Böhmerwald: Architekt will in Prášily alte Fabriken wieder aufbauen
Prášily / Stubenbach ist heute ein ruhiges Dorf im Nationalpark Böhmerwald. In der Zwischenkriegszeit herrschte hier jedoch lebhafte Geschäftigkeit: außer Gasthöfen, einer Polizeistation und einer deutschen und tschechischen Schule gab es hier eine Papierfabrik, eine Brauerei und ein Sägewerk. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden diese Betriebe; ab kommendem Jahr will sie ein Architekt aber teilweise wieder beleben.
Das Papierwerk in Stubenbach gehörte seinerzeit zu den bedeutendsten Fabriken im Böhmerwald. Es wurde 1820 am Ort einer ehemaligen Glasschleiferei gegründet. Johann Kaspar Eggert hatte das Objekt von der Familie Schwarzenberg gekauft und begann hier, handbedrucktes Papier zu produzieren - aber nicht aus Holz, wie heute üblich, sondern aus Lumpen. Diese Drucktechnik wurde bis zur Schließung der Fabrik beibehalten. Man legte die einzelnen Blätter per Hand auf das Sieb und dadurch erwarben diese ihre typischen zackigen Ränder. Dieses Papier fand bald großen Zuspruch und wurde bei mehreren internationalen Industrie-Ausstellungen ausgezeichnet, betont der Architekt Ivan Adam, der in Stubenbach lebt:
„Diese Fabrik lieferte in der Zwischenkriegszeit handbedrucktes Papier an die Präsidentenkanzlei der Tschechoslowakei. Fast jeder Brief, den Präsident Masaryk bis 1933 verfasst hat, wurde also auf Papier aus Stubenbach geschrieben. Zu den weiteren Abnehmern gehörten die bedeutendsten Buchverlage dieser Zeit, die das Papier für ihre besten Stücke nützten. Darüber hinaus fand mit Josef Váchal einer der bedeutendsten tschechischen Künstler des 20. Jahrhunderts an Stubenbach Gefallen. Váchal schrieb hier Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre sein Buch ´Der Böhmerwald sterbend und romantisch´. Dieses Werk besteht aus Texten in eigenhändig gestalteter Schrift und aus 70 farbigen Holzschnitten, die weltweit kaum einen Vergleich finden. Váchal stellte selbst zunächst ein paar Exemplare her, von denen jedes etwa 20 Kilogramm wog. Das Buch wurde später auf Papier aus der Stubenbacher Fabrik gedruckt.“
Der Ruhm der Stubenbacher Papiermühle endete jedoch jäh im Jahr 1933. Am frühen Morgen des 1. Juni brannte die Fabrik samt zweier benachbarter Wohnhäuser komplett nieder. Damit ging die Tradition der Herstellung von handbedrucktem Papier in Böhmen zu Ende. In Mähren gibt es jedoch bis heute eine Fabrik dieser Art, und zwar in Velké Losiny.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Bewohner aus dem Dorf vertrieben und das ganze Gebiet wurde als „Grenzzone“ für Zivilisten gesperrt. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 wurde es in Stubenbach wieder lebendiger. Architekt Ivan Adam hatte zudem die Idee, die Papierherstellung zu erneuern. Er erlebte jedoch erstmal eine große Enttäuschung:
„Die Papierfabrik war nicht ganz zerstört worden. Sie bestand aus dem Hauptgebäude und drei Nebengebäuden. Und eines der Gebäude war wie durch ein Wunder erhalten geblieben. Es handelte sich um einen Originalraum, den Josef Váchal persönlich mehrmals besucht hatte. Noch vor drei Jahren war es da - bis es der neue Eigentümer abreißen ließ. Ihn interessierte nicht im Geringsten der Wert des Gebäudes, er legte nicht einmal eine Dokumentation an. Der Abriss wurde aber auch dadurch möglich, dass das Haus nicht unter Denkmalschutz stand. Professor Jiří Kocman von der Universität Brünn und ich hatten seit 2001 am Projekt der Erneuerung der Papierfabrik am Original-Ort gearbeitet. Die Gemeinde hatte aber kein Verständnis dafür und verkaufte lieber das Objekt an private Hände. Damit gingen unsere Pläne zu Grunde.“
Von seiner Idee wollte Ivan Adam jedoch nicht abrücken. Er kaufte das Grundstück der ehemaligen Stubenbacher Brauerei. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1751 zurück. Bier wurde hier aber nur bis 1913 gebraut, dann begannen die Eigner mit der Herstellung von Säften. 1927 wurde das Gebäude dann zu einer Herberge für tschechische Touristen umgebaut; während des Zweiten Krieges ging man jedoch erneut dazu über, Säfte zu keltern. In den 50er Jahren brannte das Gebäude schließlich nieder.
Gemeinsam mit seinen Freunden sagte sich Ivan Adam: ´Kaiser Josef II. hob einst die Klöster auf und verwandelte manche von ihnen in Brauereien. Wir machen das nun symbolisch umgekehrt – wir schaffen einen geistlichen und kulturellen Ort, der an die hiesige Tradition erinnert und auch zur Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen nach den Nazi-Gräueln und der Vertreibung beiträgt.´
Das Projekt steht aber erst an seinem Anfang. Die ehemalige Brauerei ist derzeit nur in ihren Grundrissen zu erkennen.
„Dieses Jahr haben wir hoffentlich das Gröbste hinter uns und können kommendes Jahr mit dem Bau beginnen. Während der vergangenen acht Jahre haben wir das 1200 Quadratmeter große Grundstück saniert. Die Überreste des Gemäuers sowie die Bäume, die hier gewachsen sind, wurden entfernt und die erhaltenen Original-Keller entkernt. Im nächsten Schritt soll dann das Gebäude in seiner ursprünglichen Gestalt entstehen, aber ausgestattet mit moderner Technologie. Es wird sich um ein Passivhaus handeln, das so viel Tageslicht wie möglich zur Energiegewinnung verwendet. Das Wichtigste ist jedoch die Nutzung des Objektes. In einem Teil planen wir einen Ausstellungsraum zu einzurichten, in dem die ganze Geschichte der Papiererzeugung im Böhmerwald dargestellt wird. Dazu gehört auch eine kleine Manufaktur, in der man Papier selbst bedrucken kann. Und in ersten Stock wollen wir wieder etwas ganz anderes schaffen, und zwar ein Studio des modernen Tanzes. Meine Ehefrau ist nämlich die Gründerin und Leiterin des Duncan Centers in Prag. Den Tanz halten wir für ein ideales Verständigungsmittel, denn er bedarf keinerlei Übersetzung. In diesem Haus wird also die Geschichte auf die Gegenwart treffen und hoffentlich auch die Leute von hier auf Leute aus aller Welt“, so Ivan Adam.
Um an die nötigen Finanzmittel heranzukommen wurde eine Bürgerinitiative gegründet. Man will Gelder aus EU-Fonds beantragen, die Anträge sollen zu Ende dieses Jahres eingereicht werden. Was jedoch bemerkenswert oder sogar bedauerlich ist: Die Gemeinde Stubenbach hat keinen Anteil an der Initiative und auch die meisten Bewohner sind bisher nicht begeistert. Ivan Adam meint, er habe wahrscheinlich als Zugewanderter aus dem Landesinneren die Kontakte mit den Einheimischen unterschätzt. Trotzdem ist er optimistisch: Wenn keine neuen Probleme auftauchen, könnten die Bauarbeiten im kommenden Jahr beginnen und drei Jahre später dann beendet werden.