Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer

Mitten in die vorweihnachtlich friedliche Stimmung platzte im Dezember eine Nachricht von der SPD-Regionalkonferenz im oberpfälzischen Weiden. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte dort sein Fünf-Punkte-Programm vorgestellt, mit dem er in die anstehenden EU- Erweiterungsverhandlungen ziehen wollte. Das Programm sah vor, den freien Zugang zu den europäischen Arbeitsmärkten für die ost- und mitteleuropäischen Beitrittskandidaten auch nach deren Aufnahme in die EU zumindest bis 2010 zu beschränken. Von einem Marktausschluss konnte jedoch nicht gesprochen werden, denn Ausnahmen für jene Fälle, die den alten Mitgliedsländern nutzen, sollen durchaus möglich sein. In dieser Ausgabe des Eurodominos berichten wir nicht nur über die Reaktionen, die Schröders Vorschlag bei Politikern in der Tschechischen Republik auslöste, sondern fragen auch nach, was man in der deutschen Grenzregion davon hält.Es begrüßt Sie Olaf Barth.

Eine Welle des Protestes gegen eine solche Übergangsfrist brach vor allem bei vielen tschechischen Oppositionspolitikern los. So äußerte der ODS- Vorsitzende und ehemalige Premierminister Vaclav Klaus gegenüber dem TV-Privatsender Nova verärgert, es sei nun eindeutig, dass man in der EU ungleiche Mitglieder haben wolle. Dies sei jedoch etwas, das man sich auf tschechischer Seite nicht gefallen lassen dürfe, fügte er hinzu. Der Haltung seines Parteivorsitzenden schloss sich auch der ODS-Abgeordnete und Stellvertretende Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Europäische Integration, Jan Zahradil an. In einem Interview mit Radio Prag sagte er zu der von Schröder vorgeschlagenen siebenjährigen Übergangsfrist:

"Das ist meiner Meinung nach eine viel zu lange Zeit. Die EU garantiert ihren Mitgliedsstaaten vier grundlegende Freiheiten und das sind die freien Bewegungen von Waren, Personen, Kapital und Diensten. Und wenn wir von dieser Freizügigkeit der Personen für die Dauer von 7 Jahren ausgeschlossen werden sollten, dann kann man das als nichts anderes als eine Mitgliedschaft zweiter Klasse ansehen. Meiner Meinung nach können wir über eine bestimmte Übergangsfrist sprechen, da gibt es keine Zweifel, denn auch wir haben bestimmte Forderungen hinsichtlich des EU Beitrittes gestellt. Aber eine siebenjährige Frist ist eindeutig viel zu lang."

Und auf die Position seiner Partei befragt, antwortete Zahradil:

"Wir schlagen eine von Anfang an vollberechtigte und vollwertige Mitgliedschaft vor. Das heißt, dass das, was ich eben gesagt habe, mit der Meinung der ODS korrespondiert und zwar in dem Sinne, dass wir auf keinen Fall für eine lange Zeit von fünf, sieben oder auch zehn Jahren nach dem Beitritt sozusagen ein Mitglied zweiter Kategorie sein wollen."

Nun ist die ODS und speziell Vaclav Klaus ohnehin eher EU-kritisch eingestellt. Aber sogar sein in Tschechien schon traditioneller Widersacher, der Chef der Freiheitsunion Karel Kühnl, pflichtete ihm in dieser Sache bei, als er meinte, Schröders Vorschlag sei falsch und für Tschechien absolut inakzeptabel. Er hoffe, dass Deutschland seine Entscheidung noch mal grundlegend überdenken und möglicherweise revidieren werde. Premierminister Milos Zeman drückte sich zwar diplomatischer aus, zeigte sich aber ebenfalls nicht erfreut, als er anführte:

"Ich will auf Schröders Erklärung nicht übertrieben hysterisch reagieren. Ich bin mir bewusst, dass es sich um die Erklärung des führenden Repräsentanten eines der 15 EU- Mitgliedsstaaten handelt. Für die Tschechische Republik wird es aber relevant sein, welchen Standpunkt die ganze Union einnimmt."

Die Forderung Schröders, die offensichtlich einen Versuch darstellt, den Arbeitsmarkt vor allem in den grenznahen Regionen zu schützen, beschäftigte nicht nur die Beitrittskandidaten, sondern gleichermaßen die EU-Mitgliedsstaaten. Auch die südlichen Nachbarn der Tschechen, die Österreicher, befürchten eine Flut von Arbeitskräften aus den neuen Mitgliedsländern nach deren EU-Beitritt. In den österreichischen Grenzregionen könnte es wegen der EU-Erweiterung zu Komplikationen kommen, für die man eine Lösung finden müsse, verkündete z:B. Ende Dezember der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil.

Uns interessierte, wie man in einer grenznahen deutschen Stadt die Situation betreffend der tschechischen Gastarbeiter beurteilt. Deswegen fragten wir den Ersten Bürgermeister des Grenzstädtchens Furth i.W., Reinhold Macho: Vor allem in den Gastwirtschaften treffe man sehr viel tschechisches Personal und das sei gut so, weil dies auch einen Beitrag zur besseren Verständigung leiste, fügte der Bürgermeister an und erläuterte weiter: Premier Zeman betont immer wieder, dass keine Massenbewegung aus Tschechien auf den europäischen Arbeitsmarkt drohe. Auch Jan Zahradil schließt sich dem an. Es gebe verschiedene Studien, die nach dem EU-Beitritt von Ländern wie Portugal oder Spanien durchgeführt worden seien und aus denen deutlich hervorgehe, dass keine solche massive Migration der billigen Arbeitskräfte nach Deutschland oder Frankreich stattgefunden habe. Und Zahradil fügt hinzu:

"Deshalb bin ich der Meinung, dass diese Befürchtungen ein wenig übertrieben sind. Ich denke, dass die Deutschen nicht so viel Angst haben sollten."

Der Bürgermeister von Furth i.W. sieht das anders: Da Schweden derzeit den Vorsitz im europäischen Rat inne hat, verhandelte Zeman bei seinem Besuch in Stockholm Anfang Februar mit seinem schwedischen Pendant Göran Persson u.a. über das weitere Vorgehen in der Beitrittsfrage und somit auch über die mögliche Beschränkung der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Einen interessanten Kompromissvorschlag brachte dabei der schwedische Premier auf den Tisch. Eine Lösungsmöglichkeit nämlich, bei der zwar an einer eventuell kürzeren Übergangsfrist für die Arbeitskräfte festgehalten würde, dafür im Gegenzug aber Konzessionen an die neuen Mitgliedsländer z.B. im Umweltbereich oder beim Eigentumsschutz gemacht werden könnten. Nach seiner Meinung zu diesem Vorschlag fragten wir auch den ODS- Abgeordneten Jan Zahradil:

"Ich weiß nicht, ob es das ist, was wir eigentlich anstreben. Wir haben doch in der letzen Zeit einige der Übergangsfristen aufgehoben, wir haben verkündet, dass wir auf bestimmte - früher gestellte - Forderungen verzichten werden. Im Gegenteil denke ich, dass wir darauf energisch beharren sollten, dass die Übergangsfrist bezüglich der Freizügigkeit der Personen nach dem EU Beitritt möglichst kurz wird."

Für eine möglichst kurze Übergangsfrist plädiert auch Reinhold Macho und unterstreicht zudem, dass es auch nach den Vorstellungen der Bundesregierung Einzelfallregelungen wie bisher geben soll: In Bezug auf die Dauer der festzulegenden Übergangsfrist, erscheint Herrn Macho eine flexible Lösung am Besten geeignet zu sein. Da bei entsprechender wirtschaftlicher Entwicklung in der Tschechischen Republik, diese ihre Arbeitskräfte selbst bräuchte und wohl auch binden könnte und somit die befürchtete Arbeiterschwemme aus dem Osten ohnehin ausbleibe. Sein Fazit:





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union.



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt

Autor: Olaf Barth
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