Tschechen in Rumänien bewahren die alten Traditionen ihrer Heimat
Im süd-westlichen Rumänien, in den Bergen über der Donau, erklingt schon fast zwei Jahrhunderte lang die tschechische Sprache. In dieser herrlichen, ganz abgelegenen Ecke der Welt, kann man noch Überreste der alten tschechischen Landeskultur erleben, die in Tschechien schon längst verschwunden ist. Jakub Siska lädt zum Besuch ein.
"Wir haben hier die Möglichkeit, ein wahres, kulturelles Unikat zu erleben. Die Tschechen sind in dieser Gegend einerseits von Rumänen und anderseits von Serben umschlossen. Diese beiden Völker sind orthodox, während die Tschechen sich zur katholischen und teilweise auch zur protestantischen Kirche bekennen. Deshalb kam es nur selten zu Mischehen und die Kommune bewahrte sowohl ihre Sprache, als auch ihre Volks- und Religionsbräuche in ihrer ursprünglichen Form. Das kann man zum Bespiel sonntags in der Kirche sehen, da kommen die Leute in ihren Trachten. Diese Trachten wurden zwar in der Vergangenheit auch durch rumänische und serbische Teile ergänzt, aber grundsätzlich entsprechen sie dem, was die Tschechen vor 180 Jahren aus ihrer Heimat mitgebracht haben."
Das Gebiet ist auch eine bemerkenswerte Schatzkammer tschechischer Volkslieder. Vor ein paar Jahren erschien in Tschechien ein Gesangbuch mit mehr als 100 Liedern aus dem dortigen Gebiet. Die meisten von ihnen sind den Tschechen gut bekannt, doch fast alle klingen im Mund der rumänischen Tschechen ein bisschen anders. Beispielsweise haben die rumänischen Tschechen das Lied "Wir sind Musiker und kommen aus dem böhmischen Land" durch einige Strophen ergänzt.
Ein paar tschechische Volkslieder sind sogar in Rumänien entstanden. Man kann sie vor allem rund um das Eibental hören. Die Gemeinde wurde zwar mit einem deutschen Namen versehen - nach den ausgedehnten Eibenwäldern in ihrer Umgebung - aber die Bewohner waren immer Tschechen. Sie arbeiteten hauptsächlich im Kohlebergbau und sangen unter Tage oft das Lied "Bergleute, Bergleute, fahrt tief und sucht in der Erde meinen Brautkranz".
Das Leben der Tschechen in Banat richtet sich nach den Perioden des katholischen, liturgischen Jahres. Der Glaube bildet die Grundlage ihrer Identität und sie nehmen alle katholischen Feste sehr ernst. Für sie wäre es unvorstellbar, sonntags zu arbeiten oder die Fastenzeit nicht einzuhalten. Auch während der Osterfeiertage findet man dort keine unchristlichen Bräuche, wie Eierfärben oder das Auspeitschen der Mädchen, wie es in Tschechien Tradition ist. Trotzdem geht es dort auch vergnüglich zu. Das größte Gemeindefest ist immer eine Hochzeit, wie Ivo Dokoupil aus "Heilige Helena" beschreibt."Es ist sehr beliebt, im Herbst zu heiraten, denn auf dem Feld ist dann nicht mehr so viel zu tun und die Ernte ermöglicht einen großen Schmaus. Ich stehe jetzt beim so genannten Kazan, das ist ein rumänischer Ausdruck für "Kessel", in dem der Pflaumenschnaps gebrannt wird. Morgen ist eine Hochzeit und die Menschen sind mitten in den Vorbereitungen: Man backt Torten und Kuchen und röstet Fleisch. Und der Schnaps muss selbstverständlich in Mengen zur Verfügung stehen. Die Hochzeit wird groß gefeiert, es kommen auch entfernte Verwandte. Üblicherweise sind es 300 bis 400 Leute. Als Geschenke bringen sie Mehl, Zucker, Kuchen oder eine Henne mit. Beim mitternächtlichen Tanz bekommt die Braut dann Geld. Wenn die Hochzeit vorbei ist, hat das Ehepaar eine schöne Summe für ihre Ausstattung zusammen."Zur böhmischen Hochzeit gehören in Banat auch alte Bräuche, die in Tschechien nur aus der Geschichte bekannt sind: die Rede des Schwätzers, der Hochzeitsumzug durch das Dorf, die Verschleierung der Braut, der Elternsegen für die Verlobten, die Spenden für die Wiege. Die Hochzeit findet selbstverständlich in der Kirche statt und dann geht sie im Haus der Braut weiter. Nur in "Heilige Helena" stellt man für die Feier ein hölzernes Zelt nach rumänischer Art auf. Zu den wichtigsten Ereignissen im Dorf gehören auch die Kirmes, das Erntefest und die Tanzabende.
Das postmoderne Zeitalter greift jedoch auch ins Leben der rumänischen Tschechen ein. Nach dem Ende des Kommunismus in beiden Staaten ist ungefähr die Hälfte der Menschen nach Tschechien zurückgekommen - die harte Arbeit in der Landwirtschaft mit nur wenigen Maschinen ist nicht mehr attraktiv und die Lebensbedingungen in Tschechien scheinen einfacher zu sein. Aber die jungen Landsleute arbeiten hier als Hilfskräfte für wenig Geld, da sie kaum eine Ausbildung haben. In Banat bleiben vor allem die Alten zurück, die das Feld noch mit dem Pferd bestellen. Wenn ihre Kräfte am Ende sind, werden auch sie weggehen. Wird also die einzigartige tschechische Gemeinschaft in Rumänien überleben? Ivo Dokoupil ist trotz aller Probleme optimistisch:
"Ich arbeite für ein Stiftungsprojekt, dessen Ziel es ist, den Landleuten zu helfen und die Erhaltung hiesiger Tradition zu ermöglichen. Diese Landschaft ist herrlich und für den so genannten sanften Tourismus besonders geeignet. Es ist uns beispielsweise schon gelungen, markierte Wanderwege einzurichten und eine Landkarte und ein paar Broschüren über die Gegend herauszugeben. Wir bemühen uns, das Gebiet auch den tschechischen Unternehmern zu präsentieren und bei Firmengründungen behilflich zu sein. Ich bin überzeugt, dass die Abwanderung nicht so stark ist, und dass umgekehrt mutige Personen aus Tschechien hierher kommen. Die Einheimischen sind sehr lustige und arbeitswillige Leute, die unter schlechten Bedingungen ganz erstaunliche Dinge vollbringen können. Meiner Meinung nach wird es noch zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis sich die Kommune wieder erweitert und weiterentwickelt."