Auf den Spuren einer jüdischen Familie
Das Museum in Dobrá Voda ist als Gedenkstätte des Historikers und Rabbiners Simon Adler gestaltet.
„In den ganz kleinen Gemeinden wie Dobrá Voda durfte früher immer nur eine jüdische Familie wohnen. Die Familie Adler ließ sich hier nieder. Es waren Metzger aus dem nahen Kundratice. Die Adlers machten auch hier eine Metzgerei auf und zudem einen koscheren Schlachthof. Simon Adler wurde 1884 geboren. Er lebte jedoch nur etwa bis zu seinem zwölften Lebensjahr in Dobrá Voda. Da er ein begabter Junge war, zog er nach Topoľčany in der heutigen Slowakei, wo er eine Vorbereitungsschule für das Rabbiner-Seminar besuchte. Danach setzte er sein Studium in Deutschland und in der Schweiz fort. Er studierte Geschichte und Philosophie. Nach der Rückkehr nach Böhmen begann er, als Rabbiner in Staňkov bei Domažlice zu arbeiten. Aus Westböhmen wechselte er später in das Rabbinat in Zbraslav bei Prag und zur Hochsynagoge in Prag.“
Sohn Sinai überlebt Auschwitz
In Prag arbeitete Simon Adler zudem als Archivar der jüdischen Gemeinde. Er stellte eine Liste historischer jüdischer Denkmäler zusammen. Adler hatte drei Söhne: Der mittlere Sohn Joakhim starb mit 14 Jahren an der Grippe. Der älteste Sohn Max Matityahu reiste 1939 in das damalige Palästina, um dort zu studieren, und ließ sich dort nieder. Der jüngste Sohn Sinai wurde zusammen mit seinen Eltern nach Theresienstadt und 1944 nach Auschwitz verschleppt. Simon Adler und seine Frau Rosalie wurden dort im Juli 1944 ermordet.
„Der jüngste Sohn Sinai hatte eigentlich Glück im Unglück. In Auschwitz begegnete er dem Tschechen Alois Holub, der etwa zehn Jahre älter war als er. Holub half Sinai, zu überleben, indem er ihm etwas von seinen eigenen Essenrationen gab. Sinai wurde weiter nach Mauthausen und am Kriegsende ins KZ Gunskirchen verschleppt.“Sinai Adler kehrte 1945 nach Prag zurück. Er gehörte zu den jüdischen Waisenkindern, um die sich der tschechische Pädagoge und Humanist Přemysl Pitter im Rahmen der sogenannten „Aktion Schlösser“ auf Schloss Štiřín bei Prag kümmerte. Nach einem halben Jahr reiste er über England zu seinem älteren Bruder nach Palästina. Er wurde dann Rabbiner. Im Jahre 2000 erschien in Tschechien Sinai Adlers Buch „Kronika přežití mladého muže“ (zu Deutsch etwa „Die Chronik des Überlebens eines jungen Mannes“), das er aufgrund seiner Notizen aus der Zeit kurz nach dem Kriegsende zusammenstellte.
Aus Israel in den Böhmerwald
Nach der Wende von 1989 wurde das frühere Militärsperrgebiet im Böhmerwald wieder für die Öffentlichkeit geöffnet. In dem Gebäude, in dem heute das Museum untergebracht ist, hatte früher die Verwaltung des Militärsperrgebiets ihren Sitz. Nachdem die Soldaten weggezogen und die Grenzen offen waren, begannen die Brüder Adler, nach den Wurzeln ihrer Familie zu suchen. Max Matityahu hatte inzwischen eine diplomatische Karriere gemacht. Er war unter anderem israelischer Botschafter in der Schweiz. Er nahm sich vor, ein Museum zu Ehren seines Vaters zu errichten und zudem an die jüdischen Gemeinden des Böhmerwaldes zu erinnern. Das Museum wurde 1997 eröffnet. Veronika Rubínková:
„Die Dauerausstellung beginnt mit einer Einleitung in die jüdische Kultur. Zu sehen ist hier eine Menora – der siebenarmige Leuchter. Die Tafeln mit den Zehn Geboten stammen aus der Synagoge in Hartmanice. Die Originaltafeln befinden sich seit einigen Jahren in der dortigen neu gebauten Synagoge. Das Museum hat nur eine Kopie. Zu sehen ist auch eine Tora, die aus fünf Büchern Mose besteht.“
Die Geburt, die Hochzeit und der Tod in der jüdischen Kultur sind weitere Themen der Dauerausstellung. So gibt es beispielsweise eine Chuppa – das ist ein Traubaldachin, der bei jüdischen Hochzeiten benutzt wird. Unter den Exponaten befindet sich zudem historisches Zinngeschirr, das in der Regel dem Bräutigam geschenkt wurde. Nicht zuletzt wird die Aufmerksamkeit der Besucher auf die sogenannte Chewra Kadischa gelenkt, einer Bruderschaft, die in jüdischen Gemeinden die Rolle eines Bestattungsunternehmens hatte. Im Blickpunkt stehen zudem die einst für die jüdische Bevölkerung des Böhmerwaldes typischen Berufe wie Arzt oder Gastwirt. Die Exponate stammen größtenteils aus den Sammlungen des Westböhmischen Museums in Plzeň / Pilsen.
Das Simon-Adler-Museum in Dobrá Voda ist täglich außer montags geöffnet, und zwar von 9 bis 17 Uhr, im Winter nur bis 16 Uhr.
Im weiteren Teil der Ausstellung wird das Schicksal von Simon Adlers Söhnen beschrieben, die das Museum gegründet haben. Veronika Rubínková macht auf die Fotografien und weitere Dokumente aufmerksam:
„Gezeigt werden Fotos der Söhne im Kindesalter. Joakhim starb als Kind an Grippe. Max Matityahu starb 2010. Auf einem der Fotos ist er als israelischer Botschafter in der Schweiz zu sehen. Er war auch Bürgermeister der Stadt Be̕ er Schewa und leitete jahrelang das Touro College in Jerusalem. In seinem Testament forderte er die Verwandten dazu auf, jedes Jahr Dobrá Voda zu besuchen. Die Nachkommen erfüllen seinen Wunsch. Da das große Familienfoto, das hier zu sehen ist, nicht mehr aktuell ist, hatte ich die Familie darum gebeten, eventuell einen Familienbaum zusammenzustellen.“
Familienbaum aus Messing und Zeder
Simon Adlers Enkelsohn Aaron hat dem Museum in diesem Jahr nun einen Familienbaum geschenkt, den er selbst gefertigt hat. Die einzelnen Blätter des Baums stellen die Familienmitglieder dar. Die Blätter werden ständig ergänzt.
„Der Baum beginnt mit Simon Adler und seiner Frau. Hergestellt wurde er aus Zeder und Messing. Aaron Adler hat daran in seiner Werkstatt drei Monate lang gearbeitet. Der Baum zeigt seinen Worten zufolge, wie wichtig jedes Leben ist.“Die weiteren Räumlichkeiten sind wie eine typische Böhmerwald-Gaststätte und wie ein jüdisches Wohnzimmer aus dem 19. Jahrhundert gestaltet. Im Museum befindet sich (derzeit) nicht nur die Dauerausstellung. Veronika Rubínková:
„Anlässlich des 20. Jubiläums des Museums haben wir eine Ausstellung aus dem Werk von Rebeka Kloudová eröffnet. Sie kreiert Mesusot und andere jüdische Sakralgegenstände aus Glas, Holz und Beton. Die Künstlerin unterrichtet an der Glasmacherschule in Železný Brod. In einem traditionellen jüdischen Haushalt befindet sich an jedem Türrahmen eine Mesusa – das ist eine Schriftkapsel. Zu sehen sind hier Mesusot aus Glas und aus Holz.“
Im Tagungssaal des Museums ist zudem noch eine Wanderausstellung über die Geschichte der jüdischen Gemeinden in der Gegend von Sušice / Schüttenhofen zu sehen.