Pfeife aus Weidenrute, Eierrollen, Judaskuchen – Osterbräuche in Südböhmen
Das Osterfest ist in Tschechien mit verschiedenen Bräuchen verbunden. Diese haben meistens eine mehrere Jahrhunderte lange Geschichte und unterscheiden sich von Region zu Region. Martina Schneibergová lädt Sie in den folgenden Minuten in das Südböhmische Museum in České Budějovice / Budweis ein, um Ihnen einige der Ostertraditionen vorzustellen.
Das Klopfen kommt aus dem Ausstellungssaal und ist schon im Museumsgang gut zu hören. Auch die Schau mit dem Titel „Osterspiele“ beginnt bereits im Gang, der größte Teil wird jedoch im Hauptsaal gezeigt. In der Ecke sitzt auf einem kleinen Hocker Václav Holas. Der Ethnograph ist Kurator der Osterausstellung. Er hat gerade eine Weidenrute in der Hand und dreht sie langsam. In der zweiten Hand hält er ein Taschenmesser, klopft mit dem Griff vorsichtig auf das Stöckchen und erläutert:
„Das ist bereits die letzte Phase meiner Arbeit. Jetzt entscheidet sich, ob es mir gelingt, eine Pfeife zu basteln oder nicht. Das Abklopfen verlangt viel Geduld. Man darf weder zu schwach noch zu stark das Holz abklopfen. Am besten ist es, die Pfeife direkt in der Natur zu schnitzen. Ich habe die Weidenruten mit ins Museum gebracht. Am besten ist eine frische, knospende Rute. Durch das Abklopfen beginnt sich der Saft zu lösen, und die Rinde lässt sich abziehen. Ich schneide nun ein Loch in die Rute, durch das Luft strömen wird. So entsteht eine Pfeife. In eine der größeren Ruten kann ich auch mehrere Löcher hineinschnitzen und eine Flöte basteln.“
Im Tschechischen wird dieser Brauch als „otloukání píšťaliček“ bezeichnet – auf Deutsch etwa das „Abklopfen von Pfeifen“. Dies sei kein typischer Osterbrauch, sondern eher ein Frühlingsbrauch, sagt Václav Holas und merkt an:
„Jeder kann das lernen, aber man braucht viel Geduld. Ich habe das selbst auch gelernt. Von zehn Versuchen, eine Pfeife zu schnitzen, klappt zu Beginn mindestens einer. Man muss nur wissen, wie man vorgehen soll. Das Basteln von Pfeifen aus Weidenruten gehörte zweifelsohne zu einer beliebten Tätigkeit von Hirten. Sie hatten genügend Zeit, Geduld und Übung. Für sie war das einfach.“
Eiertitschen und Umzug mit dem Judas
Bei der Zusammenstellung der Ausstellung, die „Osterspiele“ heißt, habe er sich auf die Aktivitäten der Vorfahren in der Frühlingszeit konzentriert, so Holas weiter.
„Es ist keine reine Osterausstellung, gezeigt werden Spiele, die Kinder im Frühling draußen spielten. Dazu gehörte das Murmelspiel. Auch die Besucher können es hier ausprobieren. Ein echtes Osterspiel, das in der Schau beschrieben wird, wurde meist am Karsamstag gespielt, es hieß das Eierrollen. Zwei Rechen wurden ineinander verhakt, dadurch entstand eine Rille, und durch diese wurde das Ei gerollt. Die Frage war, ob das Ei auf die rechte oder die linke Seite rollte. Ein weiteres Spiel war das ,Eiertitschen‘. Jeder Spieler hat ein Ei, das er in der Faust hält. Dann titschen immer zwei ihre Eier gegeneinander. Gewonnen hat der, dessen Ei auch in der letzten Runde noch heil bleibt. Die Spieler bemühten sich darum, das Ei möglichst unversehrt zu behalten. Manche versuchten auch, durch Betrug zu gewinnen. So spritzten sie zum Beispiel einen Zusatzstoff ins Ei, um es härter zu machen.“
Beim „Titschen“ wurden natürlich rohe Eier benutzt, sonst wäre das Spiel weniger spannend gewesen. Der Kurator beschreibt aber auch einen Osterbrauch, der aus Ostböhmen stammt und an einigen Orten immer noch gepflegt wird. Es handelt sich um einen Umzug mit dem Judas.
„Einer der Teilnehmer spielt den Judas. Er wird in altes Stroh gekleidet. Das Stroh symbolisiert den Winter, der vor kurzem zu Ende gegangen ist. Dann ziehen die Bewohner im Umzug mit dem Judas an der Spitze am Gründonnerstag und Karfreitag durch das Dorf. Am Karsamstag darf der Judas sein Strohkleid ablegen, und das alte Stroh wird irgendwo außerhalb des Dorfes verbrannt.“
In der Ausstellung werden noch weitere Osterbräuche beschrieben, von denen einige auch im heutigen Tschechien noch nicht vergessen sind. Dazu gehört das Kleppern oder Ratschen. Dieses Lärmen mit hölzernen Instrumenten war, wie der Kurator erläutert, nicht nur in den Böhmischen Ländern verbreitet. In der Karwoche – vom Gründonnerstag bis zum Karsamstag – ersetzen die Kleppern die Kirchenglocken. Eine große Ratsche, die in der Ausstellung gezeigt wird, stammt aus den Sammlungen des Museums. Václav Holas:
„Dies ist eine Ratsche, die sich im Kirchenturm befand. Sie ist so groß, dass sie mit ihrem Lärm problemlos das Glockengeläut ersetzen kann. Sie sollte im ganzen Dorf zu hören sein.“
Der Brauch war früher Holas zufolge im ganzen deutschsprachigen Raum sowie in Italien und in Spanien verbreitet.
Seidentücher mit Mustern von Ostereiern
Vom Osterfest ist das Lamm nicht wegzudenken. Dieses gelte als das Opfer Christi, sagt der Kurator und macht auf einige Exponate aufmerksam:
„Das Lamm findet sich in der Ausstellung in unterschiedlichen Formen. Zu sehen sind etwa spezielle Backformen. Mit dem Symbol eines Lamms wurden früher auch Ostereier verziert. Wir zeigen hier verschiedene Techniken, wie in Südböhmen die Ostereier bemalt wurden. Diese Ostereier werden ,doudlebské straky‘ genannt. Das Wort ,straky‘ wird vom Adjektiv ,strakatý‘ abgeleitet und bedeutet ,bunt‘. Und Doudleby ist eine Gemeinde, die rund zehn Kilometer südlich von Budweis liegt. Die größte Propagatorin dieses Musters war Marie Husarová. Sie übertrug die Muster auf Seidentücher. Einige der Tücher aus ihrem Nachlass werden in der Ausstellung gezeigt. Die Seidentücher von Marie Husarová waren gefragte Exportartikel.“
Das bemalte Osterei wird hierzulande ,kraslice‘ genannt. In der Region von Doudleby / Teindles und seiner Umgebung heißt es dem Experten zufolge aber nicht ,kraslice‘, sondern ,straka‘. Und dank Marie Husarová sind die Muster aus der Region auch im Ausland bekannt geworden. Sie habe ganze Musterkarten zusammengestellt, merkt der Kurator an. Und er macht auf eine weitere Technik aufmerksam, mit der die Ostereier in Südböhmen verziert wurden:
„Als ,jarošovská krajka‘ (auf Deutsch ,Spitze von Jarošov‘, Anm. d. Red.) wird die Technik bezeichnet, die aus der Gemeinde Jarošov nad Nežárkou stammt. Immer noch werden auf diese Weise Ostereier verziert. Im vergangenen Jahr brachte uns eine Frau einige Beispiele von bemalten Ostereiern. Sie nannte ihre Muster ,Perlenmuster‘. Dabei ging sie zwar von alten Techniken aus, aber ihre Verzierungen waren viel feiner. Der Stil der Bemalung von Ostereiern entwickelt sich ständig weiter. Es ist eine lebendige Form der Volkskunst.“
Zu Ostern werden nicht nur Lämmer und Osterkuchen aus Teig gebacken. Der Kurator macht zudem auf einige kleinere Kuchen aufmerksam:
„Das sind die traditionellen ,kynuťáky‘, die in Südböhmen gebacken werden. Typisch ist der ,jidáš‘ (auf Deutsch der Judaskuchen, Anm. d. Red.). Das andere zopfartige Gebäck wurde wiederum ,caletka‘ genannt. In Südböhmen war es im Gegenteil zu anderen Regionen Böhmens nicht üblich, am Ostermontag mit der Osterrute von Haus zu Haus zu gehen, um von den Mädchen Ostereier zu bekommen. Wie in den deutschsprachigen Ländern wurden auch in unserer Region früher die Ostereier beispielsweise im Garten versteckt, und die Kinder mussten sie suchen. In der Ausstellung wird gezeigt, wie ein Hase gerade die Ostereier versteckt hat.“
Die Sonntage in der Fastenzeit hatten früher im Volksmund ihre eigenen Namen, die jedoch heute kaum noch jemand kennt – bis auf den Palmsonntag. Die übrigen Sonntage wurden als Liščí (Fuchssonntag), Pražná (Röstgetreide-Sonntag), Kýchavná (Niessonntag), Družební (Brautführersonntag) und Smrtná (Todessonntag) bezeichnet. Auch an den Namenstagen einiger Heiligen in der Fastenzeit gab es besondere Bräuche. So etwa an denen des Hl. Gregor und des Hl. Matthäus.
„Am Namenstag des Heiligen Matthäus, der in der Volkstradition am 24. Februar gefeiert wurde, klopften die Kinder mit Zweigen auf Baumstämme, um den Saft in den Bäumen wiederzuerwecken. Denn sie freuten sich schon auf den Frühling. Der Namenstag des Heiligen Gregor galt als Schülerfest. Schüler gingen mit ihrem Lehrer durch das Dorf und luden Kinder im Vorschulalter zum Besuch ihrer Klasse ein. Es war eine Art Einschulung.“
Majolika aus Südböhmen
Václav Holas macht des Weiteren auf Exponate aufmerksam, die mit der Fastenzeit zusammenhingen. Zu sehen sind beispielsweise liturgische Gegenstände, die am Aschermittwoch in der Kirche benutzt wurden.
„Wir zeigen hier die Patene, auf der die Asche lag, mit der der Priester den Gläubigen das Aschenkreuz spendete. Die Asche stammte aus den verbrannten Palmenzweigen, die ein Jahr zuvor geweiht worden waren. Beim Spenden des Aschenkreuzes wird gesagt: ,Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zu Staub werden wirst.‘“
Der Kurator hebt ein weiteres Exponat hervor. Es ist ein Teller, der mit Passionswerkzeugen verziert ist, also mit Waffen, die sich auf den Tod Jesu Christi beziehen.
„Der Teller wird erst zum zweiten Mal ausgestellt. Ich halte ihn für sehr wertvoll. Denn er ist ein sehr schönes Beispiel von Majolika aus Südböhmen. Der Teller stammt von 1781. Das andere Exponat ist das sogenannte ,líto‘. Am fünften Fastensonntag, dem Todessonntag, wurde eine Figur des Todes, die den Winter symbolisierte, durch das Dorf getragen und in den Fluss geworfen. Die Mädchen brachten anschließend einen kleinen Maibaum – das ,líto‘ – zurück ins Dorf. Wir zeigen in der Schau eine kleine verzierte Fichte, die als das Symbol des Sommers galt.“
Václav Holas macht des Weiteren auf ein Kunstwerk aufmerksam, das aus den Sammlungen des Museums stammt:
„Die Abnahme vom Kreuz ist eine herrliche Arbeit vom Ende des 18. Jahrhunderts. Das Kunstwerk stammt aus einem Kloster, es ist eine polychrome Skulptur aus Gips. Sie befindet sich seit der Gründung des Museums in unseren Sammlungen.“
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