Begrabene Grabmäler - Jüdischer Friedhof in Žižkov

Jüdischer Friedhof in der Fibich-Straße (Foto: http://zidovskehrbitovy.wz.cz)

Wenn man in Prag vom jüdischen Friedhof spricht, fällt jedem der von den Touristen viel besuchte alte jüdische Friedhof ein, der sich in der Josephstadt nahe der Altneu-Synagoge befindet. Selbst viele Prager ahnen kaum, dass es einst auch einen sehr bedeutenden jüdischen Friedhof im Stadtteil Žižkov gab, der mit dem bekannten Olšany-Friedhof zu vergleichen ist. Heutzutage kann man nur noch einen kleinen Teil dieses Friedhofs aus dem 18. Jahrhundert besichtigen.

Arno Pařík  (Foto: Jana Šustová)
Die ältere Generation der Prager, die in der Umgebung des Georg von Podiebrad-Platzes / náměstí Jiřího z Poděbrad aufgewachsen sind, kann sich an die etwas geheimnisvolle Ecke mit den zahlreichen Grabmälern bestimmt gut erinnern. Auch wenn darüber vor 60 Jahren offiziell nie gesprochen wurde, wusste man, dass es hier früher einen großen jüdischen Friedhof gegeben hat, und dass ein Teil davon erhalten geblieben ist, wenn auch in desolatem Zustand. Erst 2001 wurde ein Teil des Friedhofs für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Arno Pařík vom Jüdischen Museum in Prag sagt, der Friedhof in der Fibich-Straße sei eine sehr wichtige historische Sehenswürdigkeit, die aber ein trauriges Schicksal hatte:

Jüdischer Friedhof in der Fibich-Straße  (Foto: http://zidovskehrbitovy.wz.cz)
„In den Jahren 1679 bis 1680 wurde Prag von einer Pestepidemie heimgesucht. Damals wurde der heute bekannte Friedhof Olšany mit der Rochus-Kapelle gegründet. Es sah in diesem Teil Prags aber ganz anders aus als heute. Seit dem Mittelalter erstreckten sich dort Weinberge. Das Dorf Olšany, das sich zudem dort befand, war zu der Zeit recht klein, es bestand aus knapp 20 Häusern.“

Diejenigen, die an der Pest starben, durften nicht auf den üblichen Friedhöfen bestattet werden. Deshalb kaufte die Beerdigungsbruderschaft der jüdischen Gemeinde ein Grundstück in Olšany. Zur selben Zeit wie der bekannte Olšany-Friedhof wurde dort auch ein jüdischer Friedhof gegründet. Beerdigungen fanden dort auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts statt, als in den Jahren 1713 und 1714 eine weitere Pestepidemie Prag heimsuchte, sagt Arno Pařík:

Jüdischer Friedhof in der Fibich-Straße  (Foto: http://zidovskehrbitovy.wz.cz)
„Kurz nachdem Josef II. im April 1785 die Bestattungen in der Prager Innenstadt verboten hatte, musste man die Beerdigungen auf dem alten jüdischen Friedhof beenden. Ab da wurde der während der Pestepidemie gegründete Friedhof zum Hauptfriedhof für das ganze jüdische Prag.“

Auf dem Friedhof im heutigen Stadtteil Žižkov wurden bis 1890 Menschen beigesetzt. Dann wurde ein neuer jüdischer Friedhof im Prager Stadtteil Strašnice errichtet.

Eine Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof im heutigen Žižkov war für die Trauergäste fast ein ganztägiger Ausflug. Dazu Arno Pařík:

Jüdischer Friedhof in der Fibich-Straße  (Foto: http://zidovskehrbitovy.wz.cz)
„Die Beerdigungsbrüderschaften machten sich am alten jüdischen Friedhof in der Innenstadt auf den Weg, weil die Juden damals noch in der Josephstadt wohnten. Der Trauerzug bewegte sich durch die Pařížská, Richtung Kreuzung ´U Bulhara´ bis zum Friedhof. Zu solch einem Umzug gehörten meist auch viele Kutschen. Der Friedhof wurde allmählich erweitert, sodass er sich auf dem ganzen Gelände zwischen den Straßen Ondříčkova und Fibichova befand. Es wurden hier namhafte Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts begraben: Rabbiner, Forscher, Historiker, Ärzte sowie Begründer vieler Industrieunternehmen, vor allem der hiesigen Textilfabriken.“

Jonas Jeitteles
Zu den namhaften Persönlichkeiten, die auf dem Friedhof bestattet sind, gehört der Prager Oberrabbiner Ezechiel Landau (1713-1793). Sein Grabmal wurde 1993 gemeinsam mit den Grabmälern seiner Verwandten instand gesetzt. Von den führenden Vertretern der Aufklärungszeit und der jüdischen Intellektuellen der Neuzeit, die dort begraben wurden, lässt sich der Arzt Jonas Jeitteles (1735-1806), sein Sohn Baruch Jeitteles (1762-1813) und der Historiker David Podiebrad (1803-1882) erwähnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust wurden die Gräber auf dem Friedhof nicht mehr gepflegt. 1956 wurde entschieden, den Friedhof in einen Park umzuwandeln und ihn so für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der nordöstliche, älteste Teil wurde eingezäunt, die erhalten gebliebenen Mauern wurden abgerissen und die Grabmäler zum Teil zerstört. Der ganze Friedhof wurde mit Tonnen von Erde überschüttet, die beim Bau des Karlín-Tunnels zurückblieben. Dadurch entstand ein Park, der nach Gustav Mahler benannt wurde. Die Grabmäler verschwanden unter der Erde und die Gräber erhielten sich dort in zwei Metern Tiefe, sagt Arno Pařík:

Baruch Jeitteles
„Diese Lösung wäre nach einer entsprechenden Gestaltung des Gebiets noch annehmbar gewesen. Leider kam man in den letzten Jahren des kommunistischen Regimes auf die Idee, den hässlichen Fernsehturm am Ort des Friedhofs zu errichten. Im Zusammenhang mit dem Bau wurde ein Großteil des Friedhofs bis in sechs Meter Tiefe ausgebaggert. Damit wurden sowohl die Grabmäler, als auch die Gräber vernichtet ohne jedwede Bemühung, sie irgendwohin pietätvoll zu übertragen.“

Diese Geschichte sei traurig, fügt der Experte hinzu. Denn mittlerweile diene der Turm nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck. Ohnehin hätte er auch irgendwo anders erbaut werden können und der Park hätte also nicht zerstört werden müssen.

Jüdischer Friedhof in der Fibich-Straße  (Foto: http://zidovskehrbitovy.wz.cz)
“Was damals aber gerettet werden konnte, war der älteste Teil des Friedhofs. Einige der Gräber namhafter Persönlichkeiten sind erhalten geblieben, aber viele andere sind verschwunden. Heute bestehen noch etwa 500 Grabmäler und Gräber vom Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.“

Eine Vorstellung davon, wie der Friedhof einst ausgesehen hat, kann man sich aber derzeit in der Ausstellung machen, die seit der vergangenen Woche in der Minigalerie der Post zu sehen ist. Die Post liegt nicht weit entfernt vom Friedhof, in der Straße Přemyslovská. Die Fotos stammen aus dem Archiv des Jüdischen Museums und der Jüdischen Gemeinde, sagt Pařík:

Aus der Ausstellung über die Prager jüdischen Friedhöfe in Žižkov  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich habe mich bemüht, noch weitere Fotos bei den Denkmalschutzbehörden zu finden. Dies ist mir leider nicht gelungen. Nicht einmal bei den Architekten, die den Fernsehturm geplant haben, konnte ich eine Fotodokumentation finden. Jeder der hiesigen Bewohner, der sich die Fotos anschaut, begreift, worum es damals ging. Ich bin davon überzeugt, dass die Gründe, aus welchen der Großteil des Friedhofs vernichtet wurde, heutzutage nicht mehr gelten würden. Das ist umso trauriger, als es ein sehr bedeutender Friedhof war, vergleichbar mit dem Olšany-Friedhof. Im Unterschied zu Olšany ist hier der älteste Teil erhalten geblieben. Es lassen sich viele klassizistische Grabmäler mit interessanten Formen finden. Ich hoffe, dass der Friedhof das Interesse der Experten weckt und dass irgendwann einmal ein ausführliches Buch über den Friedhof erscheint.“

Der Friedhof ist jeden Montag und Mittwoch von 11 bis 15 Uhr und am Freitag von 9 bis 13 Uhr außer jüdischen Feiertagen geöffnet.


Fibich-Straße - das Gebäude der ehemaligen Telefonzentrale  (Foto: Petr Daubner)
Damit ist der heutige Spaziergang durch den jüdischen Friedhof in Žižkov fast zu Ende. Der Friedhof befindet sich in der Fibich-Straße / Fibichova unweit des Fernsehturms. Falls Sie wissen, nach wem die Fibich-Straße benannt wurde, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.

In der letzten Ausgabe des Spaziergangs im Mai fragten wir Sie nach dem berühmten Prager Fußballklub, in dem Jahre lang Pepi Bican gespielt hat. Es war Slavia Prag. Ein Buch geht diesmal an Kurt Bräcklein in Goldkronach.