende bestehe, so der Bildhauer.

Foto: Archiv von Jiří Sopko
Der Maler Sopko hat ebenso eine eigene Weise, seine Werke zu erschaffen.

„Die erste Idee entsteht natürlich im Kopf. Ich fange dann zu malen an, aber halte dabei nicht zu sehr an dieser ursprünglichen Idee fest. Wenn ich mit der kontinuierlichen täglichen Arbeit beginne, entstehen aus dem Malen weitere Ideen, es entstehen also Bilder aus dem Malen heraus. Dieses Malen ist mein Ausdruck, wie ich die Welt sehe.“

Wenn man die bunten Bilder von Sopko in der Ausstellung „Figurace“ betrachtet, dann erkennt man darin zwar eine Menge Lebensfreude, aber auch eine unübersehbare Portion an Melancholie. Die Statuen von Středa dagegen sind hauptsächlich nackte Frauenfiguren, nur vereinzelt taucht auch eine Büste auf. Mit der Arbeit an Köpfen hat der Bildhauer erst in letzter Zeit vermehrt begonnen. Grund war ein Wettbewerb:

Foto: Archiv von Jiří Středa
„Ich habe mich längere Zeit nicht mehr mit Köpfen beschäftigt, aber vor kurzem fand ein Wettbewerb statt, für eine Büste von Václav Havel. Daran habe ich natürlich teilgenommen. Auch wenn der Wettbewerb mittlerweile vorbei ist, habe ich an der Büste weitergearbeitet. Ich denke, das Porträt ist eine Disziplin, die ein Künstler beherrschen und mit der er sich beschäftigen sollte.“

Jiří Sopko dagegen malt hauptsächlich Köpfe. Sie sind für ihn der Inbegriff der Kunst:

„Ich habe es schon mal beschrieben: Für mich personifizieren Köpfe den Menschen. Der Ausdruck des Gesichts ist für mich die gelungenste Darstellung eines Gefühls.“

In einer weiteren Sache sind sich beide Künstler ebenfalls ähnlich. Sie sind in Tschechien beide sehr bekannt und engagieren sich für ihre Zunft. So ist der Bildhauer Jiří Středa Vorsitzender des Vereins der böhmischen, mährischen und schlesischen Bildhauer. Jiří Sopko dagegen hat an der Akademie der bildenden Künste in Prag unterrichtet, von 2002 bis 2010 war er dort sogar Rektor.


Die Ausstellung „Figurace“ ist noch bis zum 13. März in Prag zu sehen. Die Galerie Atrium befindet sich auf der Straße Čajkovského 12 und ist montags bis freitags von 13 bis 18 Uhr geöffnet.