Bacchusfest in Prag-Troja
Der Herbst ist nicht nur eine melancholische Zeit des Abschieds vom Sommer, sondern auch Erntezeit. Am letzten Sonntag feierten die tschechischen Winzer den Beginn der Weinlese im Prager Schloss Troja. Das Fest war gleichzeitig ein Jubiläum – zum zehnten Mal luden die grünen Weingärten am Nordufer der Moldau zur Weinverkostung ein.
In Böhmen und Mähren sehen Weinfeste offenbar etwas anders aus: statt Musikantenstadl und Weinkönigin, klassische Musik unter freiem Himmel vor der barocken Kulisse des Prager Schlosses Troja. Der erste kühle Herbsttag schreckte niemanden von der Verkostung ab. Im Schlosshof drängen sich Besucher und Winzer. Die einen wärmen sich mit einem Glas Wein auf, die anderen kommen beim Ausschenken ins Schwitzen. Wie zum Beispiel Zuzana Hrodková von einem südmährischen Weingut:
„Hier in Troja können wir im Freien unsere neuen Weine vorstellen. Bei uns auf dem Weingut bieten wir ja normalerweise Führungen mit Weinverkostung für Gruppen an. Aber beim Weinfest haben wir ein größeres Publikum und eine offenere Atmosphäre.“
Auf einmal hört man volkstümliche Melodien – in traditionellen Trachten stellt die Gruppe „Slovácký Krúžek“ südmährische Tänze vor. Unter ihren Füßen knirscht der Sand im Schlosshof jedes Jahr aufs Neue. Die Tradition der Tänze ist so alt wie die mährische Weinkultur selbst:
„Tänze und Musik sind eng mit dem Weinanbau in Südmähren verbunden. Sie sind dem Wein gewidmet und allem, was damit zu tun hat. Schon seit Jahrhunderten werden diese Lieder gesungen. Wir versuchen diese Tradition so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Viele von uns stammen aus der Region und hängen sehr an ihren kulturellen Wurzeln“, sagt einer der Tänzer in bunt besticktem Hemd und dunkler Kniebundhose.
Wer in der kühlen Frühherbstsonne den ersten Wein verkostet hat, kann noch eine Führung durch die Schlossgalerie machen. Dann geht es runter in die Kellergewölbe – hier warten auf den Besucher die Geschichte der Prager Weinberge und der Rebensaft vom letzten Jahr. Der letzte Jahrgang war besonders gut für die trockenen Weine, sagt Zuzana Hrodková – denn das sonnige Wetter hielt lange an.
In diesem Jahr sind die Winzer noch vorsichtig. So ganz wollen sie das Weinjahr nicht vor dem Ende loben. Wenn Bacchus ein Einsehen hat, können Weinfreunde am kommenden Wochenende die nächsten Weinfeste an der frischen Luft genießen. Dann wird am Náměstí Míru und in den Havlíčkovy sady gefeiert.