Böhmische Dörfer einmal anders - im rumänischen Banat
Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Forum Gesellschaft. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen noch an unsere Mini-Serie über nationale Minderheiten in Tschechien. Das Thema wollen wir heute noch einmal aufgreifen. Diesmal wenden wir uns allerdings der tschechischen Minderheit in einem Landstrich zu, der auch für einen Teil der so genannten Donauschwaben zur neuen Heimat wurde: das Banat.
"Ich bin Tschechischlehrerin in Brzaska und Lipkova. Wir haben drei Gruppen, zwei hier und eine in Lipkova. In der ersten Gruppe lernen Schüler der ersten bis vierten Klasse, insgesamt sind es neun Kinder. Die zweite Gruppe bilden 13 Schüler der Klassenstufen 5 - 8. In Lipkova sind es elf Schüler. Der Unterrichtsumfang beträgt vier Wochenstunden. Sie lernen tschechische Texte zu lesen, zu schreiben und die Grammatik. Alles im Rahmen unserer Möglichkeiten: Wir haben nicht genügend Schulbücher."
Tschechisch werde noch in vielen der hier ansässigen Familien gesprochen, ungeachtet der vielen rumänisch-tschechischen Mischehen, die hier geschlossen wurden und werden, beteuert Christina Jankulovic. Sie ist überzeugt davon, dass die Kinder von den Tschechisch-Kenntnissen profitieren werden:"Einige der Kinder werden später nach Tschechien gehen, um dort Arbeit zu suchen. Das, was sie hier lernen, wird ihnen dabei helfen."
Die Abwanderung ist in der Tat das zentrale Problem der Tschechischen Minderheit im Banat. Arbeit gibt es hier kaum. Die meisten leben hier noch von der Landwirtschaft. Ein bisschen Unterstützung gibt es von den Regierungen Tschechiens und Rumäniens und von Hilfsorganisationen: Projekte gegen den Arbeitsplatzmangel z.B., tschechische Bücher, Zuschüsse für den Bau neuer Straßen, denn die Dörfer sind zum Teil 12 km voneinander entfernt und nicht durch Straßen verbunden. Frau Dlouha lebt seit ihrer Geburt in dem Dorf Bigr. Sie erzählt, wovon das Leben in ihrem Heimatdorf bestimmt ist:
"Wie wir hier leben? Das Wichtigste ist, genügend Brennholz für den Winter zu haben. Der ist hier nämlich recht lang und hart. Im November beginnt er und dauert bis April. Wir legen Vorräte für den Winter an. Wenn einer von uns krank wird, dann gehen wir nach Uhl. Der Arzt kommt nur etwa einmal im Jahr hierher. Autobusse verkehren hier nicht, Pferde haben wir keine. Der Weg dorthin dauert drei Stunden. Auch zum Einkaufen gehen wir dorthin. Die Einkäufe tragen wir auf dem Rücken nach Hause. Mein Sohn ist Brzaska zur Schule gegangen. Auch dorthin sind wir zu Fuß gegangen, mit dem Rucksack auf dem Rücken."Frau Dlouha beobachtet, wie es die Jugend von hier wegzieht. Trotz des Bedauerns, das in ihren Schilderungen mitschwingt, zeigt sie Verständnis:
"Unsere Jungen, wenn sie heiraten wollen, oder die Mädchen, wo sollen sie arbeiten? Hier bei uns gibt es keine Arbeit! Nur auf dem Feld. Und auf unserem hier wächst kaum etwas. Und das Wenige, das hier wächst, fressen die Wildschweine. Die alten Leute hier können die Felder nicht mehr bestellen. Ich weiß nicht genau, wie viele Bewohner Bigr heute noch hat, um die 200 vielleicht, aber früher waren es über 500."
Auch früher schon seien die Leute von hier weggegangen, als sie selbst ein Kind war, sagt Frau Dlouha:
"Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie die Leute damals weggingen. Ich war noch sehr klein damals. Ein Tscheche kam zu uns in die Schule, berief eine Versammlung ein und rief die Leute dazu auf, in die Tschechoslowakei zu gehen. Das wird zu der Zeit gewesen sein, als die Deutschen damals aus der Tschechoslowakei wegzogen, als sie verjagt wurden. Einige hiesige Familien folgten diesem Aufruf. Mein Vater sagte zu meiner Mutter: 'Komm, lass uns auch gehen, wenn der geht und der auch...' Sie entgegnete: 'Wenn du gehen willst, dann geh'. Und wenn eines der Kinder mit dir mitgehen will, dann kannst du es mitnehmen. Aber wir wollten nicht. Wir blieben also alle. Die, die gegangen waren, kehrten aber bald darauf zurück. In Tschechien waren ihnen solche Häuser zur Verfügung gestellt worden...Dort fanden sie beinahe noch gebratene Eier und gerade erst abgekühlten Tee. Die Deutschen waren ja schließlich gezwungen worden zu gehen. An den Wänden stand, welche Gräueltaten die Deutschen begannen hatten, teilweise mit Blut geschrieben. Die Leute, die von dort zu uns zurückkehrten sagten damals: 'Wie hätten wir dort leben können. Und wissen Sie, wo das war? Irgendwo bei Cheb/Eger."
Die tschechische Minderheit im Banat hat einen eigenen Bischof. Bischof Maschek. Wir baten ihn, um eine Prognose für die Zukunft der tschechischen Minderheit hier. Diese Frage habe er schon einmal gestellt bekommen, sagt er. Damals habe er geantwortet:
"Ich sagte damals, dass wir hier über 170 Jahre durchgehalten haben. In 50 Jahren jedoch, wird nur noch eine Hand voll Tschechen hier leben. Die Reaktion war: 'Herr Pfarrer, Sie sehen aber schwarz.' Ich entgegnete jedoch, dass ich nichts schwarz, sondern realistisch sehe: Es werden hier immer weniger Kinder geboren. Familien mit fünf oder mehr Kindern gibt es kaum noch. Und die Alten sterben. Es sterben dreimal mehr Alte als Kinder geboren werden. Die jungen Erwachsenen gehen dann weg- mit Tränen in den Augen zwar, aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig, sie müssen Geld verdienen. Wenn sie ihren Lebensunterhalt hier verdienen könnten, würden sie nicht gehen, denn das, was unsere Jugend hier erfährt, findet sie in Tschechien, zwischen all den Unbekannten, nicht mehr: Diese überwältigende 'Kultur des Herzens' nämlich."
Liebe Hörerinnen und Hörer, das war das Forum Gesellschaft für heute. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.